In den vergangenen Monaten fanden Lehrveranstaltungen an österreichischen Hochschulen vor allem online statt. Doch was ist gut daran und was nicht? Lehrende der mdw gaben Auskunft.

Sie stand schon länger auf der Agenda, Mitte März passierte sie von einer Woche auf die andere: die Digitalisierung der Bildung. Während des Corona-Lockdowns wurden auch an der mdw sämtliche Lehrveranstaltungen ins Internet verlagert. An einer Vorlesung teilzunehmen, hieß also etwa, den Laptop aufzuklappen, per Link einer Videokonferenz beizutreten und den Vortrag am Bildschirm zu verfolgen.

Doch was sind die Vor- und Nachteile dieser Lehrform? Und welche Potenziale birgt sie für die Zukunft? Das mdw-Magazin hat sich bei mdw-Lehrenden umgehört und herausgefunden, welche Erfahrungen sie mit der digitalen Lehre gemacht haben.

Zunächst habe sie die Umstellung vor technische Herausforderungen gestellt, sagen die Befragten. Es galt, sich mit den entsprechenden Tools – wie Zoom, Skype oder der Lernplattform Moodle – vertraut zu machen. „Wir haben in kürzester Zeit etliche neue Kompetenzen erworben“, sagt Michael Meixner vom Leonard Bernstein Institut für Konzertfach Blas- und Schlaginstrumente.

© Michael Meixner

Auch die Unterrichtsmethoden mussten angepasst werden. Vieles, das sonst im Unterricht schnell erklärt ist, wurde nun schriftlich ausformuliert. „Das ist einerseits gut, denn es entsteht durchdachtes Material zum Nachlesen, andererseits habe ich mich manchmal auch ausgebremst gefühlt“, erklärt Meixner.

Dass sie ihren Unterricht radikal ändern musste, sagt auch Elisabeth Aigner-Monarth, Lehrende für Klavier und Klavierdidaktik am Institut Ludwig van Beethoven. „Ich habe versucht, den Stoff nicht nur frontal per Zoom zu präsentieren, sondern die Studierenden auch in diesem speziellen Setting aktiv miteinzubeziehen.“ Wie andere Lehrende arbeitete Aigner-Monarth mit Videos. Sie stellte für die Klavierdidaktik Aufnahmen bereit, die beispielhaft eine Lehrsituation zeigen und analysiert werden sollten. Im künstlerischen Einzelunterricht wiederum bat sie ihre Studierenden, ihr Klavierspiel zu filmen und ihr die Aufnahme zu senden. Ähnlich lief der Gesangsunterricht am Antonio Salieri Institut für Gesang und Stimmforschung in der Musikpädagogik, sagt Institutsleiterin Judith Kopecky. Zusätzlich zu regelmäßigen Videokonferenzen nahmen Studierende ihre Übungseinheiten auf und die Lehrenden gaben Feedback.

„Es waren kreative Lösungsansätze gefordert, die Neues zutage gebracht haben“, sagt Magdalena Fürnkranz, Lehrende am Institut für Popularmusik, über die vergangenen Monate. Im Rahmen einer Lehrveranstaltung am ipop sei beispielsweise ein Podcast entstanden.

Als Nachteil nennen die Befragten, dass die digitale Lehre sowohl für Studierende als auch für Lehrende wesentlich aufwendiger sei. Sie können ihr aber auch viel Positives abgewinnen. Indem sie sich selbst beim Üben filmten, hätten die Studierenden etwa ihre Kritikfähigkeit und Selbstbeobachtung geschult. Außerdem seien sie noch selbstständiger geworden. Schließlich biete die Lehrform auch ein hohes Maß an Flexibilität: „Die Tatsache, dass sie uns ermöglicht, unabhängig von Zeit und Raum zu lernen und lehren, erscheint mir besonders reizvoll“, sagt Fürnkranz. Ebenfalls positiv: Die Kommunikation untereinander sei in der Krise sehr gut gewesen. Das Studium stellte für die Studierenden in dieser Zeit offenbar eine Art Anker dar, beobachtete Florian Reiners, Professor für Sprachgestaltung am Max Reinhardt Seminar. „Viele sind zu ihren Eltern gefahren, waren zurückgeworfen in ihr altes Leben.“ Die Lerneinheiten hätten ihnen Kontinuität gegeben und seien „hochkonzentriert“ verfolgt worden.

Allen Vorteilen zum Trotz könne die digitale Lehre den Präsenzunterricht keinesfalls ersetzen – da sind sich die Befragten einig. „Im Theater braucht man ein Publikum und die Spannung im Raum. Das haben wir nach neun Wochen Zoom-Unterricht umso mehr gemerkt“, berichtet Reiners. Als der Unterricht im Juni – unter Einhaltung der Sicherheitsbestimmungen – wieder an der Universität stattfinden konnte, sei das für alle eine Erleichterung gewesen. „Wir haben richtig aufgeatmet.“ Kulturschaffende bräuchten eben das Miteinander. Aigner-Monarth pflichtet bei: „Die Begegnung mit Menschen kann nicht ersetzt werden, wenn es um Kunst geht.“

„Die Energie der Gruppe, das Zwischenmenschliche, Spontaneität und nonverbale Kommunikation“ würden bei der digitalen Lehre eben zu kurz kommen, erklärt Sandra Bohle, Lehrende der Filmakademie Wien. Die gemeinsame Arbeit an der Universität ist für sie, wie für ihre Kolleg_innen nicht wegzudenken.

© Elisabeth Aigner-Monarth

Die Zukunft wird wohl in einer Kombination beider Lehrformen liegen. „Vorlesungen, deren Inhalte sich im Laufe der Zeit nur geringfügig ändern, können aufgezeichnet und regelmäßig um aktuelle Erkenntnisse und Inhalte ergänzt werden“, meint Fürnkranz. Vorstellbar sei, dass die Theorie online und die Praxis an der Uni vermittelt wird, sagt Meixner: „Gut aufbereitete digitale Medien erlauben Wiederholung und Vertiefung, die im Live-Unterricht im Seminarraum oft zu kurz kommen. Andererseits könnte im Präsenzunterricht die praktische Anwendung im Vordergrund stehen, wenn die ‚Fakten‘ bereits vorher in Videos geklärt wurden.“ Diese Methode ist als „flipped classroom“ bekannt. Dafür brauche es aber an der mdw technisch noch mehr gut ausgestattete Räume, „damit es leichter wird, Videos und andere gut gestaltete Unterrichtsmaterialien zu erstellen“.

Nach einer guten technischen Infrastruktur verlangt auch Aigner-Monarth. „Momentan sind wir auf unsere eigenen Tools angewiesen.“ Und nicht alle haben einen nagelneuen Computer mit einer schnellen Internetverbindung zu Hause. Die Instrumente der Studierenden ließen ebenfalls oft zu wünschen übrig. „Eine meiner Studentinnen übt auf einem Pianino im Keller eines Studentenheims in einem überhalligen Raum.“ Auch in einigen Studienrichtungen an der Filmakademie habe sich die Online-Lehre als schwierig herausgestellt, erklärt Bohle. „Montage-Unterricht ohne Schneideraum, Kameraunterricht ohne Equipment, das ist nur reduziert durchführbar.“

Für die wissenschaftliche Lehre benötige es einen besseren Zugang zu digitalen Ressourcen, konkret „mehr Lizenzen für Online-Archive, ausgewählte Fachzeitschriften und wissenschaftliche E-Books“, ergänzt Fürnkranz. Sie wünscht sich außerdem „eine Lernprozessbegleitung auch in der digitalen Lehre“. Schließlich müsse die Medienkompetenz der Studierenden, aber auch die der Lehrenden gestärkt werden, so die Meinung der Befragten.

Sie sollten auch benennen, was sie aus den vergangenen Monaten mitgenommen haben. Für Kopecky ist es „der Mut, Dinge neu zu denken“. Sie freue sich darauf, innovative Lehrmethoden zu entwickeln – künftig jedoch nicht erst dann, „wenn der Hut brennt“, sondern mit der notwendigen Muße.

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