Am 4. und 5. Dezember 2023 wurde die mdw erneut ihrem Ruf als Zentrum der Hanns-Eisler-Forschung gerecht. 2003 und 2009 hatte bereits das damalige Institut für Musikalische Stilforschung zwei Eisler-Symposien ausgerichtet und den Band Hanns Eisler – Ein Komponist ohne Heimat? vorgelegt. 2018 folgte das Institut für Musikwissenschaft und Interpretationsforschung der mdw mit dem Symposium Hanns Eisler und die Umbruchjahre 1918–38–48–68. Gemeinsam mit der Internationalen Hanns Eisler Gesellschaft sowie der Hanns und Steffy Eisler Stiftung, dem Georg und Alice Eisler Fonds für bildende Künstler_innen und Komponist_innen, der Kulturabteilung der Stadt Wien sowie den Bezirksmuseen Landstraße und Wieden veranstaltete das Institut nun die EislerTage Wien 2023.

Hanns Eisler in Hollywood, 1943 © Archiv Jürgen Schebera.de

Der Titel Drei „Unangepaßte“ galt auch dem Sohn und Maler Georg Eisler (1928–1998) sowie Erwin Ratz (1898–1973), Schönberg-Schüler wie Hanns Eisler und Formenlehre-Professor an der mdw. Beiden waren Ausstellungen gewidmet, im Rahmen des Eisler-Konzertes der „Kontrapunkte“ wurde der Georg-und-Alice-Eisler-Preis für Komponist_innen ins Leben gerufen und das 1. Frauen-Kammerorchester von Österreich sowie Winnie Böwe (Gesang) und Christoph Keller (Klavier) führten im Fanny Hensel-Saal der mdw Werke von Hanns Eisler, Gustav Mahler, Karl Heinz Füssl und Wilhelm Zobl auf. Zentrale Veranstaltung war das Symposium, das, von Rektorin Ulrike Sych eingeleitet und von der Stadträtin für Kultur und Wissenschaft, Veronika Kaup-Hasler, eröffnet, das Wissen um Leben und Wirken der drei „Unangepaßten“ durch zahlreiche neue Erkenntnisse bereicherte.

Stefan Schmidl konnte zahlreiche Gesichtspunkte zu Eislers Musik für Wiener Filmproduktionen der 1950er-Jahre beisteuern, Hannes Heher brachte durch die Auswertung des weitgehend unbekannten Wiener Archivs der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik (IGNM) sowohl Eislers dortige (kurze) Präsenz als auch die jahrelangen Aktivitäten von Erwin Ratz ans Tageslicht. Philipp Maurer, ehrenamtlicher Direktor des Bezirksmuseums Wieden, verwertete sein „Wiedner Wissen“ äußerst nutzbringend für das Thema Das Neue Theater in der Scala und Hanns Eisler, Hartmut Krones entnahm dem Briefwechsel zwischen Lou Eisler und Hilde Glück eine Reihe von unbekannten Daten, aber auch Ängsten und Erfolgen aus den frühen Ostberliner Jahren des Komponisten. Viola Großbach richtete spannende Blicke auf die Zusammenarbeit von Eisler mit Bertolt Brecht im Zuge der Bilder aus der Kriegsfibel. Schließlich dokumentierte Peter Konopatsch die ungemein intensive musikalische Zusammenarbeit von Eisler und Ratz im Spiegel der Partituren.

Erwin Ratz, 1920 © Arnold Schoenberg Center Wien

Das bildnerische Schaffen des Malers Georg Eisler wurde von Alice Hundsdorfer-Zhou vorgestellt, die insbesondere die Themenkreise Angst, Krieg und Armut hervorhob, Marjana Uhde referierte über Eislers Arbeitstagebücher und ließ ein genaues Bild seines Schaffens und seiner internationalen Begegnungen entstehen. Hartmut Krones führte Gespräche mit drei Weggefährten des Malers: mit Franz Hofbauer, der ihn seit Kindestagen kannte und zahlreiche Bilder des Künstlers besitzt, mit Manfred Wagner, der gemeinsam mit Eisler Ausstellungen kuratierte, bei seinem Vorhaben, ihn zum Professor für Kunsterziehung zu berufen, aber scheiterte, sowie mit Philipp Maurer, der mit Eisler 1992 intensiv im Zuge einer Ausstellung in der kleinen galerie in Wien zusammenarbeitete. Erwin Ratz wurde zunächst von Antonia Teibler vorgestellt, die seit vielen Jahren seinen Nachlass aufarbeitet und zahlreiche neue Funde zu seiner Biografie und seinem Wirken vorlegen konnte. Severin Matiasovits, Leiter des mdw-Archivs, sprach danach über Erwin Ratz und die Akademie bzw. Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Wien und erwähnte auch den „Gegenwind“, den der Schönberg-Schüler erfuhr.

Renate Stark-Voit hob seine Verdienste für die von ihm ins Leben gerufene Internationale Gustav Mahler Gesellschaft sowie die Mahler-Gesamtausgabe hervor. Hartmut Krones referierte über Ratz im Schönberg-Kreis. Der Briefverkehr mit dem Lehrer währte bis knapp vor dessen Tod, weitere wichtige Briefpartner waren Egon Wellesz, Josef Trauneck, Hilda Steuermann, Rudolf Kolisch und Max Deutsch. Ein von Christian Glanz, Lehrender am Institut für Musikwissenschaft und Interpretationsforschung sowie Leiter des Wissenschaftszentrums Gustav Mahler und die Wiener Moderne, moderierter Round Table bildete den Abschluss des Symposiums. Eingespielt bzw. vorgelesen wurden Aussagen von Zubin Mehta, Alfred Brendel, Gösta Neuwirth, HK Gruber und Klaus-Peter Sattler, direkt vor Ort berichteten Friedrich C. Heller, René Staar sowie Johannes Kretz (Großneffe von Ratz) und ließen die Persönlichkeit des „Unangepaßten“ in all seiner Liebenswürdigkeit – und auch unerbittlichen Hochhaltung seiner musikalischen und humanistischen Werte – lebendig werden.

Comments are closed.