Drittmittelforschung am Institut für Musikwissenschaft und Interpretationsforschung

Wer sich derzeit in den Räumen des Instituts für Musikwissenschaft und Interpretationsforschung (IMI) fragt, wo welches Forschungsprojekt arbeitet, kann schon einmal durcheinanderkommen: Zehn Drittmittelprojekte sind zurzeit am IMI verankert, nicht eingerechnet jene Forschungsprojekte, die ohnehin von den Mitarbeiter_innen des IMI bearbeitet werden. Die laufenden Projekte reichen von großangelegten Editionsvorhaben, über die Bearbeitung musikhistorischer und -ästhetischer Fragestellungen in unterschiedlichen Epochen und Gattungen, gender- und kulturwissenschaftliche Forschung mit Blick auf musikkulturelle Transferbewegungen, musikphilosophische Grundlagenforschung über musikalische Schrift bis hin zu Fragen der musikalischen Erinnerungskulturen und zur Zeitgeschichte in der Welt des Medialen. So unterschiedlich die Forschungsthemen, so unterschiedlich sind auch die theoretischen und methodischen Herangehensweisen einer neuen, international vernetzten Generation von Musikwissenschaftler_innen, die zu einer lebendigen Forschungslandschaft am IMI beitragen.

Forschungsstandort im nationalen und internationalen Kontext

Die Voraussetzungen und Formate, in denen die Projektmitarbeiter_innen arbeiten, sind ebenso heterogen wie die jeweiligen Forschungskontexte: von großen, mehrstufigen FWF-Projekten über gezielte Nachwuchswissenschaftler_innen-Programme, über die Förderung durch das Hochschulraumstrukturmittel-Programm bis hin zu verschiedenen Drittmittelgeber_innen, die einzelne Projekt-Phasen unterstützten, oder interner Forschungsförderung. Auf diese Weise variieren zeitliche Dimensionen und finanzielle Ressourcen sowie die ausgeschöpften Möglichkeiten der Drittmittelbeantragung: Antragsteller_innen der bewilligten Projekte waren sowohl Professor_innen des IMI als auch die Projektleitungen selbst, und auch Doktorand_innen sind unter den erfolgreichen Antragsteller_innen. Dabei etablierte sich das Institut in der nationalen wie internationalen Universitätslandschaft mittlerweile als ein Forschungsstandort, der wesentlich von der inhaltlichen und methodischen Vielfalt seiner Forschungsansätze sowie der unmittelbaren Nähe zu den Künsten profitiert und auf diese Weise einen spannenden Diskussionszusammenhang entwickeln konnte.

Die Vielfalt der Projekte, Methoden und Forschungsfinanzierung bietet eine Fülle an Möglichkeiten, über Wege (und Mittel) der Drittmittelforschung nachzudenken. Sie ist aber auch Anlass, den Stellenwert der Drittmittelforschung an der mdw zu reflektieren und die Bedingungen für die Forschenden genauer in den Blick zu nehmen.

Forschungsbedingungen: Austausch im Team und internationale Vernetzung

Neben den Qualifikationsstellen am Institut sind es insbesondere die Drittmittelprojekte, in denen Early Stage Researchers der Prae- und Post-Doc-Phase gute Möglichkeiten haben, in das universitäre Institutsleben eingebunden zu sein und gleichzeitig eigenverantwortlich an ihrer Forschung zu arbeiten. Cornelia Szabó-Knotik, Studiendekanin für wissenschaftliche Studien an der mdw und Projektleiterin, betont dies aus ihrer langjährigen Erfahrung: „Die Mitarbeit in einem Forschungsteam ist für Early Stage Researchers ein spezieller Startvorteil. Auch, weil sie in der Regel besser im jeweiligen Institut angebunden sind und sowohl mit den Projektleiter_innen als vor allem auch mit Post-Docs in fachlichen Austausch gebracht werden.“ Profitieren können Early Stage Researchers darüber hinaus von den akademischen Netzwerken, die den Drittmittelprojekten zugrunde liegen: Ein DACH-Projekt wie Writing Music ist an vier Standorten (in Österreich, Deutschland und der Schweiz) beheimatet und zudem mit zahlreichen internationalen Kolleg_innen vernetzt. Carolin Ratzinger, Mitarbeiterin bei Writing Music: „Der sich daraus ergebende Austausch mit Wissenschaftler_innen und Doktorand_innen unterschiedlicher (Teil-)Disziplinen und Institutionen stellt eine enorme fachliche und persönliche Bereicherung dar und wirkt sich sehr motivierend auf das eigene Forschen aus.“ Insbesondere den Aspekt der Information und Motivation, die die Arbeit in Forschungsteams bietet, hebt auch Constanze Köhn, Mitarbeiterin im Projekt Transferprozesse in der Musikkultur Wiens, 1755–1780, hervor: „Die Arbeit in einer Forschungsgruppe ermöglicht einen intensiven inhaltlichen Austausch mit Wissenschaftler_innen, die zu einem ähnlichen Themenfeld forschen und von deren Wissen und Erfahrungen man gerade als Nachwuchswissenschaftler_in profitieren kann.“

Welche Karrierewege werden auf diese Weise gefördert?

Drittmittelgeber reagieren zum Teil unmittelbar auf die Bedingungen der verschiedenen Karrierestadien. So fördert der FWF etwa gezielt Post-Doc-Karrieren von Frauen, gestaffelt nach früher und später Phase. Andrea Horz hat eines der begehrten Elise-Richter-Projekte eingeworben und wird auf diese Weise in der Senior-Pos-Doc-Phase ihrer Habilitation mit ihrem Forschungsprojekt zu Opern als musikanalytischer Gegenstand (ca. 1750 bis 1861) gefördert: „Das Forschungsprojekt ermöglicht mir“, so Horz, „meine Habilitationsarbeit anzufertigen, daher ist es sicherlich ein sehr wichtiger Baustein für meine weitere akademische Karriere.“ Für Prae-Doc-Mitarbeiter_innen steht das PhD-Studium im Vordergrund. Die Einbindung in Forschungsprojekte hält angesichts des dichten Curriculums daher besondere Herausforderungen bereit, aber auch hier überwiegen die Vorteile, wie Constanze Köhn betont: „Die Mitarbeit in einem Forschungsprojekt während der Promotion bietet meiner Ansicht nach eine Reihe von Vorteilen, die sowohl der Arbeit an der Dissertation als auch der allgemeinen beruflichen Qualifizierung zugutekommen können: In einem Projekt ist man in einen größeren Forschungszusammenhang eingebunden, der durch den inhaltlichen Austausch mit anderen Wissenschaftler_innen wertvolle Impulse für die eigene Arbeit geben kann; die institutionelle Anbindung erlaubt zudem Einblicke in organisatorische Abläufe des universitären Arbeitsalltags.“

Besonders schwierig gestalten sich für Early Stage Researchers oft die Phasen des Übergangs. Die Endphase der Promotion und der Übergang zur Post-Doc-Phase gilt als akademisch besonders schwieriges Nadelöhr. Akiko Yamada hat sich daher dazu entschlossen, bereits während der Promotion ein neues, eigenes Forschungsprojekt – Mademoiselle Mozart – zu entwickeln, das nun sowohl durch die Plattform Gender_mdw als auch durch die Mariann Steegmann Foundation gefördert wird. Julia Ackermann, die zuvor im Forschungsprojekt Transferprozesse in der Musikkultur Wiens tätig war und inzwischen im Projekt Erinnerungsort Ludwig van Beethoven: Theater an der Wien arbeitet, resümiert: „Oft folgt auf eine Promotion erstmal eine Phase der beruflichen Neuorientierung, des Anträge Schreibens oder gar der Arbeitslosigkeit. Deshalb freue ich mich, dass sich bei mir direkt im Anschluss dieses Projekt ergeben hat, bei dem ich neben meiner wissenschaftlichen Expertise auch Erfahrungen aus meiner Berufstätigkeit vor der Promotion einbringen kann. Die Teilzeitbeschäftigung im Projekt bietet mir außerdem die Möglichkeit, nebenbei auch andere Projekte zu verfolgen, wie z. B. Artikel publizieren, Nachdenken über ein mögliches Thema für weitere Forschungsanträge, Überarbeiten der Dissertation für die Druckfassung usw.“

Wie lässt sich aktuelle Forschung mit der Lehre an der mdw verbinden?

Forschungsgeleitete Lehre ist ein derzeit viel verwendeter Begriff. Oft genug bleibt er hinter der Realität des Alltags und seinen curricularen Zwängen zurück. Auch hier geben Forschungsprojekte unmittelbare Impulse, sich „risikofreudig“ zu exponieren, wie Juri Giannini, Lecturer am IMI, der zusammen mit Carolin Ratzinger und Elena Minetti im Sommersemester ein Seminar über Notationskunde leitet, betont: „Im Austausch mit Künstler_innen, für die ja teilweise ganz andere Ziele im Vordergrund stehen, wollen wir mit forschungsgeleiteter Lehre experimentieren, auch in Richtung Artistic Research, vor allem aber interdisziplinär und im interinstitutionellen Austausch.“ Wie so etwas konkret aussehen kann, erprobt auch das Projekt Erinnerungsort Ludwig van Beethoven: Theater an der Wien: Zusammen mit PhD-Studierenden werden neue Quellen zum Wiener Theaterleben des frühen 19. Jahrhunderts erforscht, die jenes Theater als Erinnerungsort thematisieren, in dem Beethoven seine Oper Fidelio scheitern sah. Die Studierenden werden dabei eine Ausstellung in den Räumen des Theaters vorbereiten, die anlässlich des Beethoven-Jubiläums 2020 zu sehen sein wird.

Kooperationen: von lokal bis international

Kooperationen sind maßgeblich, um Forschungsprojekte erfolgreich durchzuführen. Alle der am IMI derzeit durchgeführten Projekte sind daher im engeren oder weiteren Sinne Kooperationen eingegangen: disziplinäre und interdisziplinäre, regionale, nationale oder internationale, akademische oder außerakademische, künstlerische sowie andere Kooperationen. Unter den Kooperationspartnern sind die ÖNB, die Österreichische Mediathek, das Phonogrammarchiv der österreichischen Akademie der Wissenschaften, das Arnold Schönberg Center Wien sowie internationale Universitäten und Forschungsstellen, Kulturinstitutionen wie das Theater an der Wien und Wiener Schulen. Dabei spielt auch eine Rolle, dass über außeruniversitäre Kooperationen aktuelle Forschung für einen breiteren Kreis an Interessierten sichtbar gemacht werden kann, wie Julia Ackermann aus dem Projekt Erinnerungsort Ludwig van Beethoven: Theater an der Wien festhält: „In Absprache mit der Kultureinrichtung und in Anknüpfung an deren laufende Projekte entwickeln wir verschiedene Formate zur Präsentation der Forschungsergebnisse und erreichen so ein breites Publikum.“

Damit Forschungsprojekte erfolgreich durchgeführt werden können, bedarf es der Bereitstellung der notwendigen Strukturen durch die mdw. Therese Kaufmann hebt in diesem Zusammenhang die Relevanz der Förderung einer jungen Wissenschaftsgeneration hervor: „In den letzten Jahren wurden eine Reihe von Projekten initiiert und Maßnahmen umgesetzt, um die wissenschaftliche Forschung an der mdw zu stärken. Wir haben den Eindruck, dass eine gewisse Dynamisierung stattgefunden hat, von der insbesondere auch der sogenannte ‚wissenschaftliche Nachwuchs‘ profitiert. Dies ist besonders wichtig, da gerade jene, die heute am Beginn ihrer wissenschaftlichen Karriere stehen, das zukünftige Profil der mdw im Bereich der Forschung prägen werden.“



Forschungsprojekte am IMI

Heinrich Schenker, Tagebücher 1915–1919: kommentierte Edition
Projektleitung: Marko Deisinger; Laufzeit: 2019–2022; Finanzierung: FWF
Details zum Projekt

Musical Crossroads. Transatlantic Cultural Exchange 1800–1950
Projektleitung: Melanie Unseld; Mitarbeiter_innen: Carola Bebermeier, Clemens Kreutzfeldt; Laufzeit: 2019–2021; Finanzierung: FWF
Details zum Projekt

Ludwig Senfl: New Edition of the Collected Works (New Senfl Edition) II
Motets for 6-8vv, Canons, Magnificat Settings, Mass Ordinaries
Projektleitung: Stefan Gasch; Mitarbeiter_innen: Scott L. Edwards, Sonja Tröster; Laufzeit: 2018–2021; Finanzierung: FWF
Details zum Projekt

Erinnerungsort Ludwig van Beethoven: Theater an der Wien
Projektleitung: Melanie Unseld; Mitarbeiterin: Julia Ackermann; Laufzeit: 2018–2020; Finanzierung: Stadt Wien/MA 7
Details zum Projekt

„Mademoiselle Mozart“ – Manga-Kultur – Biografie – Gender
Projektleitung: Melanie Unseld; Mitarbeiterin: Akiko Yamada; Laufzeit: 2017–2021; Finanzierung: Plattform Gender_mdw, Mariann Steegmann Foundation, IMI
Details zum Projekt

Opern als musikanalytischer Gegenstand (ca. 1750 bis 1861)
Projektleitung: Andrea Horz; Mitarbeiterin: Anna Maria Pudziow; Laufzeit: 2018–2021; Finanzierung: FWF (Elise-Richter-Programm)
Details zum Projekt

Telling Sounds – eine digitale Forschungsplattform zur Dokumentation und Aufarbeitung österreichischer Musiken-Geschichte auf der Basis audiovisueller Zeitzeug_innendokumente
Projektleitung: Cornelia Szabó-Knotik; Mitarbeiter_innen: Matej Santi, Elias Berner, Thomas Asanger (bis 2018), Peter Provaznik, Julia Jaklin; Laufzeit: 2017–2021; Finanzierung: BMWFW, mdw
Details zum Projekt

Wie klingt Österreich? Musik als Träger des Emotions-Managements politischer Bewegungen im „Musikland Österreich“
Projektleitung: Anita Mayer-Hirzberger, Cornelia Szabó-Knotik; Mitarbeiter_innen: Chanda VanderHart (bis 2018), David Scholl; Laufzeit: 2017–2019; Finanzierung: BKA, mdw
Details zum Projekt

Writing Music. Ikonische, performative, operative und materiale Aspekte musikalischer Notation(en); Standort Wien: Operativität
Projektleitung: Nikolaus Urbanek; Mitarbeiterinnen: Elena Minetti, Carolin Ratzinger; Laufzeit: 2018–2021; Finanzierung: DACH-Projekt (FWF, SNF, DFG)
Details zum Projekt

Transferprozesse in der Musikkultur Wiens, 1755–1780: Musikalienmarkt, Bearbeitungspraxis, neues Publikum
Projektleitung: Martin Eybl; Mitarbeiter_innen: Julia Ackermann (bis 2017), Christiane Hornbachner (bis 2017), Constanze Köhn, Marko Motnik (bis 2016), Sarah Schulmeister (bis 2017); Laufzeit: 2014–2020; Finanzierung: FWF Austrian Science Fund (2014–2018), mdw
Details zum Projekt

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