Sarantos Georgios Zervoulakos kehrt als Gastprofessor für Schauspielregie an das Max Reinhardt Seminar zurück

Im laufenden Studienjahr 2023/24 ist der Regisseur Sarantos Georgios Zervoulakos Gastprofessor für Regie am Max Reinhardt Seminar und kehrt damit, nicht zum ersten Mal, an die Stätte seiner eigenen Studienzeit zurück. Damals wie heute ist es vor allem der von Max Reinhardt geprägte Ensemblegedanke, den er am Seminar besonders schätzt, das Konzept, dass die beiden Zweige Schauspiel und Schauspielregie hier in engem Kontakt „aufwachsen“ und sich gegenseitig inspirieren. „Innerhalb eines Jahrgangs baut man besondere Beziehungen auf, die im besten Fall ein Leben lang halten“, schwärmt Zervoulakos. „Manche einstige Seminarist_innen haben sich auch nach Jahrzehnten nicht aus den Augen verloren.“

Am Seminar lerne man nicht nur spannende Persönlichkeiten kennen, deren Theaterkarrieren sich später in unterschiedliche Richtungen entwickeln, sondern man lerne mit ihnen gemeinsam professionelle Tools, Kriterien und Codes – eine Sprache, mit der man sich über künstlerische Ziele und Inhalte verständigen kann. „Es ist sicher eine Stärke des Max Reinhardt Seminars, dass man diese Sprache hier gemeinsam erlernt, denn die Arbeit am Theater ist zum allergrößten Teil Kommunikation. Es ist essenziell, nach außen zu kommunizieren, was man erzählen möchte. Auch wenn man später in jedem Projekt, in jedem Produktionsprozess aufs Neue eigene Codes entwickeln wird, ist es von großem Vorteil, diese grundsätzliche Kommunikation für den ,Ernstfall‘ am Seminar trainiert zu haben.“

© Konstantinos Giannakis

Sarantos Georgios Zervoulakos, 1980 in Griechenland als Sohn eines griechischen Vaters und einer deutschen Mutter geboren, wuchs in Deutschland auf und studierte Medizin, ehe er sich 2006 für das Theater entschied und sein Studium der Schauspielregie am Max Reinhardt Seminar aufnahm. Wien wurde dadurch für ihn ein wichtiger künstlerischer Nährboden: „Ich bin zweisprachig aufgewachsen und habe dadurch früh gelernt, Codes unterschiedlich zu lesen. Wien hat sich für mich als eine wunderbare Zwischenposition erwiesen inmitten der beiden Kulturen, aus denen ich komme. Ich war auf einmal in einer dritten, die mir viel Draufsicht auf die beiden anderen, die deutsche und griechische Kultur, eröffnet hat. Wien ist meine künstlerische Heimat, das fühle ich, auch wenn ich woanders gearbeitet habe und arbeite.“

Häufig begleiteten ihn Sätze und Gedanken aus seiner Studienzeit – etwa an die Schauspielhäuser in Düsseldorf, Graz, Leipzig, ans Residenztheater München, das Burgtheater, das Theater in der Josefstadt und andere Häuser, an denen er seit 2010 inszeniert hat. Ab 2016 arbeitete Zervoulakos vermehrt auch in Griechenland, wo er an den Nationaltheatern Athen und Thessaloniki inszenierte und Projekte am Onassis Cultural Center Athen, am Achilleion Museum auf der Insel Korfu, für die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Athen und zuletzt im Sommer 2023 für das Festival von Athen und Epidauros im antiken Amphitheater umsetzte. Nach Epidauros lud er, unterstützt vom Festival, Regiestudierende des Max Reinhardt Seminars zum Praktikum ein. „Es ist besonders spannend, dort, quasi an der Wiege des Theaters, zu arbeiten und die Studierenden im Austausch über eine konkrete Produktion kennenzulernen. In der Kulisse des Amphitheaters haben wir viel über ein Grundthema von Max Reinhardt gesprochen: den Umgang mit Orten und deren spezifischer Energie.“

Sarantos-Georgios Zervoulakos gemeinsam mit Studierenden, Epidauros © Holle Münster

Als Lehrender versteht sich Zervoulakos als Wegbegleiter, der die Studierenden in der Erforschung der eigenen Persönlichkeit und künstlerischen Leidenschaften unterstützt. „Ich möchte ihnen keine Ästhetik vorgeben, denn es gibt keine allgemeingültige Wahrheit, nur Vorschläge für Zugänge, Inhalte, Weichenstellungen und Inspiration, wie man den Regieberuf angehen kann. Ich finde es selbst sehr spannend, wenn ich in dieser Tätigkeit am Seminar nun Personen begegne, die eine Art des Denkens und des Arbeitens mitbringen, die ich mir bis dahin gar nicht vorstellen konnte.“ An die in Epidauros geführten Gespräche über Max Reinhardt kann nun in der Regiepraxis am Seminar angeknüpft werden. Der Ort des Max Reinhardt Seminars, das „altehrwürdige Barockpalais“ in Penzing, birgt für Zervoulakos größtes Potenzial: „Hier wurden viele wesentliche Begriffe und Inhalte formuliert, die so etwas wie das Rückgrat, das Handwerk eines Theaterschaffenden bilden. Max Reinhardt selbst hat den Gedanken des Seminars später in der Vertreibung in den USA als „Workshop“ weiterentwickelt, und wir können heute neu entdecken, was sich seit der Gründung hier am Haus entwickelt hat, wie sich Fragestellungen Max Reinhardts weiterentwickelt haben. Das ist für mich das Besondere an diesem Ort: Dass jede Generation diese Fragen immer wieder neu für sich erarbeiten und beantworten kann und dafür einen wunderbaren Raum gestellt bekommt. In diesem Sinn ist Theater wie Kochen: Es muss immer wieder passieren. Die Notwendigkeit wird immer da sein, weil wir essen möchten und müssen. Die Frage, die auch für das Theater gilt, ist: Wie macht man es immer wieder aufs Neue gut?“

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