Performing Challenges 2023

Ringvorlesung am 31.5. und 1.6.2023

 


IKM – Institut für Kulturmanagement und Gender Studies
Universität für Musik und darstellende Kunst Wien
Anton-von-Webern-Platz 1, Bauteil E, 1030 Wien

 


 

Die diesjährige mdw-Gender-Ringvorlesung am IKM setzt sich mit den Beziehungen zwischen performativen Künsten und interdependenten gesellschaftlichen, politischen und ökologischen challenges auseinander: Im Wortsinn von challenge als Herausforderung, Infragestellen, Anzweifeln, aber auch als Anregung, Aufforderung, Provokation oder Auf-sich-nehmen, wollen wir einerseits danach fragen, wie gegenwärtige globale Herausforderungen in den Künsten Form finden, wie sie also performt werden, und wie andererseits performative Praktiken selbst herausfordern, auffordern und potenziell Veränderung provozieren. In diesem Kontext sind es die ästhetischen Mittel und Bedingungen des Performens heute an den Schnittstellen zwischen performativen Künsten, Aktivismus, Politik und Theorie, die im Zentrum der gemeinsamen Auseinandersetzung und Diskussion um Geschlechterfragen stehen sollen.

 

Entsprechend versammeln wir theoretische, künstlerische und aktivistische Zugänge, die sich anhand unterschiedlicher Beispiele aus den Bereichen Musik, Theater/Performance, Tanz, Film und Aktivismus sowohl der gegenwärtigen Verortung der performativen Künste widmen als auch der Auseinandersetzung mit verschränkten Ungleichheiten und dem Verhältnis von queerfeministischen, migrantischen und ökologisch-planetarischen Perspektiven im Kontext gegenwärtiger Globalisierungsentwicklungen.

 


Mittwoch, 31. Mai  
ab 14:00, Großer Seminarraum am IKM (E 0101)

 

14:00

Einführung

Evelyn Annuß, mdw-Gender Studies

   
 

Performance und Film

 

Challenging the Body-Image – Performing t4t

Sima Ehrentraut (Wien, Berlin)

15:00

Justitia! Performative Formate zu Recht und Gerechtigkeit

Gin Müller (Wien)

   
16:00 Pause

 


ab 16:30, Arthouse Kino im Future Art Lab

 

00:00

Grußwort

Gerda Müller, Vizerektorin für Organisationsentwicklung, Gender & Diversity

   
 

Filmscreening: Sonne (Kurdwin Ayub)

Im Anschluß: Djamila Grandits im Gespräch mit Maya Wopienka (Wien), Law Wallner (Wien),  und Sonja Hilberger (Wien, Berlin, Rostock)

   
  danach: Imbiss und Umtrunk auf der Terasse des Future Art Lab

 


Donnerstag, 1. Juni  
ab 10:00, Großer Seminarraum am IKM (E 0101)

 

10:00

Studierendenfrühstück

   
  Musiktheater
11:00

Humanistää! Ein Paar-Leben als staccato-Performance

Melanie Unseld (Wien) und Jera Petriček Hrastnik (Wien)

12:00

Paris, Memphis, Versailles – Verortungen von Gender im Musiktheater

Anke Charton (Wien)

   
13:00 Pause
   
  Inter- und Ökodependenzen
14:30

What Leaf? What Mushroom?

Chris Standfest (Wien) und Sean Pfeiffer (Wien)
15:30

Über(k)leben! Performative Formen des Protests im Kontext der Klimakrise

Martha Krumpeck (Letzte Generation, Wien) im Gespräch mit Silke Felber (Wien)

   
16:30 Kaffeepause
   
17:00

Medialität des Floralen

Isabel Kranz (Linz, Wien)

18:00

On the politics of entanglement: feminist art and my grandmother's knitting

Bojana Kunst (Gießen)
   

 


Challenging the Body-Image – Performing t4t, Sima Ehrentraut

Der Vortrag geht auf die Rolle visueller Austauschprozesse in trans for trans* Dynamiken ein. Anhand der 2021 entstandenen filmischen Arbeit Seek Bromance des Künstlers und Filmemachers Samira Elagoz fragt die Präsentation danach, wie durch bildliche Medialisierung das Begehren nach dem* Anderen*, nach dem anderen Körper und nach Fixierung im Bild ineinandertreten. Der Vortrag diskutiert mit der künstlerischen Arbeit die Rolle der Übertragung und Zirkulation in und zwischen Bildern für die Herausbildung von trans* Identität und trans* Beziehungen und geht dem Körper-Bild als einem in-stabilen Ort der Manifestation des trans* Werdens und der Refiguration von Selbst- und Fremdwahrnehmung im nach außen gekehrten Blick nach.

 

Sima Ehrentraut ist wissenschaftliche*r Mitarbeiter*in und promoviert im FWF-Projekt „Dramaturgien nach dem Postdramatischen Theater“ am Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft der Universität Wien. Er ist außerdem am Exzellenzcluster „Temporal Communities“ (FU Berlin) tätig. Seine Forschung fokussiert auf performative Dynamiken von zeitbasierten Medien, Medienontologien und ästhetische Konzepte im Feld der Queer und Trans Studies.

 

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Justitia! Performative Formate zu Recht und Gerechtigkeit, Gin Müller

Der Vortrag gibt Einblick in Zugänge und Themen des mehrjährigen Recherche-Projekts Justitia!, das sich in unterschiedlichen Performances und medialen Formaten, Social Media, Workshops und Lectures mit dem Verhältnis von Theater und Gericht, von Recht und Gerechtigkeit auseinandersetzt. Es startete 2022 mit der Performance „Identity Cases – Identitäts-Prozesse“. Diese verlagerte den Streit um Identitätspolitiken in spezifische mediale Gerichts-Settings. Ist der öffentliche Konflikt über fluide und festgeschriebene (Trans/Gender/Race)-Identitäten nicht längst selbst oft zum Gericht geworden? Wie die Forderung nach Recht und Gerechtigkeit bespielen? Alles Performance oder Politik? Im Jahr 2023 lautet das Thema „No one is illegal“. Die Performance wird sich im Gerichts- und Figurentheater-Setting auf Grenzverletzer*innen, Asylgesetze und Fluchthillfe als Care-Arbeit fokussieren.

 

Gin Müller- Artistic Researcher, queerer Ar/ctivist*, Dramaturg*. Derzeit als Lektor* an der Universität Wien (Theater-, Film-, Medienwissenschaft), Daneben zahlreiche eigene Theater/Performance/Kunst/Aktivismus-Projekte (vor allem in Kooperation mit dem brut Theater Wien). Von 2017 – 2019 Gastprofessur an der Akademie der bildenden Künste.

 

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Filmscreening Sonne (Kurdwin Ayub)

Drei Wiener Teenagerinnen twerken im Hijab und singen einen Popsong. Ein YouTube-Video davon macht sie vor allem unter kurdischen Muslimen über Nacht berühmt. Yesmin, die als einzige der Freundinnen selbst Kurdin ist, beginnt sich immer weiter von ihrer Kultur zu distanzieren. Nati und Bella scheinen hingegen fasziniert von der ihnen fremden Welt. Als die Mädchen zwei junge kurdische Patrioten kennenlernen, droht die Situation zu eskalieren. Ein Film über Jugendliche zwischen Social Media und Selbstfindung, eine Geschichte von Rebellinnen.

 

Im Anschluß: Djamila Grandits im Gespräch mit Maya Wopienka und Sonja Hilberger

 

Maya Wopienka ist Schauspielerin und feierte ihr Kinodebüt 2022 mit dem mehrfachausgezeichneten Film "Sonne" von Kurdwin Ayub.

Sonja Hilberger ist seit 2022 Professorin für Rollengestaltung am Max-Reinhard-Seminar der mdw. Sie arbeitet als Regisseurin, Autorin, Festivalleiterin, Produzentin, Schauspielerin und Schauspieldozentin für Theater und Film, unter anderem beim Theater 89 Berlin und der Compagnie-de-Comédie Rostock.

Djamila Grandits, Kuratorin und Kulturarbeiterin, ist als Teil von CineCollective mitverantwortlich für die künstlerische Leitung und Geschäftsführung von Kaleidoskop Film und Freiluft am Karlsplatz. Zurzeit ist sie beteiligt an der Programmgestaltung von DOK Leipzig, Berlinale Panorama, tricky women - tricky realities und frameout - Open Air Cinema. Mitglied der non-fiction Kommission der Zürcher Filmstiftung. Djamila beschäftigt sich mit Verstrickungen und kollektiven Prozessen.

 

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Humanistää! Ein Paar-Leben als staccato-Performance, Melanie Unseld und Jera H. Petriček

Die vielfach ausgezeichnete Produktion "humanistää! eine abschaffung der sparten" am Volkstheater in Wien (Regie: Claudia Bauer) ist in vielerlei Hinsicht les- und erlebbar: als genreüberschreitende Performance, als Hommage an Ernst Jandl (und Friederike Mayröcker) oder auch als "breathtaking theatrical immersion", wie es die New York Times schrieb. Sie ist auch die Performance eines kreativen Paares, das den Rhythmus des je eigenen Schaffens sucht. Der Vortrag geht Spuren von zwiefacher Kreativität und Paar-Biographik auf der Bühne nach, und zwar insbesondere mithilfe von musikalischen Parametern, die der Inszenierung und der Musik- bzw. Klangebene von "humanistää!" zugrunde liegen (Sprachrhythmus, Musikalisierung von Bewegung und Bühnenmusik). Dem Vortrag schließt sich ein Gespräch mit Jera H. Petricek an, der Dirigentin von "humanistää!".

 

Melanie Unseld ist Professorin für Historische Musikwissenschaft an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien.

Jera H. Petriček ist freiberufliche Dirigentin und seit 2023 Maestra suggeritrice an der Wiener Staatsoper. Sie studierte Französisch, Russisch sowie Orchesterdirigieren in Ljubljana und Wien. Seit 2021 promoviert Petriček in Musikwissenschaft unter Betreuung von Prof. Dr. Melanie Unseld über die Dirigentin Gertrud Herliczka.

 

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Paris, Memphis, Versailles – Verortungen von Gender im Musiktheater, Anke Charton

Am 6. März 2023 fragt die @oper_stuttgart auf Twitter: „Brainstorming-Runde für die Spielzeiten 2026-29. Habt ihr Wünsche? Haut raus!“, um am Tag darauf zu verkünden: „Das Einzige, was wir jetzt bereits garantieren können: Auch bis 2029 wird es in Stuttgart keine Aida geben.“ Am Beispiel von Aida findet hier auf unter 140 Zeichen mehr als eine programmatische Verortung statt, die gleichzeitig einen Ausgangspunkt bietet, um die Verstrickungen von aktuellem Musiktheaterbetrieb und gewachsenen Narrativen intersektional zu diskutieren und zu fragen, wie sogenanntes Kernrepertoire spielbar ist – und was es im Gegenzug aufs Spiel setzen kann.

 

Anke Charton ist Assistenzprofessorin für Theater & Gesellschaft an der Universität Wien und Elise Richter Fellow des FWF. Sie forscht im interdisziplinären Bereich von Theater- und Musikwissenschaft sowie Gender Studies, mit Fokus auf Musiktheater und-betrieb, Gesangsgeschichte und Theaterkulturen der Frühen Neuzeit.

 

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What Leaf? What Mushroom? - Chris Standfest und Sean Pfeiffer

„In Other Words: A Future“ – so der Titel einer Sammlung von Performances, Panel Talks und Lesungen im Sommer 2022 im Rahmen des ImPulsTanz – Vienna International Dance Festivals zur Frage, wie aktuelle Positionen in den darstellenden Künsten, der Literatur, Architektur und im Aktivismus Wahrnehmung und eingreifendes Verstehen in Bezug auf das, was so schön euphemistisch „Klimawandel“ genannt wird, formen und verändern. Arbeiten von Claudia Bosse, Stefan Kaegi & ShanJu Lab, Sergiu Matis, Elisabeth Tambwe, Esther Kinsky, Barbara Frischmuth u.a. waren Teil des Programms und werden hinsichtlich ihrer Interventionsenergie und künstlerischen Methoden vorgestellt; desweiteren Angela Schubot und Lisa Hinterreithner und ihre somatisch-diskursiven choreografischen Verwebungen.

 

Sean Pfeiffer, Ko-Kurator des Symposiums „In Other Words: A Future”, schreibt und studiert zur Zeit Sprachkunst an der Universität für angewandte Kunst in Wien.

Chris Standfest studierte an der FU Berlin und der University of Lancashire. Sie ist künstlerische Beraterin, Dramaturgin und Kuratorin des ImPulsTanz – Vienna International Dance Festivals und externe Lektorin an der Universität Wien. Davor und parallel langjährige Praxis als Performerin und Dramaturgin in der freien Szene vor allem mit theatercombinat und Claudia Bosse, sowie in künstlerischen und aktivistischen kollektiven Zusammenhängen in Berlin, Wien und an anderen Orten.

 

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Über(k)leben! Performative Formen des Protests im Kontext der Klimakrise, Martha Krumpeck im Gespräch mit Silke Felber

 

Martha Krumpeck hat die Letzte Generation in Österreich mitbegründet. Sie klebt sich an Straßen, um Politik und Gesellschaft angesichts der drohenden Klimakatastrophe und immer eindringlicherer wissenschaftlicher Warnungen wachzurütteln. Daneben engagiert sie sich, selbst trans*, für die Rechte geschlechtlicher Minderheiten.

Silke Felber ist habilitierte Theater- und Kulturwissenschafterin. Sie forscht u.a. zu Dramaturgien der Durchquerung, Ästhetiken des Überdauerns und zur Performativität des Olfaktorischen. Am IKM leitet sie aktuell das FWF-Projekt Performing Gender in View of the Outbreak.

 

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Medialität des Floralen, Isabel Kranz

Blumen treten entweder im radikalen Singular auf oder im Kollektiv, stehen für körperferne Liebe oder das Geschlechtliche an sich, versinnbildlichen reine Natürlich- oder absolute Künstlichkeit, sind unwichtig nebensächlich oder absolut entscheidend. Als kritische Denkfiguren verstanden verunsichern Blumen und Blüten das dualistische Denken und stellen allzu einfache Oppositionen in Frage. Ausschlaggebend hierfür ist ihr konstitutiver Zwischenstatus – zwischen Objekt und Subjekt, Modell und Anschauung, Natur und Kultur, Dinghaftigkeit und Lebendigem. Dieser Medialität des Floralen geht der Vortrag anhand von Beispielen aus Literatur, Kunst, ästhetischer Theorie und der Wissenschaftsgeschichte der Botanik nach. Besondere Aufmerksamkeit wird dabei auf die Fragen nach Ordnung, Sprache und Geschlecht gelegt.

 

Isabel Kranz, Literatur- u. Kulturwissenschaftlerin, z.Zt. Gastprofessorin an der Kunstuniversität Linz u. Lektorin an der Universität Wien. Autorin u.a. v. Sprechende Blumen. Ein ABC der Pflanzensprache (2014) und Raumgewordene Vergangenheit. Walter Benjamins Poetologie der Geschichte (2011). Arbeitsschwerpunkte: Literatur und Botanik, Zukunftsvorstellungen, Medien der Geschichte.

 

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On the politics of entanglement: feminist art and my grandmother's knitting, Bojana Kunst

In ecofeminist art and theory, entanglement is often a key concept with political and ethical potential. It is a concept that expresses an ethics of care for the complexity of interwoven relations between human and more than human beings. At the same time, entanglement brings into focus a whole range of very specific practices, such as knitting, weaving and sewing. The relationships are often described in terms of threads, lines, knots, strings. In order to show how entanglement is politicised and materialised in feminist art, I would like to address this very specific fiber and textile materiality of entanglement, and discuss it through the practices of weaving and knitting. To do this, my talk will attempt to stitch together my intimate memory of my grandmother's weaving and feminist approaches to weaving, asking different questions about the matter of thread and the entangled labour of the fingers.

 

Bojana Kunst is a philosopher, dramaturge and performance theorist. She is a professor at the Institute for Applied Theatre Studies at the Justus Liebig University in Giessen, where she directs an international master's programme in choreography and performance. She was a researcher at the University of Ljubljana and the University of Antwerp (until 2009), and later a DAAD guest professor at the University of Hamburg (2009 - 2012).

 

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