Diversität der Künstlerischen Forschung

Von 7. bis 9. April 2021 veranstaltete die mdw in Kooperation mit der Akademie der bildenden Künste Wien und der Universität für angewandte Kunst Wien die 12. Internationale Konferenz über Artistic Research der Society for Artistic Research (SAR) als Live-Online-Event.

Johannes Kretz © Stephan Polzer

Über einen eigens entwickelten Web-Campus waren 525 Teilnehmer_innen aus aller Welt bei der Konferenz dabei, um in drei Keynotes sowie über 40 Beiträgen – orientiert an den drei thematischen Schwerpunkten care, dare und share – aktuelle Tendenzen der Künstlerischen Forschung aus aller Welt zu verfolgen und in drei höchst intensiven Tagen diese ausgiebig zu diskutieren und zu reflektieren. Ausführlicher als in den meisten Konferenzformaten wurde dabei die Möglichkeit zur Diskussion gegeben; bei jedem Beitrag stand für Präsentation und Diskussion in etwa gleich viel Zeit zur Verfügung.

Da die jährlich stattfindende SAR-Konferenz diesmal komplett digital durchgeführt werden musste, bot sich die besondere Gelegenheit und Chance, die Teilnahme global zu ermöglichen und so neue geografische Regionen einzubeziehen, die bei einem normalen Konferenzformat möglicherweise durch mangelnde Ressourcen wie Reisebudgets benachteiligt gewesen wären.

© Stephan Polzer

Diese regionale Diversität sowohl in Bezug auf die Konferenzbeiträge als auch die Teilnehmenden bewirkte, dass eines der Ziele des Konferenzkomitees – eine Ausweitung des geografischen und inhaltlichen Fokus – besonders intensiv umgesetzt werden konnte. Dieses Anliegen fand sich auch in den Keynotes wieder, die hier exemplarisch Stellung bezogen:

Emma Cocker (Associate Professor, Fine Art, Nottingham Trent University) legte dar, wie Künstlerische Forschung zu einer Haltung der Offenheit einladen bzw. ermutigen kann, und zwar nicht nur im Forschungsprozess selbst oder im Teilen von Prozessen und Ergebnissen, sondern auch gegenüber anderen und der Welt, gegenüber der Praxis des Lebens. Der Aspekt der Kollaboration und einer geteilten Exploration sowie die Rückkehr zur Community spielen dabei eine große Rolle.

Liza Lim (Professorin für Komposition, Sculthorpe Chair of Australian Music, Sydney Conservatorium of Music) betonte in ihrer Keynote die Untrennbarkeit von Ontologie, Epistemologie und Forschungsethik und exemplifizierte dies anhand einer ökosensitiven Analyse ihrer eigenen Komposition Sex Magic für Kontrabassflöte, Elektronik und kinetische Perkussionsinstallation. Sie stellte dabei epistemologische Herausforderungen rund um ökologische Konzepte von Souveränität vor. Ausgehend davon, dass in indigenen Kulturen oft Kunst als Wissensform, als Gesetz beziehungsweise als Sammlung einer ökologischen Enzyklopädie fungiert, beschäftigte sie sich mit künstlerischen Modalitäten des Wissens.

In der Keynote von Jyoti Mistry (Professorin für Film an der Universität Göteborg) wurden dann epistemologische Fragen der Künstlerischen Forschung und ihre gesellschaftspolitische Einbindung explizit gemacht, insbesondere, wenn man Künstlerische Forschung aus der Perspektive kolonialer Geschichte des globalen Südens aus betrachtet. Können dekoloniale Theorien eine Revitalisierung von Artistic Research anbieten, indem man Epistemologien einbezieht, die in der westlichen Kunstpraxis ignoriert oder unterdrückt wurden? Mistry präsentierte Strategien des epistemischen Ungehorsams sowie entinstitutionalisierte künstlerische Formen und Experimente als Filmemacherin und Forscherin, in welchen sie Geschichte und Geschichten von Marginalisierten oder Unterdrückten sichtbar macht. Ihre Arbeit der Rekontextualisierung von Material aus historischen Filmarchiven ist dabei einer der Schachzüge einer dekolonialen Strategie, eine politische Praxis-Poiesis, um gewisse Bilder und Positionen wiederzuerlangen, die sonst nicht sichtbar wären.

© Stephan Polzer

Es würde den Rahmen dieses Artikels sprengen, die Vielfalt der Konferenzbeiträge auch nur annähernd zu skizzieren, welche die 12. SAR-Konferenz zu einem umfassenden Panoptikum der aktuellen Künstlerischen Forschung werden ließen. Die Erfordernisse einer digitalen Konferenz spornten die Beitragenden an, hier jeweils originelle Lösungen der Präsentation ihrer Forschung zu entwickeln. Die Diversität der Inhalte und Präsentationsformen, die hier geboten wurden, hinterließ bei den Teilnehmenden starken Eindruck und eine Fülle von Anregungen. Eine Zusammenfassung wird demnächst durch eine Sammelausstellung im Rahmen des Research Catalogue auch digital veröffentlicht werden.

Die Herausforderung, die SAR-Konferenz diesmal komplett digital durchführen zu müssen, führte zu einem neuen Format, das zwar das physische Zusammentreffen an einem Ort vermissen ließ und dieses in seiner Wichtigkeit deutlich bewusst machte, aber zugleich interessante Möglichkeiten des digitalen und globalen Austauschs auf dem Gebiet der Künstlerischen Forschung aufzeigte, die möglicherweise auch wertvolle Impulse für zukünftige Vernetzung und Zusammenarbeit geben werden. Auch die intensive Zusammenarbeit der veranstaltenden Institutionen im Rahmen des Konferenzkomitees hat zur Stärkung der Künstlerischen Forschung am Standort Wien einen wichtigen Beitrag geleistet und wird in der Folge zu weiteren Kooperationen führen.

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