Lateinamerika und die Karibik

von Javier Silvestrini

Die verschiedenen Regionen und Kulturen Lateinamerikas und der Karibik haben Gemeinsamkeiten in ihren historischen, soziokulturellen, politischen und migrationsbezogenen Identitäten. Sie haben unter anderem eine gemeinsame koloniale Vergangenheit, die sich zeigt in der Ausbeutung der Sklaven des afrikanischen Kontinents, in der Unterdrückung der indigenen Bevölkerung, im Prozess der Bildung der Nationalstaaten und der Entkolonialisierung, sowie in den Machtkämpfen der Migration zwischen Europa und dem amerikanischen Kontinent über Jahrhunderte hinweg. Darüber hinaus teilen die Regionen Lateinamerikas und der Karibik auch die Erhaltung, Pflege und Entwicklung individueller Daseinsformen und Epistemologien, die insbesondere in der Vielfalt der Traditionen der populären Musik und der Tänze zum Ausdruck kommen. Ein grundlegender Aspekt der Musik und Tänze Lateinamerikas und der Karibik ist die Hybridisierung oder Mestizaje von Elementen und Erfahrungen aus indigenen, afrikanischen, europäischen, kreolischen oder mestizischen Kulturen.

Seit 2013, bedingt durch die Dissertation von Javier Silvestrini, “Plena in San Juan”, beteiligt sich das IVE an der Forschung über die städtische afro-puertorikanische Praxis der Plena in der Karibik. Diese Dissertation untersucht musikalische und soziale Aspekte der Plena durch eine intersektionale Analyse von Race, Gender, nationaler Identität, Identitätspolitik und Klasse. Darüber hinaus bietet das IVE seit 2019 forschungsgeleitete Lehre in Form von Praktika über die Karibik an, insbesondere über die afro-puertorikanischen, vokalen und instrumentalen Musiktraditionen.

Auf internationaler Ebene hat die Forschung des IVE über lateinamerikanische und karibische Musik dazu beigetragen, eine neue ICTM Study Group zu errichten, die sich der ethnomusikologischen und ethnochoreologischen Forschung in diesem Teil der Welt widmet. Die ICTM Study Group, Music and Dance in Latin America and the Caribbean (LAT CAR), wurde 2018 von einem internationalen Forschungskomitee gegründet. Zwei ihrer Gründungsmitglieder, Nora Bammer und Javier Silvestrini, sind oder waren wissenschaftlichen Mitarbeiter_innen des IVE. Das Study Group LAT CAR bietet eine sprachbasierte Plattform in Englisch, Spanisch und Portugiesisch für die Forschung zu lateinamerikanischen und karibischen Themen. 

Schließlich hat das IVE im Rahmen des Projektes Transkulturalität der mdw eng mit den Forschenden aus Lateinamerika zusammengearbeitet. Ab 2020 baut das IVE eine neue Erasmus+ Zusammenarbeit mit der Universität Brasilia im Rahmen des Projekts The Meeting of Knowledge auf, das den Austausch von Forschung und nicht-hierarchischer Wissensproduktion als Paradigmenwechsel in der Hochschulbildung ermöglichen soll.