Rückblick zur 12. Jahrestagung des Fachverbands Kulturmanagement an der mdw, 9. – 12. Jänner 2019

Dagmar Abfalter, Katharina Pfennigstorf, Anke Schad

Helen Marriage
Helen Marriage ©Sibylle Zwins

Kulturelle Vielfalt, „Diversity“, als Modebegriff, als gesellschaftliches Ziel, als politisch polarisierendes Konzept, begegnet uns in unterschiedlichen Kontexten. Welche Bedeutungen verbinden Kulturpolitik, Kulturbetrieb, Kulturmanager_innen damit? Wo stehen Politik, Organisationen und Akteure bei der Umsetzung von Zielsetzungen, wie sie unter anderem in der UNESCO Konvention zum Schutz und zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen aus 2005 beschrieben werden? Wie verhalten sie sich gegenüber gegenläufigen Entwicklungen wie Populismus und Nationalismus?

Die internationale Tagung des Fachverbands Kulturmanagement setzte kulturelle Vielfalt in unmittelbare Beziehung nicht nur zum Verhältnis zwischen Künsten und kulturellen Ausdrucksformen, sondern auch zu demokratiepolitischen Konzepten des bürgerlichen Engagements. Inhaltlich boten sich damit viele spannungsreiche Fragestellungen an, die die über 100 Teilnehmer_innen der Tagung in unterschiedlichen Formaten aufgriffen und diskutierten.

PhD-Kolloquium

Den Auftakt bildete das PhD-Kolloquium, bei dem sechs Teilnehmer_innen aus Österreich, Deutschland, Frankreich und der Tschechischen Republik ihre laufenden Forschungsprojekte präsentierten und dem Publikum – Professor_innen aus dem Fachverband, Leticia Labaronne und Anke Schad als Organisatorinnen der Arbeitsgruppe Nachwuchsförderung des Fachverbands sowie Interessierten – zur Diskussion stellten. Hier zeigte sich nicht nur die thematische Bandbreite des Fachs Kulturmanagement, sondern auch die Vielfalt der methodischen Ansätze und der institutionellen Anbindungen der PhD-Student_innen: Marketing und Digitalisierung, Leadership und Vermittlung, Förderung und Politik, qualitative, experimentelle, statistische und kombinierte Methoden, Psychologie, Designforschung, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, Pädagogik – Kulturmanagementforschung als Trans- und Interdisziplin ist per se vielfältig. Beim Kolloquium wurde jedoch auch der Bedarf deutlich, genuine Bezüge zum Fachdiskurs herzustellen und die Besonderheiten des Kulturmanagements in der Auseinandersetzung mit anderen Disziplinen und Ansätzen zu erforschen.

Meet the Editors

Die Organisatorinnen vom Institut für Kulturmanagement und Gender Studies (IKM) luden mit Unterstützung der Stabsstelle Forschungsförderung der mdw erstmals zu einem „Meet the Editors“ im Rahmen der Fachverbandstagung. Die Herausgeber_innen von sechs international renommierten Fachzeitschriften (International Journal of Cultural Policy, Poetics, International Journal of Arts Management, International Journal of Music Business Research, The Journal of Arts Management, Law and Society sowie Journal of Cultural Management: Arts, Economics, Policy) stellten ihre Zeitschriften vor und diskutierten moderiert von Dagmar Abfalter und Therese Kaufmann mit den Teilnehmer_innen über Publikationsprozesse, aktuelle Rahmenbedingungen und Herausforderungen für Forschende. Die Teilnehmenden erhielten so die Gelegenheit, Bedingungen des wissenschaftlichen Publikationsverfahrens und spezifische Profile der Zeitschriften aus erster Hand kennenzulernen.

Eröffnung und Key Notes

Zur offiziellen Eröffnung der Tagung spielten Schlagwerk-Studierende der mdw ein akustisch und visuell mitreißendes Stück von Vincent Vogel für acht Mistkübel und lieferten damit auch gleich einen Hinweis darauf, dass die Tagung als Green Meeting organisiert wurde, um dem Anspruch gesellschaftlich verantwortungsbewussten Handelns auch auf organisatorischer Ebene gerecht zu werden. In weiterer Folge begeisterten noch zwei weitere Künstler_innen die Tagungsgäste: Agnes Hvizdalek beeindruckte mit ihrer abstrakten Vokalmusik und Renald Deppe mit seiner Improvisation auf einem Teilstück der Klarinette.

Rektorin Ulrike Sych und Vizerektorin Gerda Müller betonten in ihren Grußworten die unverhandelbaren Werte der mdw, die ihre Umsetzung auch in der von vielen Universitätsangehörigen gemeinsam erarbeiteten Diversitätsstrategie finden.

In der ersten Keynote gab Michael Duscher, Geschäftsführer der NÖ Kulturlandeshauptstadt St. Pölten GmbH, detaillierten Einblick in die Bewerbung St. Pöltens als Europäische Kulturhauptstadt 2024. Aus einer Bürgerinitiative entstanden, steht die Einbindung der Bürger_innen in den gesamten Bewerbungsprozess weiterhin im Zentrum aller Überlegungen des Teams. Durchaus selbstkritisch hinterfragte Michael Duscher dabei, welche Teile der Bevölkerung bis dato tatsächlich in den Prozess eingebunden und mit den Aktionen erreicht werden konnten – und welche (noch) nicht.

Helen Marriage, Direktorin von Artichoke, erzählte in ihrer inspirierenden Keynote von ihrem Anspruch, Menschen mit ihren Großprojekten im öffentlichen Raum ins Staunen zu versetzen. Sie sprach von der Hartnäckigkeit, die es braucht, um diese Projekte durchzusetzen, und verriet, wie sie ihre Gegenüber in Verhandlungen dazu bringt, „Yes“ zu sagen und ihren jeweiligen Beitrag zum Gelingen der Projekte zu leisten. Ein ihr wichtiges Anliegen war der Rat an die jungen Kulturmanager_innen, Projekte selbst umzusetzen, anstatt darauf zu warten, dass andere tätig werden.

Im anschließenden von Monika Mokre von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften moderierten Gespräch diskutierte die Kulturstadträtin der Stadt Wien, Veronica Kaup-Hasler mit den beiden Vortragenden über das Zusammenspiel von Politik und Kunst, insbesondere in Hinblick auf implizite und explizite In- und Exklusionsmechanismen. Ein Fazit der Diskussion: „We need a kind of anarchy in the city!”

Paper Sessions, Workshops und Film Screening

Die Paper Sessions boten den Präsentierenden die Gelegenheit, ihre Forschung zu Fragen von kultureller Vielfalt und bürgerschaftlichem Engagement fokussiert mit einem Fachpublikum zu teilen. Die Auswahl der Beiträge basierte dabei auf einem double-blind Peer Review-Verfahren.  Aktuelle Trends wie Crowdfunding und Co-Creation im Hinblick auf die Förderung kultureller Vielfalt, Diversität und Migration als Herausforderung für Kulturinstitutionen, Vielfalt in Bezug auf spezifische Ausdrucksformen wie Musik oder Bildende Künste, gesellschaftliche Fragen im Bereich Partizipation und Stadtentwicklung,  Konzepte von Artistic Citizenship und künstlerische Praktiken, Ansprüche von Corporate Citizenship und Bedingungen der Governance und Kulturpolitik wurden anhand zahlreicher Beispiele aus dem Kulturbereich verhandelt. Auch der wissenschaftliche Kanon und Kulturmanagement-Curricula wurden in Hinblick auf Fragen der Vielfalt kritisch diskutiert. Die Workshop-Formate involvierten die Teilnehmenden aktiv und kreativ und gaben die Möglichkeit, Methoden der künstlerischen Forschung zu erproben. Ein Open Space zu Diversity und das von der Stabstelle Gleichstellung, Gender Studies und Frauenförderung co-finanzierte Filmscreening samt Diskussion mit der Regisseurin ergänzten das Programm.

Round-Table

Der Round-Table zum Thema Corporate Citizenship setzte den Fokus auf die Frage, was Unternehmer_innen und Unternehmen dazu bewegt, sich gesellschaftlich zu engagieren – in diesem Fall besonders im Bereich der Kunst. Der Moderatorin Annemarie Türk gelang es dabei hervorragend, im Gespräch mit den Gästen (Volkmar Klien, Komponist, JKU Linz; Gabriele Schor, Leiterin der Sammlung Verbund; Christian Steinmayr, Steinmayr  & Co Insurance Brokers GmbH) herauszuarbeiten, welche Motive und Eigenlogiken dabei zum Tragen kommen, wie diese an die handelnden Personen gebunden sind und welche Formen die Zusammenarbeit mit Künstler_innen annehmen kann, wenn sie auf Augenhöhe geschieht.

Study Trips  

Im Rahmen der Tagung wurde an zwei Nachmittagen die Möglichkeit geboten, in die Wiener Kulturlandschaft einzutauchen. Beim Besuch der Wiener Staatsoper führte Direktor Meyer die Teilnehmer_innen persönlich durch das Haus und nahm sich anschließend viel Zeit für den Director’s Talk.

Im WUK stellten Esther Holland-Merten und Ulli Koch die von ihnen geleitete Sparte der performing arts vor und diskutierten mit den Gästen sowie dem Geschäftsführer des WUK und einer Vertreterin des Bereichs Autonomie über die Strukturen des WUK im umfassenderen Sinne.

Nicole Marte gab als Direktorin des Zentrum für Musikvermittlung (ZMV 14) Einblick in die aus einer Bürgerinitiative entstandene private Musikschule. Diese hat es sich zur Aufgabe gemacht, eine Lücke im Bereich des Instrumentalunterrichts im 14. Wiener Gemeindebezirk zu schließen und lebt dabei weiterhin stark von ihrer lokalen Einbettung. Die internationalen Besucher_innen äußerten Pläne, ähnliche Strukturen auch in ihren jeweiligen Heimatstädten aufzubauen.

Im exil.arte Zentrum der mdw führte Gründer und Direktor Gerold Gruber nach einem kurzen Abriss über die Entstehungsgeschichte des Zentrums durch die aktuelle Ausstellung Wenn ich komponiere, bin ich wieder in Wien. Im Anschluss diskutierte er mit den Teilnehmer_innen über Möglichkeiten und Herausforderungen zur Wiederherstellung wichtiger durch das Dritte Reich verursachter Lücken in der österreichischen Musikgeschichte.

Neuwahl des Vorstands des Fachverbands Kulturmanagement

Den Abschluss der Tagung bildete die Mitgliederversammlung samt Neuwahl des Vorstands des Fachverbands Kulturmanagement. Der Verband agiert als Zusammenschluss akademisch lehrender und forschender Kulturmanager_innen im deutschsprachigen Raum (Deutschland-Österreich-Schweiz). Mit Dagmar Abfalter (mdw), Vera Allmanritter (Kulturmanagerin/Forscherin, Berlin) Leticia Labaronne (Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften), Anke Schad (mdw/Forscherin, Evaluatorin und Beraterin, Wien) sowie Nina Tessa Zahner (Kunstakademie Düsseldorf) wird er für die nächsten drei Jahre von einem fünfköpfigen Vorstand geleitet.

Passend zum Konferenzthema – und unterstützt von grüne mdw – wurde die Tagung als (zertifiziertes) Green Meeting organisiert. Auch die sozialen Events vom Meet & Greet an der mdw am Donnerstagabend bis zur Conference Party am Freitagabend in der Lounge der Kunsthalle Wien wurden durch hervorragende regionale Bioweine und -schmankerln kulinarisch aufgewertet.

ACMC – Arts and Cultural Management Conference for Students and Young Professionals

Ebenso erfolgreich wie die Fachverbandstagung verlief die zweite Auflage der Arts and Cultural Management Conference for Students and Young Professionals. Sie wurde von drei Studentinnen des IKM-Kulturmanagement-Lehrgangs organisiert und versammelte diesmal 145 Teilnehmer_innen aus 10 Ländern (mit 21 Nationalitäten!) zu einem intensiven dreitägigen Austausch. Die Formate reichten dabei von Keynotes (Milena Dragićević Šešić, Raphaela Henze) und Round-Tables über Paper Presentations und Workshops hin zu einer Fuck-up Night und einem Künstler_innenfrühstück. Netzwerken mit Kaffeehauscharakter kam dabei ebenso wenig zu kurz wie das gemeinsame Feiern. Mehr Infos: acmconference.com

Ausblick

Die 3. ACMC bleibt international und wird 2020 in Groningen in den Niederlanden wieder von Kulturmanagement-Studierenden organisiert.

Die 13. Jahrestagung des Fachverbands Kulturmanagement 2020 bleibt hingegen in der DACH-Region und wird voraussichtlich von der Kunstakademie Düsseldorf ausgerichtet.

Mehr Infos zu den Themen der kommenden Tagungen sowie die Call for Papers finden Sie zeitnah auf der Fachverbandswebsite:

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