Musik bewegt uns / uni:vision 2

Entwicklung ungenutzter kinästhetischer und psychomotorischer Potentiale und deren individuelle Anwendung im KE (künstlerischen Einzelunterricht)

 

Projektleiter: Univ.Prof. Walter Wretschitsch

Projektpartnerin: o.Univ.Prof. Klara Harrer-Baranyi
Projektdauer: Sommersemester 2009 - 2012

 

Projektinhalt

 KE (Künstlerischer Einzelunterricht)- Feldforschung -Teamteaching – Innovation

 

Musizieren ist ein in höchstem Maße integrativer Prozess, der Hören und Sehen, theoretische Kenntnisse und Gedächtnis, Muskeltraining und Körpergefühl, Klangsinn und Ausdruckskraft in ganz besonderer Weise miteinander verbindet. Erst durch diese Verbindung entsteht die Leistung des/der Musiker/s/in, erst durch die Integration aller Seiten der Persönlichkeit gelangt man über das „bloß“ Handwerkliche der Musik hinaus zum Musizieren als Kunst.[1] Dahinter verbirgt sich eine in zahllosen Übestunden erreichte Anpassung des Körpers an das Instrument und seine Anforderungen.

 

Das intensive motorische Training, das Studierenden und BerufsmusikerInnen tagtäglich abverlangt wird, sowie das zeitgenaue Abverlangen von Höchstleistungen zieht häufig physische und psychische Überlastungen mit sich. Das Umsetzen musikalischer Fähigkeiten auf der Bühne erfordert ein perfektes Zusammenspiel von Körper und Geist. Daher ist professionelles Musizieren als gesamtkörperlicher Vorgang zu verstehen, Großmotorik und Feinmotorik stehen in ständiger Wechselwirkung, wie auch Emotionalität zu Rationalität. Die Unausgewogenheit dieser genannten Parameter führt zu Funktionsstörungen und folglich auch zu künstlerischen und körperlichen Defiziten. Jahrelang trainierte Bewegungsmuster, Denk- und Verhaltensmuster werden ins Studium und in den Beruf hineingetragen und wirken sich oft hemmend für die künstlerische und persönliche Entwicklung aus.

 

Im KE stehen die Entwicklung der instrumentalen Fähigkeiten und die Entwicklung  der künstlerischen Persönlichkeit im Vordergrund.

 

Der Fokus der gemeinsamen Arbeit von Lehrenden  und Studierenden liegt in der Interpretation, im musikalischen Ausdruckvermögen und in der Perfektion der technischen Ausführung.

 

In diesem Projekt sollen im Rahmen der Feldforschung Gemeinsamkeiten und Unterschiede aufgezeigt werden, in neue Unterrichtsmethoden einfließen und als Teamteaching den Professoren und Professorinnen sowie den Studierenden nach Bedarf zur Verfügung stehen.

 

Durch systematische Feldforschung – wie verändert sich der künstlerische Ausdrucks im Zusammenhang mit Körperhaltung und Bewegung -  sollen neue, erweiterte Unterrichtsformen (Teamteaching) für den künstlerischen Einzelunterricht erarbeitet werden.

 

Beim Teamteaching versuchen TrainerInnen (z. B. Spiraldynamiker, Dipl. Bewegungspädagogin Franklin-Methode), Lehrende und Studierende in gemeinsamer Arbeit instrumentenspezifische Bewegungsabläufe und Muster zu analysieren und zu korrigieren. Ein entsprechendes Übeprogramm soll entwickelt und so gestaltet werden, dass alte, störende Verhaltens- und Bewegungsmuster durch neue, effiziente ersetzt werden können. Studierende sollen lernen, ihre Empfindungen und Symptome zu beschreiben, Veränderungen wahrzunehmen, physischen und psychischen Überlastungen Grenzen zu setzen und einen sensibleren Umgang mit Körper und Instrument zu entwickeln. Lehrende haben die Möglichkeit, ihr Wissen über physiologische Abläufe zu erweitern und neueste Erkenntnisse der Humanmedizin und der Sportwissenschaften mit den Lehrtraditionen zu verbinden. („Zukunftsuniversität aus Tradition“)

 

 

Ziele

 

Im Mittelpunkt stehen folgende Ziele:

 

1) Die Optimierung des KE im Hinblick auf die Sensibilisierung der Eigenwahrnehmung und der Realisierung künstlerischer Vorhaben durch „Körper-Seele“ Balance Findung. Bei der Bewältigung spieltechnischer und musikalischer Probleme werden die Wechselbeziehungen zwischen den Polen „ Spielen, Denken und Empfinden“ aufgedeckt und in Form von positiven Rückkopplungsprozessen vermittelt.

 

2) Die Entwicklung neuer Methoden für den KE /Teamteaching

-„Trainer“ – Lehrender – Studierende arbeiten zusammen: Die Wahrnehmung individueller Strukturschwächen und unvorteilhafter Bewegungsmuster und das Lernen, diese zu korrigieren und sich ihnen entsprechend anzupassen. Die Anpassung des Repertoires oder technischer Veränderungen erfolgen mit Hilfe der Hauptfach-lehrenden.

 

3) Die Entwicklung rationeller, musikalisch konzentrierter Übegewohnheiten, um alternative Wege des Übens einzuschließen, welche den Lernprozess verstärken und ineffektiv am Instrument verbrachte Zeit möglichst gering zu halten; darauf zu achten, mit klarem, zielgerichteten Verstand zu spielen, Pausen einzulegen und die Arbeitsmuskulatur nach dem Spielen wieder auszubalancieren.[2]

 

4) Evaluation des KE

 

5) Vorbeugen berufsbedingter Beschwerden

42% der im Rahmen des Projektes „Musik und Muskeln“ befragten Studierenden haben Beschwerden, die sie beim Spielen beeinträchtigen. Bei  38 % der Studierenden dauern die Beschwerden bereits mehrere Jahre[3].

 

6) Das für Musikstudierende entscheidende Ziel, somatopsychisches Lernen beim Spielen des Instrumentes erfolgreich zu gestalten, soll mit dem Erleben von Wohlbefinden verknüpft und praktisch erfahrbar gemacht werden.[4]

 

7) Lehrerfortbildung und Weiterbildung

Nachhaltigkeit und Multiplikaton ist dadurch gegeben.

 

 

Projekt Teamteaching

 

Das Projekt ist innovativ. Teamteaching ist eine neue Unterrichtsform, die Unterricht evaluiert und neue Entwicklungen und Sichtweisen im Unterricht ermöglicht.

Das Projekt ist institutsübergreifend. Lehrende und Studierende aller Instrumentalinstitute sind zur Teilnahme eingeladen.

Das Projekt ist transmedial: Die Forschungsarbeit soll in Ton und Bild festgehalten werden. Es findet eine Vernetzung von Kunst-Pädagogik und Wissenschaft statt. Eine  Publikation im Intranet, im Internet und auf sonstigen Datenträgern ist angedacht.

Das Projekt ist ein Experiment für mutige und lernfreudige Kolleginnen und Kollegen.

 

Warum Teamteaching?

Zeitgemäßer, innovativer Unterricht erfordert eine partielle Einbindung kompetenter Persönlichkeiten bzw. Beobachtung von außen, verbunden mit konstruktiven Vorschlägen. Dadurch werden völlig neue Sichtweisen und Inhalte möglich, die für den künstlerischen Werdegang von Studierenden erforderlich sind.

 

 

Zielgruppe

-Studierende

-Lehrende

 

An unserer Musikuniversität werden von Studierenden und Lehrenden gemeinsame Ziele (verkürzte Darstellung) verfolgt:

- Das Erreichen einer höchsten künstlerischen Kompetenz

- Das Gewinnen eines Probespiels

- Das Probejahr nicht nur zu überleben sondern im Orchester zu bleiben

- Höchstleistungen als Solistin, im Ensemble, im Orchester, im Lehrberuf, im Berufsalltag zu bringen.

 

Lehrende sind in erster Linie Künstler/innen und Pädagog/inn/en und können nicht alle hoch spezialisierten Fachgebiete abdecken.

 

Auch wenn im KE an elementaren Parametern des Instrumentalspiels, wie Haltung, Atmung und Motorik gearbeitet wird, findet dies sehr oft in der Tradition des „Weitergebens“ statt. Das ungeheure Wissen, das uns heute zur Verfügung steht und das wir nützen sollten, kann nur mehr durch Spezialist/inn/en gezielt Anwendung finden.

 

Mit dem Studienerfolg und den künstlerischen Qualitäten steigen auch die Anforderungen an die Studierenden.

 

Gerade in Zeiten der Vorbereitung von Wettbewerben und Probespielen entstehen unter dem Druck „sehr gut“ sein oder „gewinnen“ zu müssen, Stress bedingte, körperliche und emotionale Blockaden, die auf lange Sicht gesehen, kontraproduktiv sind, der künstlerischen Weiterentwicklung entgegenstehen und viele Reaktionen
(Symptome) hervorrufen.

 

Im KE werden solche Tendenzen nicht immer rechtzeitig erkannt, die Folgen sind oft schwerwiegend. 55% der befragten Studierenden haben schon unter Beschwerden gelitten, die sie beim Spielen/Singen beeinträchtigt haben. 25% aller Teilnehmerinnen/Teilnehmer haben bereits Schmerzmedikamente und Beruhigungsmittel genommen. 26% aller TN haben eine musikerspezifische Beratung in Anspruch genommen.[5]

 

Mit dem Modell Teamteaching soll neues Wissen einfließen und Unterricht optimiert und evaluiert werden. Das künstlerische und instrumentale Potential soll gesteigert werden.

 

Was ist das Innovative an diesem Modell?

 

Im Zusammenwirken von Lehrender/m, Studierender/m und einer Trainerin/einem Trainer werden neue Unterrichtsmethoden entwickelt. Neueste Erkenntnisse der Humanmedizin und der Sportwissenschaften fließen durch die Trainer in den Unterricht ein. In einem gemeinsamen Prozess werden Bewegungsmuster und Verhaltensmuster analysiert, auch in Frage gestellt und durch neue ersetzt.

Die Sensorik wird in Form von Eigenwahrnehmungsprozessen  bewußt gemacht, umstrukturiert und neu gelernt. Dies ist aufgrund der Tatsache sinnvoll, daß instrumentalmotorisch nur das verändert werden kann, was der Spieler auch sensorisch und emotional wahrnimmt. [6]

 

Ungenutzte, unbekannte kinästhetische und psychomotorische Potentiale und deren individuelle Anwendung im KE sollen ermöglicht werden.

Die Überlegungen dabei zielen auf einen Instrumentalisten, der auf der Basis seines zu entwickelnden Körperbewußtseins, das heißt, auf der Basis einer reflektierten Wahrnehmungsdifferenzierung, gelernt hat, mit seinen kinästhetischen und emotionalen Realitäten umzugehen, und der in Selbstbestimmung weiß, was er im Spannungsfeld von musikalischer Intention, Geschehenlassen und sowohl körperlicher als auch musikästhetischer Genussfähigkeit tut und warum er es tut: ein Mensch also, der durch die Entwicklung einer gebildeten Sensibilität seinen Körper als Erkenntnisinstrument für sein Selbstverständnis als Musiker begreift.[7]

 

Im Spitzensport hat man schon lange erkannt, dass nicht nur Muskelkraft und mentale Stärke zum Sieg führen, sondern dass die „Balance“ des Körpers und der Emotionalität grundlegende Stärken für Spitzenleistungen sind.

Diese Balance bildet eine der Säulen überzeugender musikalischer Interpretationen und ist nicht ident mit der technischen Arbeit am Instrument im traditionellen Sinn.

 

Dem entsprechend werden Trainingsprogramme entwickelt und auf die persönlichen Bedürfnisse des Sportlers/der Sportlerin abgestimmt.

 

Die Inhalte  und Ergebnisse dieses Projektes sollen den Erwartungen und Bedürfnissen unserer Studierenden individuell angepasst werden.

 

 

Erwartungen der Studierenden

 

Unsere Studierenden haben sehr klare Vorstellungen und Wünsche für ihre künstlerische Entwicklung, wie dies in einem Fragebogen dokumentiert ist:

 

- Körperbewussteres Spielen

- Verfeinerung der Verbindung zum Instrument

- Besseres Spielgefühl

- Ausgleich von Fehlhaltungen

- Sicherheit beim Auftreten, Abbau von Nervosität

- Steigerung der Ausdruckmöglichkeiten.

- Verringern von Schmerzen

- Neue Ideen und Impulse

u.a.[8]

 

 

 

Maßnahmenplanung

 

Um die Ergebnisse möglichst genau und wissenschaftlich dokumentieren zu können, sind Aufnahmen des Teamteachingprozesses in Bild und Ton erforderlich.

 

Ablauf organisiert nach Semestern:

 

1. Semester (01.03.2009 bis 30.06.2009)

 

1. Aufnahmetermin ( Aufnahmezeit netto ca. 5 Stunden )

 

TeilnehmerInnen:       

2 Lehrende, Klavier ( Gruppe 1 )

3 Studierende, Klavier ( Gruppe 2 ) für Langzeitstudie

1 Trainer/ 1 Trainerin ( abwechselnd )

 

Ziel:                    

„Feldforschung“

 

Thema:               

A)   Wie verändert sich der künstlerische Ausdruck im Zusammenhang mit Körperhaltung und Bewegung

B)   Erarbeitung von relevanten Fragestellungen betreffend  Bewegungslehre und künstlerischer Ausdruck.

 

Woher kommt der gute Klang? Wie fasst der Körper eine musikalische Phrase zusammen? Was macht der Körper während einer Pause? Verstärkt der optische Eindruck das klangliche Ergebnis? Wie wirken sich Stress bedingte Blockaden auf den künstlerischen Ausdruck aus? Etc.

 

Dokumentation der Arbeit in Bild und Ton

 

Termine:            

Am Anfang des Semesters, wenn möglich im Clara Wieck Schumann Saal

 

 

 

2. Semester (01.10.2009 bis 31.01.2010)

 

2. Aufnahmetermin ( Aufnahmezeit netto ca. 5 Stunden )

 

TeilnehmerInnen:       

2 Lehrende, Klavier ( Gruppe 1 )

4 Studierende, Bläser ( Gruppe 3 )

1 Trainer/ 1 Trainerin ( abwechselnd )

 

Ziel:                    

Die im vorherigen Semester erarbeiteten Themen und Fragestellungen mit  Studierenden auf ihre Relevanz überprüfen und „Werkzeuge“ entwickeln.

 

Dokumentation der Arbeit in Bild und Ton

 

Thema:  

A)  Gibt es allgemeingültige Regeln für den Zusammenhang zwischen Bewegung und Ausdruck?

B)  Gibt es neue Themenbereiche, die für Studierende und Lehrende aus künstlerischer und pädagogischer Sicht gleichermaßen von Wichtigkeit sind?

 

Termine:            

Am Anfang des Semesters, wenn möglich im Clara Wieck Schumann Saal

 

 

 

 

3. Semester (01.03.2010 bis 30.06.2010)

3. Aufnahmetermin

 

TeilnehmerInnen:       

4 Studierende, Bläserinnen ( Gruppe 3)

4 Studierende, Streicher, Sängerinnen ( Gruppe 4 )

 

Ziel: 

Gemeinsamkeiten des Instrumentalspiels auf verschiedenen Instrumenten bzw. des Singens werden untersucht.

 

Thema:     

A) Sind die Erfahrungen der ersten 2 Semester ( mit          Pianisten ) auf andere Instrumente übertragbar?

B) Dokumentation der Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Bild und Ton.

 

Termine:   

Zu Semesterbeginn im Clara Wieck Schumann Saal

 

 

4. Semester (01.10.2010 bis 28.02.2011)

4. Aufnahmetermin

 

 TeilnehmerInnen:      

4 Studierende, Streicherinnen, Sängerinnen ( Gruppe 4 )

3 Studierende, Klavier ( Gruppe 2 )

 

Ziel:           

Auswertung der Ergebnisse  

Schneiden der Aufnahmen   

Produktion von DVD              

 

Thema:     

Darlegung der Bewegungsvorgänge beim Instrumentalspiel und ihrer Auswirkungen auf den künstlerischen Ausdruck.

 

Termine:            

Aufnahme zu Beginn des Semesters im Clara-Wieck Schumann Saal

 

5. und 6. Semester (01. 03.2011 bis 31.01.2012)

 

TeilnehmerInnen:       

20 Studierende (Gruppe 5) bekommen pro Semester 4 x 1 Stunde Teamteaching mit dem Trainer/ mit der Trainerin. Die Anwesenheit des Hauptfachlehrers ist erwünscht.

Die Studierenden können entweder das ganze Jahr teilnehmen oder auch nur 1 Semester. Dafür dann neue Studierende. (sind 80 Stunden pro Semester, bzw. 160 Stunden für das Studienjahr )

 

Ziel:           

Integration der Bewegungslehre im künstlerischen Hauptfachunterricht 

(Teamteaching) Praxistest im laufenden Unibetrieb. Evaluierung (von aussen?)

                                                       

 

Jede Gruppe der Teilnehmenden hat 2 Aufnahmetermine zur Verfügung. Der erste Termin dient der Bestandsaufnahme und ersten methodischen Vorschlägen durch die Trainerinnen. Der zweite Aufnahmetermin findet ungefähr 5 bis 6 Monate später statt. Die in der Zwischenzeit im Teamteaching gemachten Erfahrungen sollen in dieser Aufnahme dokumentiert werden. Eine Langzeitstudie ist für die 3 Klavier Studierenden vorgesehen. (Aufnahmen im 1. Semester und im 4. Semester)

 

Zwischen den Aufnahmen arbeiten Trainer/Trainerin mit den Lehrenden bzw. mit den Studierenden. Die gemachten Erfahrungen werden dokumentiert und sollen in der jeweils 2. Aufnahme aufgezeichnet werden.

 

Dieses Konzept entstand in Zusammenarbeit mit o.Univ.-Prof. Klara Harrer – Baranyi.