Ringvorlesung der mdw Gender Studies

Wie finden gegenwärtige globale Herausforderungen in den Künsten Form? Und wie provozieren umgekehrt performative Praktiken potenziell Veränderung? Die diesjährige mdw-Gender-Ringvorlesung Performing Challenges am Institut für Kulturmanagement und Gender Studies (IKM), organisiert von Evelyn Annuß, Silke Felber und Julia Ostwald, setzte sich mit den Beziehungen zwischen performativen Künsten und interdependenten sozio-politischen und ökologischen Challenges auseinander: im Wortsinn von Challenge als Herausforderung, aber auch als Aufforderung, Provokation oder „Auf-sich-Nehmen“. Die Veranstaltung versammelte theoretische, künstlerische und aktivistische Zugänge, die sich anhand unterschiedlicher Beispiele aus den Bereichen Musik, Theater/Performance, Tanz, Film und Aktivismus der Auseinandersetzung mit verschränkten Ungleichheiten und dem Verhältnis von queer-feministischen, migrantischen und ökologisch-planetarischen Perspektiven im Kontext gegenwärtiger Globalisierungsentwicklungen widmeten.

Den Auftakt machte ein Vortrag von Sima Ehrentraut, der sich u. a. anhand von Seek Bromance (Samira Elagoz, 2021) mit der Rolle visueller Austauschprozesse in Trans-for-trans*-Dynamiken befasste. Fragen von Trans*Identität standen auch im Zentrum von Gin Müllers Besprechung der Performance Identity Cases – Identitäts-Prozesse, die den Streit um Identitätspolitiken in spezifische mediale Gerichts-Settings übersetzt. Müller gab nicht nur interessante Einblicke in seine eigene dramaturgische Arbeit, sondern stellte auch den ihr zugrundeliegenden Konflikt über fluide und festgeschriebene (Trans/Gender/Race-)Identitäten zur Debatte. Im Arthouse Kino wurde abschließend der vielfach prämierte Film Sonne (Kurdwin Ayub, 2022) gezeigt – gefolgt von einem Gespräch mit den Schauspielerinnen Law Wallner und Maya Wopienka sowie mit Sonja Hilberger, Professorin für Rollengestaltung am Max Reinhardt Seminar, moderiert wurde die Diskussion von Djamila Grandits.

Der zweite Tag der Ringvorlesung startete mit einem Schwerpunkt zu Genderspezifika im Musiktheater(-Betrieb). Melanie Unseld, Professorin für Historische Musikwissenschaft am Institut für Musikwissenschaft und Interpretationsforschung der mdw, ging anhand der international gefeierten Produktion humanistää! eine abschaffung der sparten (Volkstheater Wien) den Spuren zwiefacher Kreativität und Paar-Biografik auf der Bühne nach. Dem Vortrag folgte ein ebenso aufschlussreiches wie unterhaltsames Gespräch zum Proben- und Entstehungsprozess dieser Arbeit mit Dirigentin Jera H. Petriček. Anschließend daran zeigte Theater- und Musikwissenschaftlerin Anke Charton am Beispiel von Aida, inwiefern gewachsene Narrative im Hinblick auf Gender und Race/Ethnicity im aktuellen Musiktheaterbereich zur Geltung gelangen, und fragte danach, ob bzw. wie sogenanntes Kernrepertoire (noch) spielbar ist.

Der Nachmittag des zweiten Tages rückte ökologische Fragestellungen in den Mittelpunkt, die nicht nur die Geschlechter- und Diversitätsforschung aktuell intensiv beschäftigen. Auch die darstellenden Künste arbeiten sich vermehrt an Facetten und Ausformungen des „Plantagenozäns“ (Haraway/Lowenhaupt Tsing) ab, wie Chris Standfest und Sean Pfeiffer eindrücklich im Rückgriff auf Arbeiten von Claudia Bosse, Barbara Frischmuth und Lisa Hinterreithner zeigten. Im Anschluss an diesen Beitrag sprach Klimaaktivistin Martha Krumpeck (Letzte Generation Österreich) mit der Theater- und Kulturwissenschafterin Silke Felber darüber, inwiefern queer-feministische Ziele mit klimagerechten Utopien zusammenhängen. Den Abschluss der Veranstaltung bildete ein Vortrag der Literaturwissenschafterin Isabel Kranz, die sich der Medialität des Floralen anhand von Beispielen aus Literatur, Kunst, ästhetischer Theorie und botanischer Wissenschaftsgeschichte näherte und dabei demonstrierte, dass Blumen allzu einfache (Gender-)Oppositionen auf verblüffende Weise infrage stellen.

Wie relevant das Arbeitsfeld kulturwissenschaftlich orientierter Gender Studies ist, zeigte nicht zuletzt der enorme Publikumszuspruch, den die Ringvorlesung verzeichnete und der die Organisatorinnen darin bekräftigt, eine fortführende Veranstaltung in naher Zukunft anzuvisieren.

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