Zur Erinnerung an mdw-Professor Gottfried von Einem (1918–1996)

Vor 100 Jahren, genau am 24. Jänner 1918, wurde Gottfried von Einem geboren. Im Jubiläumsjahr widmet die mdw dem großen Komponisten und einflussreichen Lehrer ein Gedenkkonzert am 4. Dezember 2018 um 18.00 Uhr im Joseph Haydn-Saal.

Gottfried von Einem
©Fotografie von Peter Schramek / Sammlungen der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien

Ab seinem 20. Lebensjahr wirkte Einem als Korrepetitor an der Deutschen Staatsoper in Berlin und als Assistent bei den Bayreuther Festspielen. Von 1941 bis 1943 nahm er Kompositionsunterricht bei Boris Blacher, 1945 Kontrapunktunterricht bei Johann Nepomuk David. Seinen internationalen Durchbruch konnte er mit der Uraufführung der Oper Dantons Tod 1947 bei den Salzburger Festspielen erlangen. Rasch folgten Aufführungen an zahlreichen Opernhäusern.

Weitere internationale Erfolge brachten die Uraufführungen der Oper Der Prozeß (nach Franz Kafka, Salzburger Festspiele 1953), der Ballade für Orchester, op. 23 (Cleveland, 1958), der Kantate Das Stundenlied (Hamburg, 1959), der Literatur-Opern Der Zerrissene (Hamburg, 1964) und Der Besuch der alten Dame (Wien, 1971), der Kantate An die Nachgeborenen (New York, 1975) und der Oper Kabale und Liebe (Wien, 1976). In der Saison 1976/77 war Gottfried von Einem international der am meisten aufgeführte zeitgenössische Opernkomponist. In seinen späteren Lebensjahren widmete sich Einem zunehmend der „kleinen Form“, der Kammermusik und dem Lied. An der damaligen Hochschule für Musik und darstellende Kunst Wien (heute mdw) übernahm Einem 1963 eine Professur für Komposition und hatte diese Funktion bis 1972 inne. Erst nach einigem Zögern entschloss sich der Komponist zu dieser neuen Aufgabe, jedoch stellte er genaue Bedingungen, unter denen er unterrichten wollte. Unter dem Betreff „Voraussetzungen für die Übernahme einer Professur“ formulierte er diese Punkte in einem Brief vom Juni 1962: eine Probezeit für Studierende und nicht mehr als sechs Studierende in der Klasse. Als Kompositionslehrer bestand Einem auf einer soliden klassischen Basis, vor allem auf der Beherrschung des traditionellen Kontrapunkts.

Schüler Einems, die an der mdw ihr Studium absolvierten und sich im zeitgenössischen Musikleben einen Namen machten, sind Heinz Karl Gruber, Dieter Kaufmann, Brunhilde Sonntag, William Fischer und Klaus-Peter Sattler.

Am 30. September 1972 wurde Gottfried von Einem auf eigenen Wunsch emeritiert. Die mdw dankte ihrem Professor seine Verdienste mit einer Ehrenmitgliedschaft zum 75. Geburtstag im Jahr 1993.

Zwei seiner bekanntesten Schüler, beide selbst mittlerweile emeritierte Professoren der mdw, leisten ebenfalls mit ihren Erinnerungen einen Beitrag zum Gedenken an Gottfried von Einem.

 

Klaus-Peter Sattler
Gedanken zu Gottfried von Einem:

1966 erhielt mein damaliger Professor Karl Schiske eine Berufung an die University of California, Riverside, und ich beabsichtigte, meine Studien bei Gottfried von Einem fortzusetzen, da mich vor allem dessen musikdramatisches Werk besonders fasziniert hatte.

Gottfried von Einem war eine beeindruckende Persönlichkeit: Sein äußeres Erscheinungsbild war faszinierend, seine Aussagen immer klar, analytisch auf den Punkt gebracht, kein Herumgerede, köstlicher Sinn für Humor, unendliche Erfahrungsberichte und Episoden und, bei aller Ratio, manchmal doch auch wieder hoch emotional und leidenschaftlich – besonders wenn es um Aspekte sogenannter „zeitgenössischer Musik“ ging.

„Was, um Himmels Willen, führt Sie denn zu mir? Wenn Sie von mir zeitgenössische Kompositionstechniken lernen wollen, sind Sie bei dem Falschen!“ Genau das wollte ich nicht. Ich wollte „angewandte Musik“ schreiben, Musik, die eine ganz spezifische Funktion als Teil eines „zusammengesetzten Kunstwerks“ erfüllt, wie z. B. im Film, dem Theater etc. Einem war begeistert: „Gott sei Dank, endlich mal einer, der nicht an seinem Denkmal bastelt, auf dem sich dann eh nur die Tauben vergnügen.“

Es war der Beginn einer Periode, in der ich meine musikalischen Absichten ungeniert, aber stets unter strengen handwerklichen Auflagen frei entfalten konnte.

Als ich einmal mit einem Haufen Noten zu ihm kam, meinte er nur: „Wer so viel schreibt, hatte sicherlich keine Zeit zum Telefonieren.“ Und weiter: „Wer kennt sich hier mit dem Filmgeschäft aus?“ Ich nannte den Namen eines sehr kompetenten Journalisten, mit dem er sich dann auf der Stelle von „Lottchen“ verbinden ließ. Nach einem kurzen Dialog drückte er mir den Hörer in die Hand, und es wurde sofort ein Treffen vereinbart.

Es war immer eine Welle positiver Unterstützung und ein herzlicher Glaube an mein Talent, der mich förmlich „getragen“ hat. Gottfried von Einem war für mich der ideale Lehrer: Er hat unmerklich geführt und das Gefühl vermittelt, dass man letztlich doch „alles aus sich selbst erreicht hat“.

 

Dieter Kaufmann
Zitate aus Einem-Briefen (1965–1969):

„In 20 Jahren wissen Sie dann, ob Sie begabt sind, in 100 weiß es die Nachwelt!“

„Die Musen zählen zu den schwierigen Damen, die leider nach Nietzsches Rat behandelt werden müssen. Verschonen Sie sich selbst bitte nicht mit Tritten.“

„Schreiben Sie Noten, kassieren Sie Gefühle und Skrupel; alles lässt sich durch tintegeschriebene Noten sublimiert fixieren.“

„Führen Sie bitte Tagebuch über Ihre Stunden mit und bei Messiaen.“

„Den Lehrmeistern gefällt selten das, was die begabten Schüler aus ihren Lehren machen. Trotzdem!“

„Den Mut eines Tages haben, ‚der Welt abhanden zu kommen‘, sich fallen zu lassen und rücksichtslos so zu schreiben, wie man es hört, und zwar in sich, das wünscht Ihnen Ihr C-Durist Gottfried Einem.“

„Schreiben Sie die Oper, schauen Sie nicht nach links oder rechts, vertrauen Sie ausschließlich Ihrem inneren Ohr. Überhören Sie nichts, was es Ihnen kundgibt. Dazu rate ich Ihnen, ein künstlerisches Gewissen zu entwickeln. Genügen Sie den Ansprüchen beider, werden Ihre Arbeiten Bestand in der Zeit haben, vorausgesetzt, daß der ganze Mensch, samt seinen Emotionen, beteiligt ist; der Autor ohne Unterleib gehört ins Panoptikum.“

„Ich rate Ihnen aber, sich in der Welt noch etwas umzutun und sich nicht zu früh zu binden. Der ‚Stalltrieb‘ ist gefährlich, besonders wenn der Stall Wien heißt.“

„Glauben Sie bitte meinen Erfahrungen. Wenn Sie die (Innen- und die Außen-) Welt kennen, können Sie es sich leisten, so zu schreiben, wie Sie und nicht wie die Ablehnung der Umgebung es gebieten, sogar in C-Dur, wie ich es mit wachsendem Vergnügen bewusst tue.“

  • Weitere Informationen sowie das Programm des Gottfried von einem Gedenkkonzerts finden Sie auf: www.mdw.ac.at/1079

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