Carola Bebermeier, Melanie Unseld (Hg.): „La cosa è scabrosa“. Das Ereignis „Figaro“ und die Wiener Opernpraxis der Mozart-Zeit. Wien u. a., 2018 (Musik – Kultur – Gender, hg. von Dorle Dracklé, Dagmar von Hoff, Nina Noeske und Susanne Rode-Breymann, Bd. 16)

La cosa e scabrosa
©Böhlau Verlag

Theateraufführungen sind immer ein „Ereignis“ – auf, hinter und vor der Bühne. Denn selbst in der klassischen Bühnensituation, mit imaginärer vierter Wand, braucht Theater als performativer Akt das Publikum. Vor allem die Komödie kalkuliert Reaktionen aus dem Saal durch ihre Komik mit ein, die die Darsteller_innen in jeder Aufführung immer neu ausbalancieren müssen. Die performative Ebene ist also ein fragiles Moment und eine Premiere oft noch nicht die beste Aufführung. Demgegenüber werden Uraufführungsrezensionen, auch in der historischen Rückschau, als verbindliches Werteurteil von Kritik und Publikum herangezogen. Um das Phänomen Musiktheater zu fassen, scheint es also zwingend, dem Aspekt der Kontingenz einer Aufführung und der Vielzahl der daran Beteiligten gerecht zu werden.

Der hier besprochene Band zu W. A. Mozarts Le nozze di Figaro versucht, das „Ereignis Figaro 1786“, wie es die Herausgeberinnen Carola Bebermeier und Melanie Unseld nennen, von verschiedenen Seiten musikkulturellen Handelns in den Blick zu nehmen sowie Werk und Aufführung in einem weiter gefassten Kontext der Opernpraxis in Wien zu beleuchten. Die Beiträge gehen dabei auf Vorträge eines Symposiums zurück, das die Universität Oldenburg in Kooperation mit dem Oldenburgischen Staatstheater veranstaltet hatte.

Nach einem kompakten Überblick zum Konzept des kulturellen Handelns wird dies in den Beiträgen der vor allem aus den Bereichen Musik- und Theaterwissenschaft kommenden Autor_innen aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet: Artikel zum „Kommunikationsraum Theater“, also dem Verhältnis von Publikum zur Bühne, über das Rezeptionsverhalten des Figaro-Publikums, zur Bedeutung von Sängerdarsteller_innen für Komposition, Aufführung und Wechselwirkung mit dem Publikum sowie zu den Theatergepflogenheiten und Diskursen der Zeit. Interessant ist, auch aus theaterpraktischer Sicht, wie der Oper im Laufe ihrer Rezeptionsgeschichte zunehmend sozialkritische Tendenzen zugeschrieben wurden. Besonders beleuchtet werden auch Fragen nach intertextuellen Bezügen, die in der Gattung der Opera buffa, welche sich nicht auf oberflächlichen Witz verlässt, sondern auch subversive Komik mit einschließt, eine wichtige Funktion haben.

Die Vielfalt der Wechselwirkungen zwischen Werk und Aufführung zu erörtern, wurzelt in einem antihierarchischen Denken, das den Blick auf die unterschiedlichen Akteur_innen richtet und darüber hinaus ermöglicht, die Aspekte und Einflüsse auf die Entstehung von musiktheatralen Werken sowie deren Produktionsprozesse in einem weiteren Kontext begreifbarer zu machen.

Die durchgängig fundierten und facettenreichen Beiträge vermitteln überzeugend, dass man einem „Ereignis“ wie „Figaro 1786“ gar nicht anders auf die Spur kommen kann. Diesem Band sind darum viele Leser_innen, gerade auch aus dem Bereich der Theaterschaffenden – auf, vor und hinter der
Bühne – zu wünschen.

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