Walter-Deutsch-Verleihung an Dr. Gerlinde Haid

Freitag, 10. September 2010, 18.00 Uhr, Bad Aussee,
im Kaisersaal des Kammerhofmuseums

Die Volkskundlerin Gerlinde Haid wurde am 19. April 1943 in Bad Aussee in der Steiermark geboren. Nach dem Besuch des Gymnasiums der Bundeserziehungsanstalt Schloss Traunsee in Altmünster, Oberösterreich, studierte sie von 1961 bis 1965 Musikerziehung und Germanistik an der Universität Wien. 1965 legte sie hier die Lehramtsprüfung ab und erwarb den Titel Magistra der Philosophie. Während ihrer Tätigkeit als Assistentin am Institut für Volksmusikforschung an der heutigen Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien (1966 – 1976), unter der Leitung von Professor Walter Deutsch, studierte Gerlinde Haid Volkskunde und Musikwissenschaft an der Universität Wien, an der sie 1974 promovierte. Von 1975 bis 1989 wirkte sie als Generalsekretärin am Österreichischen Volksliedwerk in Wien. Ab 1989 war Gerlinde Haid Hochschulassistentin am Institut für Musikalische Volkskunde in Innsbruck, unter der Leitung von Professor Dr. Josef Sulz. 1994 wurde sie für die  Lehrkanzel der Geschichte und Theorie der Volksmusik an die Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Wien gerufen, an der sie heute als ordentliche Universitätsprofessorin, das  Institut für Volksmusikforschung und Ethnomusikologie leitet.

Ihre zahlreichen Feldforschungen, bei denen Gerlinde Haid die Volksmusik der Alpen mit Hilfe von Aufnahmegeräten aufzeichnete, sie transkribierte und dokumentierte, wurde nicht nur in ihren zahlreichen Publikationen Rechnung getragen. Schließlich sind sie durch eine CD-Sammlung mit ausführlich kommentierendem Booklet, das Transkriptionen beinhaltet, für Volksmusikinteressierte zugänglich gemacht worden: Gemeinsam mit ihrem Mann Hans Haid, Volkskundler und Schriftsteller, hat Gerlinde Haid 1993 die ersten beiden CDs der Tonträgerreihe „Musica Alpina“, die seither insgesamt acht CDs umfasst, herausgegeben. Die ausgewählten Tonbeispiele der Reihe, die das Singen und Musizieren der Menschen des gesamten Alpenraumes exemplarisch vorstellen, dürfen als authentische Klangbilder der Volksmusik verstanden werden. Entnommen wurden die Tonbeispiele teils den eigenen Feldforschungen, teils den Aufnahmen von anderen VolksmusikforscherInnen, die üblicherweise nur in Fachkreisen erreichbar sind.

Einen wesentlichen Beitrag zur Volksmusikforschung in Österreich leistete Gerlinde Haid durch ihre Forschungsarbeiten zum Thema „Frau und Volksmusik“ in Österreich und in den Alpen, ein Bereich der zuvor in der Forschung weitgehend vernachlässigt wurde.

In ihrer Funktion als Generalsekretärin trug sie zu wesentlichen Entwicklungen im Österreichischen Volksliedwerk bei. 1983 gab sie die Initialzündung, die Gründungsidee des Österreichischen Volksliedwerkes aus dem Jahr 1904, eine repräsentative Ausgabe der Volkspoesie und Volksmusik aller ethnischen Gruppen der Donaumonarchie herauszubringen, endlich in die Tat umzusetzen. Denn, obwohl bereits 1902 die Vorbereitungen für die Edition getroffen wurden, setzten das Ende des ersten Weltkrieges und die mit ihm einhergehenden Umstände, dem Vorhaben ein Ende. In der Folge erschien 1993, im Auftrag des Österreichischen Volksliedwerks, der erste Band der Reihe Corpus Musicae Popularis Austriacae. Im fünften Band der wissenschaftlichen Reihe, Volksmusik in Oberösterreich - „Tanz Musik“. Landler, Steirer und Schleunige für zwei Geigen aus dem Salzkammergut arbeitet Gerlinde Haid Leben und Werk des Musikanten Johann Michael Schmalnauer (1771 – 1845) auf. Selbiger legte um 1820 eine Sammlung von über 600 Tänzen aus dem Salzkammergut an, die als die schönsten und wichtigsten Dokumente der Ländlerkultur in Österreich in dieser Ausgabe zusammengefasst herausgegeben wurden. Gemeinsam mit Thomas Hochradner gestaltete Gerlinde Haid den 12. Band der COMPA Volksmusik in Salzburg – Lieder und Tänze um 1800 aus der Sonnleithner-Sammlung der Gesellschaft der Musikfreunde. Joseph von Sonnleithner (1796 – 1835), erster Sekretär der „Gesellschaft der Musikfreunde des Österreichischen Kaiserstaates“, initiierte 1819 eine Volksmusiksammlung, zu der aus allen deutschsprachigen Ländern der habsburgischen Monarchie Zusendungen erbeten wurden. Diese Sammlung an Liedern und Tänzen stellt einen Querschnitt durch die Salzburger Volksmusikpraxis dieser Zeit dar.

Neben ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit schaffte Gerlinde Haid die Voraussetzungen für die seit 1994 bestehende Datenbank des Österreichischen Volksliedarchivs, durch die der Archivbestand erschlossen wurde. Sie initiierte und leitete eine jahrelange Diskussion von Fachleuten aus dem In- und Ausland, mit dem Ziel, eine einheitliche Archivierung der vielfältigen Sammelbestände der Volksliedarchive in Österreich zu erreichen. Diese Systematisierung zur österreichischen Volksmusik beinhaltet gemeinsam vereinbarte und anerkannte Definitionen und spiegelt das Forschungsfeld der Volksmusik wider.

Neben ihren zahlreichen Publikationen führt Gerlinde Haid auch die von Professor Walter Deutsch im Jahr 1970 gegründete Reihe „Schriften zur Volksmusik“ als Herausgeberin fort. Die Reihe dient der Veröffentlichung wissenschaftlicher Ergebnisse der Volksmusikforschung, dabei ist das Spektrum weit gesteckt, internationale Ansätze werden miteinbezogen. Heute zählt „Schriften zur Volksmusik“ zu den fundiertesten Publikationen des Faches in Österreich.

o.Univ.Prof. Mag. Dr. Gerlinde Haid kurz vor Beginn der Verleihung

 

 

Der Vizepräsident des Österreichischen Volksliedwerkes emer.Univ-Prof.
Dr. Konrad Köstlin eröffnet die Veranstaltung.


Musikalisch umrahmt wird die Verleihung stimmig und einfühlsam
durch die Ausseer Bradlmusi

 

Der Laudator ist emer. o. HProf. Mag. Walter Deutsch, als Ehrenpräsident
des Österreichischen Volksliedwerkes und Namensgeber des Preises.
Er gibt seiner Verbundenheit mit Gerlinde Haid, die in die Tage der Gründung
des Instituts für Volksmusikforschung 1965 zurückreicht, in bewegenden
und eindrucksvollen Worten Ausdruck und würdigt ihr unermüdliches und
segensreiches Wirken in Wissenschaft und Pflege

 

Die Verleihung des Preises erfolgt durch HR Prof. Dr. Franz Grieshofer in Vertretung des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung.

 

Die Preisträgerin o.Univ.Prof. Mag. Dr. Gerlinde Haid, gekleidet in ihre
Heimattracht, bedankt sich mit inhaltsreichen, reflektierenden und
humorvollen Worten in ihrem unvergleichlichen Stil. Sie überreicht die
berühmte „Schmalnauer-Handschrift“ aus privatem Familienbesitz an das
Archiv des
Österreichischen Volksliedwerkes.

Wir gratulieren !!!