BERICHT

First Seminar of the
ICTM Study Group on Multipart Music
19.-20. September 2014


Estonian Academy of Music and Theater
Tallin (Estland)

 
Vom 19.-20. September 2014 fand in Tallin das „First Seminar of the ICTM Study Group on Multipart Music” statt, zu dem die Estonian Academy of Music and Theater, eingeladen hatte. Zwei Tage lang diskutierten sieben Mitglieder der Studiengruppe das Thema „Multipart Music: Theoretical Approaches on the Terminology”. Anders als bei den Konferenzen des International Council for Traditional Music wurden im Vorfeld nicht nur Abstracts, sondern auch Einführungstexte zu den Einzelbeiträgen eingeholt und weitergeleitet. Diese waren nicht als Referate, sondern als von den jeweils Vortragenden zu initiierende Diskussionen konzipiert. Jeder Beitrag hatte einen Zeitrahmen von 90 Minuten. Eine Diskussionsleitung (Chair) war nicht vorgesehen.

Das Institut war vertreten durch Studiengruppenleiter Ardian Ahmedaja, der das von ihm gegründete „Research Centre for European Multipart Music” des Instituts derzeit ehrenamtlich leitet. Sein Eröffnungsbeitrag betrachtete auf philosophischer Grundlage Terminologie und Konzeptualisierung mehrstimmiger Musikformen. Ulrich Morgenstern regte unter Rückgriff auf die Historische Musikwissenschaft an, Formen instrumentaler, solistischer Mehrstimmigkeit und verwandte Phänomene terminologisch klarer zu fassen.

Enrique Cámara de Landa (Spanien) beleuchtete aus forschungsgeschichtlicher Perspektive die Begriffe Polyphony Multipart und Heterophony. Ignazio Macchiarella (Italien) trat für ein Verständnis von Mehrstimmigkeit ein, das nicht von der musikalischen Struktur, sondern von den zugrundeliegenden Konzepten ausgeht. Susanne Fürniss (Frankreich) stellte die grundsätzliche Frage “What is a part?” und stützte sich auf eine gemeinsam mit Simha Arom und anderen entwickelte Typologie mehrstimmigen Musizierens. Als Vertreterin der gastgebenden Institution betrachtete Žanna Pärtlas Heterophonie unter dem Aspekt von musikalischem Denken und klanglicher Realisation. Anda Beitāne (Lettland) analysierte Konzepte von Harmonie vor dem Hintergrund lettischer vokaler Mehrstimmigkeitsformen.
Zum Begleitprogramm des Seminars gehörte ein Auftritt des Chors Verska naase, der den Gästen in beeindruckender Weise den mehrstimmigen Gesang der Minderheit der Seto nahebrachte. An dem anschließenden Empfang in der Akademie nahmen auch der estnische Ethnomusikologie Igor Tonurist teil, der “Gründervater” des traditionsorientierten Volksmusikrevival in der ehemaligen Sowjetunion, und der türkische Ethnochoreologe Gurbuz Aktas.
Das Seminar war durchweg geprägt von einem ungewöhnlich intensiven, sachorientierten Dialog. Bereits im Zuge der inhaltlichen Vorbereitungen wurden wichtige Texte älteren Datums ausgetauscht. In den Diskussionen nahm man ständig auf die vorangegangenen Beiträge bezug. Zum Teil ist es gelungen, Übereinkünfte über innovative Alternativen zu strittige oder veralteten Termini zu erzielen, die ihren Niederschlag in der internationalen Fachwelt finden dürften. Es ist die ungeteilte Meinung der Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Seminars, dass die von Ardian Ahmedaja für das ICTM neu eingeführte Form des Seminars sich außerordentlich bewährt hat.

 

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