Julia Freund, Matteo Nanni, Jakob M. Schermann, Nikolaus Urbanek (Hg.): Dialektik der Schrift. Zu Adornos Theorie der musikalischen Reproduktion (Theorie der musikalischen Schrift 3), Wilhelm Fink 2022

Das von Theodor W. Adorno begonnene, jedoch Fragment gebliebene Buchprojekt Zu einer Theorie der musikalischen Reproduktion gründet auf einer musikphilosophischen Reflexion über Fragen nach der (Rück)übersetzbarkeit von Schrift in Klang. Die teilweise aphoristisch und heterogen angelegten Eintragungen verweisen dabei auf ein multirelationales Nachdenken über die Voraussetzungen für eine Theorie der musikalischen Kommunikation durch den Einbezug von Schrift, deren Interpretation und dem damit verbundenen Aspekt der Körperlichkeit.

© Evelyn Ziegler

Die Initiator_innen des internationalen DACH-Projekts Writing Music. Iconic, performative, operative and material aspects in musical notation(s) widmeten dem bisher in der Adorno-Forschung eher nachranging behandelten Fragment die Konferenz Musik, Schrift, Differenz – eine interdisziplinäre Lektüre von Adornos Theorie der musikalischen Reproduktion, welche 2019 im Arnold Schönberg Center in Wien veranstaltet wurde. Als dritter Band der zum DACH-Projekt gehörenden Buchreihe Theorie der musikalischen Schrift wurden nun die Ergebnisse unter dem Titel Dialektik der Schrift. Zu Adornos Theorie der musikalischen Reproduktion von Julia Freund, Matteo Nanni, Jakob M. Schermann und Nikolaus Urbanek herausgegeben.

Über eine stimmig ausgearbeitete multiperspektivische Anlage verbinden die enthaltenen Aufsätze eine profunde Lektürepraxis des Adorno-Textes mit den Schrift- und Performativitätsdiskursen unserer Zeit. Im Vordergrund stehen hierbei neben Auseinandersetzungen mit der Beschaffenheit von musikalischer Schrift als solche, ihren Grenzen und Qualitäten auch Fragen nach den Eigenschaften des ephemeren Mediums Klang und seinen performativen Möglichkeiten. An dieser Stelle besonders hervorzuheben sind der Beitrag von Julia Freund, welcher der Frage nach möglichen Anknüpfungspunkten der Thesen Adornos an Formen der grafischen Notation nachgeht, die Ausführungen zu einem Verständnis von Notation als Mimesis von Matteo Nanni und die Arbeit von Susanne Kogler, in welcher sie Fragen nach der Aktualität von Adornos Annahmen zur geistigen Dimension der Interpretation und der Bedeutung des Hörens für das Jetzt formuliert.

Der gesamte Band stellt sich als gelungene Aus- und Weiterführung der Wiener Konferenz dar und liefert aufgrund der vielschichtigen Zugangsweisen zu Adornos Reproduktionstheorie und dessen Weiterdenken in der Gegenwart wertvolle neue Impulse für aktuelle Forschungsdiskurse.

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