Stimmforschung am Antonio-Salieri-Institut

In der Stimmforschung am Antonio-Salieri-Institut wird die Stimme nicht nur als physikalisch-physiologisches Phänomen sondern auch als künstlerisches Ausdrucksmittel und Kommunikationsmedium betrachtet. Im Sinne einer evidence based vocal pedagogy wird eine Schnittstelle zwischen Stimmforschung und Gesangspädagogik geschaffen, deren Aufgabe die Erschließung, Aufbereitung und Übersetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse für die praktische Didaktik ist.

 

Der Forschungsansatz hat zwei thematische Schwerpunkte:

(a) Stimm-Grundlagenforschung
(b) Singstimmforschung inkl. Wissenstransfer zur Gesangspädagogik

 

Aktuell wird an folgenden Forschungsprojekten gearbeitet:
 

Die Forschungsaktivitäten wurden von November 2019 bis Anfang 2022 unter der Leitung von Christian T. Herbst durchgeführt. Seit 1.10.2022 ist Malte Kob als Professor für Stimmforschung am Antonio Salieri Institut tätig.
 

Stimmforschung - eine Begriffsbestimmung

Die Stimmforschung am Institut Antonio Salieri dient als Fundament für Aktualisierung und kontinuierliche Erneuerung der pädagogischen Handlungskonzepte in der Gesangsausbildung der mit Gesangspädagogik verbundenen Studienrichtungen Gesangspädagogik (IGP), Instrumentalmusikerziehung (IME), und  Musikerziehung (ME). Sie befasst sich mit der Physiologie und Physik der Stimmproduktion sowie der akustischen Stimmklanganalyse im künstlerischen und didaktischen Kontext hinsichtlich des Gesangs sowie des Sprechens im Schauspiel. Neben einer grundlagenwissenschaftlichen Durchdringung dieser Thematik werden vor allem Fragestellungen aus der gesangspädagogischen Praxis interdisziplinär behandelt, die daraus resultierenden Erkenntnisse fliessen wieder in die Lehre ein. In diesem Zusammenhang sind auch Aspekte der psychoakustischen Wirkung sowie der Stimmgesundheit relevant.

Im weiteren Sinne konstituiert die Stimmforschung ein interdisziplinäres Fachgebiet mit multiplen Anknüpfungspunkten:

 

Abgrenzung/Berührungspunkte von/mit anderen Wissenschaftsgebieten

Das Gebiet der Stimmforschung betrifft zentral die Stimme, aber nur marginal die Sprache bzw. das Sprechen. Letztere Phänomene sind eher den Gebieten der Linguistik/Kognitionsbiologie bzw. der Phonetik/Logopädie zugeordnet.

Es fließen Elemente aus folgenden Wissenschaftsgebieten ein:

  • Phoniatrie, Logopädie: Prävention und Therapie der gestörten Stimmproduktion in Sprache und Gesang

  • Musikermedizin: Medizinische Aspekte der künstlerischen Stimmproduktion im Gesang und Schauspiel

  • Nachrichtentechnik: Grundprinzipien der Stimmakustik, v.a. im Sinne der source-filter-theory

  • Digitale Signalverarbeitung: Stimmanalyse und -synthese in der Telekommunikation

  • Phonetik: akustische Phonetik

  • Systematische Musikwissenschaft, insb. Musikphysiologie

  • Psychologie: Psychoakustik, Perzeption

  • Physik: Aerodynamik (Atmung, Stimmproduktion), Mechanik/Dynamik (Stimmlippenschwingung), Akustik als Teilgebiet der Physik (Stimmproduktion, Vokaltrakt, Abstrahlung, Raumakustik)

  • Nicht-lineare Mathematik: Stimme im Kontext der Chaostheorie

  • Biologie: Bioakustik, Evolution, Anthropologie: Stimmproduktion von Menschen und anderen Säugetieren

Somit lässt sich das Fach „Stimmforschung“ vor allem deutlich vom rein medizinisch orientierten Fachbegriff im Rahmen der Phoniatrie bzw. Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde abgrenzen, es ist wesentlich breiter gefasst.

 

Kooperationsmöglichkeiten mit anderen Fächern an der mdw

Enge Kooperationsmöglichkeiten und potentielle Synergien ergeben sich hinsichtlich der Stimmakustik bzw. -physiologie mit den an der mdw eingerichteten Fächern musikalische Akustik (Werner Goebl) und Musikphysiologie (Matthias Bertsch) sowie der Musikwissenschaft an der Universität Wien (Christoph Reuter). Überdies sind mit einer Vielzahl an weiteren an der mdw eingerichteten Fächern Berührungspunkte bzw. Möglichkeiten der Zusammenarbeit gegeben, sofern die Stimmphysiologie bzw. -akustik betroffen ist, z.B.: Dramaturgie, Ethnomusikologie, Gender Studies, Medien- und Filmwissenschaft, Musikschulforschung, Musiktherapie, Theorie und Geschichte der Popularmusik sowie Volksmusikforschung.

 

Internationale Verankerung

International ist das Fach „Stimmforschung“ – im englischen Sprachraum oft als voice science oder vocology bezeichnet – in der wissenschaftlichen community bereits bestens verankert, was sich durch einschlägige Fachjournale belegen lässt:

Seit teilweise mehr als 2 Jahrzehnten werden regelmäßig Konferenzen zum Thema Stimmforschung abgehalten, z.B.:

Entsprechende universitäre und außeruniversitäre Kurse und Weiterbildungsmaßnahmen sind bereits an mehreren Universitäten bzw. Institutionen eingerichtet, z.B.:

Die internationale Bedeutung der Stimme als interdisziplinäres Phänomen wird durch den seit 2002 abgehaltenen World Voice Day deutlich. Mehrere namhafte internationale gemeinnützige Verbände widmen sich dem Thema Stimmforschung (Veranstaltung von Symposien, Herausgabe von Journalen, etc), z.B.: