Europäische Volksmusik

von Ulrich Morgenstern

Volksmusikforschung geht seit der Aufklärung von musikkulturellen Verhaltensmustern und Ausdrucksqualitäten aus, die wesentlich als Erbe jener gesellschaftlichen Formationen betrachtet werden können, die in den Ständegesellschaften Europas recht klar als „das Volk“ zu erkennen waren. Auch wenn es kaum möglich ist, Europa volksmusikalisch zu definieren, können zumindest regional einige Tendenzen nachgezeichnet werden wie gewisse tonal-harmonische Gestaltungsmuster, ein ständiger Austausch mit der sog. Kunstmusik (vertikaler Transfer), seit dem 18. Jahrhundert ein überregionales Repertoire an Tanzmusik und allgemein eine häufige Übernahme außereuropäischer Impulse (horizontaler Transfer). Volksmusikforschung fragt nach dem Wirkungsraum des Musikalischen in schriftlosen und schriftarmen Kulturen und nach den künstlerisch-musikalischen Leistungen, die ohne eine formalisierte Ausbildung und ohne das Fundament einer verbindlichen Musiktheorie erreicht werden können.
Die im Institutsnamen greifbare Unterscheidung zwischen Volksmusikforschung und Ethnomusikologie ist keine absolute und hat historische Gründe (s. Abschnitt. Österreichisch-alpenländische Volksmusik).
Seit seinem Bestehen ist das Institut ein Ort des internationalen Austauschs, wobei sein Gründungsdirektor Walter Deutsch besonders auch Kontakte nach Südost- und Ostmitteleuropa knüpfte und ausbaute. Seine Nachfolgerin auf der Lehrkanzel für Geschichte und Theorie der Volksmusik, Gerlinde Haid, pflegte besonders intensive Kontakte zu den Nachbarländern innerhalb des Alpenraums im Sinne der „Musica Alpina“. Diese europäische Perspektive des IVE spiegelt sich heute nicht zuletzt in den einzelnen Länderschwerpunkten, in den übergreifenden Forschungen zur Mehrstimmigkeit in Europa, sowie zur Volksmusikinstrumenten und instrumentale Volksmusik, Forschungsgeschichte und volksmusikbezogenen Erneuerungsbewegungen.


Siehe auch Publikationsliste Morgenstern, besonders:

Zehn populäre Vorurteile über Volksmusik (2014)
European Traditions of Solo Multipart Instrumental Music […] (2016)