Opern als musikanalytischer Gegenstand (ca. 1750 bis 1861)

Laufzeit: 2018–2022
Projektleitung: Andrea Horz
Mitarbeiter/in: Anna-Maria Niemand (bis 08/2020)
Finanzierung: FWF (Elise-Richter-Programm)

Die opernbezogenen Fachdiskussionen der letzten Jahre kreisten um die Etablierung eines methodischen Ansatzes, der das Erleben der Aufführung – die Performance – in den Mittelpunkt stellt. Doch wie und wann kam es überhaupt zu der Verschiebung, die Oper nicht allein nach ihrer Bühnenpräsenz zu beurteilen, sondern auch anhand des Notentextes? Welche Prämissen bestimmten dabei die Analyse der Opernmusik? Zur Beantwortung dieser Fragen ist der Blick in das 18. Jahrhundert zu richten: Im Zuge eines von der Aufklärung geprägten Diskurses, konkret gesagt mit dem Aufkommen von Zeitschriften, erhielten Rezensionen in den musikalischen Fachzeitschriften ein herausragendes Forum. Innerhalb des deutschsprachigen Operndiskurses, der zunächst vor allem anhand des Librettos geführt worden war, rückte ab der 18. Jahrhundertmitte auch die Musik in das Blickfeld. Diese zu registrierende Änderung spiegelt die Bewegungen des philosophisch-ästhetischen Diskurses wider. Zudem wandelte sich die mediale Verbreitung des Opernrepertoires, denn das im deutschsprachigen Raum bislang vornehmlich handschriftlich überlieferte Repertoire fand nun auch drucktechnische Verbreitung.

Ziel des Projektes ist es, das Entstehen der musikanalytischen Auseinandersetzung mit dem Opernrepertoire ca. von 1750 bis 1861 in den Rezensionen der Journale des deutschen Sprachraumes zu beleuchten und ihren Stellenwert geführten Diskurses zu analysieren. Trotz der zentralen Stellung, der dem am Notentext orientierte Zugriff auf die Oper in der Musikgeschichte zukommt, ist die historische Genese dieser musikalischen Opernanalyse bis jetzt noch nicht geleistet.

Mit Abschluss des Projektes wird für weitere Studien, die sich an der historischen Opernkritik orientieren, eine Datenbank zur Verfügung stehen, die die deutschsprachigen Opernrezensionen des 18. Jahrhundert und der Hauptzeitschriften des 19. Jahrhunderts bis ca. 1861 beinhaltet. Diese Datenbank umfasst dann den Zeitraum ab der drucktechnischen Verbreitung der Opernwerke bis zum Beginn der universitären Institutionalisierung der Musikwissenschaft. Weiters werden in der zu erstellenden Habilitationsschrift Aufführung und Notentext – Opern als musikanalytisches Objekt die Formation einer musikanalytisch orientierten Opernkritik dargestellt. Als diskursanalytische Untersuchung angelegt, stehen in dieser Monographie der Kontext von Musik, Philosophie, Literatur und Wirtschaft im Zentrum, die maßgeblich für den auf dem Notentext basierenden Zugriff auf die Oper waren. Außerdem rücken die Rezensenten als Schnittstellen eines netzwerkartigen Geflechts in das Blickfeld, das die musikalische Wahrnehmung dieser Zeit bestimmte.

Opera as music-analytical object (1750 to 1861)

Discussions in recent years within operatic studies have revolved around the establishment of a methodological approach that puts the experience of the performance itself in the centre. How did this shift in thought occur which judges the opera not solely on its stage presence but rather only on the musical score? Which premises determine this analytical access to operatic music?  In order to better understand the historical relationships of this constellation, one must look to the 18th century: with the emergence of journals in the course of a discourse, embossed by the enlightenment, critics received an outstanding forum. Initially concentrating on librettos, in the middle of the century the music came into view within German-speaking operatic discourse. This change reflects the movements of philosophic-aesthetic discourse. Moreover, the medial dissemination of the operatic repertoire transformed, because up to this time the mainly handwritten transmitted repertoire had also circulated as printed scores.

The target of this project is to examine the formation of a music-analytical debate about operatic repertoire from around 1750 to 1861 within German-written reviews and their importance within music-specialist journals. In spite of the central place of the score-orientated analytical approach to opera in music history, a historical localisation of the musical operatic analysis has not been undertaken yet.

At the end of the project there is a database available, containing the German-written critics of the 18th and of the main journals of the 19th century up to 1861 for further operatic reception research. In addition, a monograph (‘Habilitation’) entitled ‘Between stage and score – Opera as music-analytical object’ investigates the formation of a music-analytical orientated operatic criticism. The discourse-analytical study explores the relationships between music, philosophy, literature and economy, playing a substantial role in the score-based approach to operas. In addition, the reviewers can be seen as coordinates within a network determining the public opinion about operatic music of the time.