Interview des Monats September

Brigitta Sponring

geboren 1958 in Leutasch, Tirol

derzeit berufstätig als Musiktherapeutin im Rehabilitationszentrum Häring der AUVA und noch bis November in der psychosozialen Rehabilitation Sonnenpark – Promente. Freie Mitarbeiterin als Ehe-, Familien- und Lebensberaterin in einer Familienberatungsstelle in Innsbruck.

Brigitta Sponring (1978 / 2018) (c) privat

Liebe Brigitta, 

Du bist so jung wie die Musiktherapie. Entschuldige bitte die Frage: "Wie fühlt sich das an?"

So ein Zufall – gleich alt zu sein wie die Ausbildung, die man genossen hat! Ich freue mich und finde es lustig. 

Bei mir drängen sich da auch noch Vergleiche auf: Für einen Menschen spannt sich der Lebensbogen doch anders, kürzer (zumindest physisch); der „Lebensbogen“ einer Ausbildung reicht aus meiner momentanen Sicht heraus weit hinein in die Zukunft. Und das Bild vom Bogen hat in meinen Ohren wiederum was mit Musik zu tun – da könnte man in sich hineinhorchen: Wie könnten denn die jeweiligen Lebensbögen klingen? 

Wie ist es eigentlich dazu gekommen, dass Du in Wien Musiktherapie studiert hast?

In meinem letzten Schuljahr am Gymnasium hörte ich auf der Suche nach Berufsmöglichkeiten zufällig von einer Ausbildung für Musiktherapie in Wien. Ich hatte gleich das Gefühl, dass diese Ausbildung die richtige für mich sein könnte, weil es mehrere meiner Interessen – Psychologie, Medizin, Musik – vereinte. Zudem war es ein großer Wunsch von mir, nach Wien zu gehen, und mit dem Argument, dass diese Ausbildung nur in Wien angeboten wird, hatte ich bessere Chancen, dies auch durchzusetzen, da mein Vater uns Kinder nicht so gerne ziehen lassen wollte. Ich machte im Sommer noch ein Praktikum, bestand die Aufnahmeprüfung und startete gleich im Herbst nach der Matura in Wien die Ausbildung.

Wenn Du nicht Musiktherapie studiert hättest – was hättest Du stattdessen getan?

Vermutlich hätte ich Psychologie oder Medizin studiert, eventuell auch eine andere Therapieform wie Ergo- oder Physiotherapie. Auch Sprachen oder eine handwerkliche Tätigkeit hätten mich interessiert. Oder vielleicht wäre ja noch etwas ganz anderes aufgetaucht.

Was bedeutet für Dich "Wiener Schule der Musiktherapie" heute?

Wien ist für mich untrennbar verbunden mit einer langen Tradition der Tiefenpsychologie und Psychotherapie zum einen und mit Kultur und Musik zum anderen, also ganz einfach die „richtige“ Stadt für diese doch einzigartige Ausbildung. Die „Wiener Schule der Musiktherapie“ denke ich war und ist richtungsweisend und hat eine wichtige und bedeutende Stellung in der Musiktherapielandschaft.

Zu Deiner musiktherapeutischen Arbeit bzw. zu Deinem musiktherapeutischen Handwerk: Gibt es da immer noch etwas, das aus Deiner Ausbildung stammt und sich nie/kaum verändert hat? 

Was sicher prägend war und in meiner Arbeit als Musiktherapeutin immer noch eine wichtige Rolle spielt, ist das musikalische Partnerspiel, das Hinhören, Hinspüren, Raum geben ... und natürlich auch die freie Improvisation, die sich ja nicht nichtverändern kann, weil sie immer neu entsteht.

Und umgekehrt: Was aus Deiner Ausbildung hast du schnell verworfen bzw. was hat sich als nicht alltagstauglich innerhalb Deiner Arbeit erwiesen?

In meinem Jahrgang (1976–79), der noch als Lehrgang konzipiert war, hätte ich mir oft mehr „Handwerkszeug“ gewünscht. Am Ende unserer Ausbildung sagte man uns: „Jetzt seid ihr fertig, jetzt müsst ihr rudern“. Das „Rudern“ bedeutete für mich also nicht, etwas zu verwerfen, sondern etwas dazu zu gewinnen, Gelerntes im Tun und durch Erfahrung zu erweitern und Neues dazuzulernen über weitere Aus- bzw. Fortbildungen.

Wie ist das in Deiner Ausbildungsgeneration: trifft man sich noch immer, weiß man voneinander oder ist man etwa befreundet?

In unserem Jahrgang sind einige wieder nach Deutschland zurück gegangen, ein paar sind im Wiener Raum geblieben, die räumliche Entfernung ist groß, es gibt aber Kontakt zu einigen. Wir hatten ein paar Jahrgangstreffen, das letzte ist allerdings schon länger her. Die beste Gelegenheit, sich zu treffen, sind jeweils Tagungen und Symposien in Wien, zuletzt die 55-Jahrfeier und der EMTC in Wien.

Zurückblickend, wie denkst Du heute über Deine Musiktherapie-Ausbildung in Wien? Würdest Du sie noch einmal absolvieren? Oder würdest Du sogar Deinen Kinder zu dieser Ausbildung raten, wenn sie Dich fragen würden?

Die Zeit meines Studiums in Wien war eine wichtige Zeit für mich. Aus Tirol kommend und noch sehr jung, war für mich alles Neue spannend, die Kolleg*innen, von denen die meisten aus Deutschland kamen, die große Stadt mit den vielen Angeboten, eine Zeit, in der viel in Bewegung und Aufbruchsstimmung war, und dann eben das Studium mit sehr vielseitigen Inhalten – ein Gesamtpaket, das ich nicht missen möchte.

Meine Kinder haben schon andere Richtungen eingeschlagen, wenn sie sich aber für diese Ausbildung interessiert hätten, dann hätte ich sie sicher dabei unterstützt.

Wie lauten Deine Wünsche an das Geburtstagskind "Musiktherapie-Ausbildung in Wien"?

Erstmals herzliche Gratulation! 

Dem Geburtstagskind wünsche ich ein langes, langes Leben und weiterhin Lehrende, Forschende, Studierende und Absolventen, die mit Klugheit, Offenheit, Neugier, Kreativität, Mut und Menschlichkeit die Tradition der „Wiener Schule der Musiktherapie“ weiterführen und weiterentwickeln.