Stimmung ist das Thema der diesjährigen Ausgabe des Festivals Wien Modern, das vom 29. Oktober bis 29. November über die Bühne gehen wird. Wie bereits in den vergangenen Jahren finden einige Veranstaltungen in Kooperation mit der mdw statt.
Peter Jakober © Franz Reiterer

Im Projekt Seitenraum des Komponisten Peter Jakober wird das Publikum eingeladen, den Klang für sich zu erkunden. 18 Musiker_innen der mdw unter der Leitung von Jaime Wolfson, Lehrender am Joseph Haydn Institut für Kammermusik und Neue Musik, erfüllen am 4. November die Räumlichkeiten des Palais Mollard mit Jakobers Streicherkomposition. In drei miteinander verbundenen Räumen des Palais sind die Musiker_innen unterschiedlich positioniert und alle spielen nach unterschiedlich schnellen Clicktracks. Durch die klangliche Umsetzung der diversen Tempi werden verschiedene Stimmungen in den Räumen erzeugt. Indem das Publikum sowohl zwischen den Räumen und Musiker_innen umherwandert als auch auf Sitzgelegenheiten verweilen kann, kommt es zu höchst individuellen Klangrezeptionen. „Die Zuhörer_innen erstellen dadurch ihre eigene Komposition“, sagt Peter Jakober. Für Jakober ist die Beschäftigung mit dem Raum ein bedeutendes Thema in seiner Arbeit. Durch das Bewegen in Räumen entstehen Möglichkeiten, Klänge aus der Nähe und Ferne zu hören und einen individuellen Fokus auf Klänge zu richten. Jakober spielt mit diversen klanglichen Umsetzungen, um die zentralen Elemente der Komposition von Nähe und Ferne sowie den Zusammenklang und das Nebeneinander von Klangprozessen erfahrbar zu machen. „Es entstehen sowohl klangliche Kommunikation als auch Gegenbewegung zwischen den Räumen und somit kommt es zu faszinierenden Klangzuständen, in denen sich das Publikum frei bewegt“, erläutert Peter Jakober.

Ein weiteres wirkungsvolles Klangerlebnis erwartet die Besucher_innen am 14. November an der mdw. Das Webern Ensemble der mdw unter der Leitung von Jean-Bernard Matter, Professor für Neue Musik am Joseph Haydn Institut, widmet sich Kompositionen von drei Vertreter_innen der Musique spektrale (Spektralmusik). Der Musikstil entstand in Frankreich in den 1970er-Jahren.

Kaija Saariaho © Andrew Campbell

Das Werk Nymphéa in der Fassung für Streichquartett und Elektronik der finnischen Komponistin Kaija Saariaho bildet den Auftakt des Konzerts. „Saariaho arbeitet gerne mit Gegensätzen, mit einer Mischung aus Geräuschen und lyrischer, wohlklingender Musik und Elektronik. In ihrer Musik findet sich eine gewisse Ruhe mit viel Poesie“, sagt Jean-Bernard Matter. Das Stück des bekannten österreichischen Spektralisten Georg Friedrich Haas Wer, wenn ich schriee, hörte mich … für Schlagzeug und Ensemble ist der zweite Programmpunkt. Eine der Herausforderungen für die Schlagzeugerin besteht darin, ihr Schlagzeug selbst aus allen möglichen Teilen, wie Metallstücken, der Feder eines Autos und Ähnlichem, zu bauen.

Georg Friedrich Haas © nafezrerhuf

„Ein wesentlicher Aspekt der Neuen Musik ist, dass vieles den Musiker_innen überlassen wird und sie improvisieren müssen. Andererseits sind manche Teile der Kompositionen sehr exakt“, erklärt Jean-Bernard Matter. Das Werk schrieb Haas 1999 während eines Kroatienaufenthalts, als er am Himmel die Kampfjets ins Kriegsgeschehen fliegen hörte. „Es ist ein emotionales, rätselhaftes Stück mit vielen verschiedenen Elementen und Offenheit am Ende“, sagt Matter. Als Abschluss des Konzerts wird Bhakti des britischen Komponisten Jonathan Harvey für 15 Musiker_innen und Vierkanal-Tonband aufgeführt. „Es ist ein Kultstück, ein Meisterwerk von ihm. Das Spiel der Musiker_innen und die Live-Elektronik ergeben ein introvertiertes, berührendes Stück“, so Matter. Die Auswahl der Komponist_innen und die Abwechslung in Format und Besetzung bieten den Zuhörer_innen einen anspruchsvollen Abend mit zum Teil selten in Österreich aufgeführten Werken.

Das Arditti Quartet ist regelmäßig Gast bei Wien Modern und diesmal auch an der mdw. Geiger Irvine Arditti gründete 1974 das weltweit bekannte Quartett, das sich ein beachtliches Renommee in der Interpretation von Kompositionen des 20. und 21. Jahrhunderts erarbeitet hat.

Arditti Quartet © Astrid Karger

Das Können und die Erfahrung des Arditti Quartet sind am 2. und 3. November an der mdw in öffentlichen Meisterkursen für Streichquartette und einem Abschlusskonzert zu erleben. Als zusätzliches Angebot für Kompositionsstudierende können diese in einem universitätsinternen Call ihre Stücke einreichen und erhalten vom Arditti Quartet Feedback. In ihrer Arbeit sucht das Quartett häufig den engen Austausch mit Komponist_innen, da dies für das Quartett wesentlich für die Interpretation moderner Musik ist.

Edu Haubensak © Ayse Yavas

Unter der Mitwirkung von mdw-Studierenden erwartet das Publikum am 31. Oktober der umfangreiche Klavierzyklus Zehn Kompositionen für Klavier solo in zehn verschiedenen Stimmungen von Edu Haubensak im Wiener Konzerthaus. Haubensak ist ein in Helsinki geborener und heute in Zürich lebender Komponist, der in seiner Arbeit die Möglichkeiten der Skodatur (Verstimmung) erforscht. Seine ersten Werke für Klavier solo mit veränderten Tonsystemen gipfelten im mehrstündigen Klavierzyklus Grosse Stimmung I−X. „Anfänglich noch zögerlich und ohne Ahnung einen größeren Zyklus zu schreiben, kam ich in einen immer stärker werdenden Sog von ungeahnten Möglichkeiten, veränderte Stimmungen am Klavier zu erforschen. Die Varianten sind beinahe unerschöpflich, da wir 241 Saiten vorfinden, die alle verändert stimmbar sind“, so Edu Haubensak.

Stimmung als zentrales Thema bietet den Wien Modern-Besucher_innen Spielraum für eigene Deutungen des Begriffs und verspricht ein spannendes Programm, an dem die mdw durch ihre Lehrenden und Studierenden stimmig und maßgeblich mitwirkt. Details zu den Veranstaltungen finden Sie unter wienmodern.at.

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