Regisseurin Christina Tscharyiski im Austausch mit dem Schauspielnachwuchs

„Wenn ich mit Anfang-Zwanzigjährigen spreche, merke ich, es ist eine Generation mit anderen Forderungen an das Theater und die Theaterberufe. Es ist toll, mit der jungen Generation in Diskussion zu treten und ihnen aus meiner Praxis etwas mitzugeben.“ Regisseurin Christina Tscharyiski, 1988 in Wien geboren, freute sich besonders auf ihre Gastregie am Max Reinhardt Seminar im Sommersemester. Mit den Schauspielstudierenden des dritten Jahrgangs erarbeitete sie den Text Sonne, los jetzt! von Elfriede Jelinek. Premiere ist am 23. Mai im Schlosstheater Schönbrunn. Mit dieser Produktion werden sich die Studierenden anschließend auch beim Schauspielschultreffen im Juli in Frankfurt präsentieren.

Christina Tscharyiski © Hilde van Mas

Seit zehn Jahren führt Christina Tscharyiski an namhaften Theatern Regie. Am Schauspiel Frankfurt brachte sie zuletzt Der Raub der Sabinerinnen auf die Bühne. Mehrmals inszenierte sie am Berliner Ensemble, beispielsweise Jelineks Schwarzwasser. Weitere Stationen waren u. a. das Burgtheater, das Volkstheater München oder das Düsseldorfer Schauspielhaus. Ausgangspunkt ihrer Karriere war das Rabenhof Theater in Wien. Neben ihren Studien an der Universität Wien (Theater-, Film- und Medienwissenschaften sowie Soziologie) begann sie am Rabenhof Theater eine Hospitanz, darauf folgte eine Regieassistenz sowie weitere am Theater in der Josefstadt, bei den Salzburger Festspielen und am Burgtheater. „Parallel zur Regieassistenz machte ich bereits meine eigenen Inszenierungen an den jeweiligen Theatern. Es war kein unsteiniger Weg“, so Tscharyiski. Nach der Assistenztätigkeit kehrte sie dem Theaterbetrieb kurzzeitig den Rücken und ging auf Weltreise. „Ich war davor gefühlt Tag und Nacht in den Gemäuern des Theaters und brauchte Abstand“, erzählt sie. Nach ihrer Auszeit inszenierte sie 2017 am Rabenhof Theater Ja, eh! Beisl, Bier und Bachmannpreis, einen Text von Stefanie Sargnagel: „Zu dieser Zeit bekam Sargnagel viel mediale Aufmerksamkeit aus Deutschland. Es war einer dieser Momente, wo man zum richtigen Zeitpunkt das Richtige machte. Ab dann bekam ich viele Regieanfragen.“ Die Produktion war sehr erfolgreich, wurde zu Festivals eingeladen und gewann den Publikumspreis beim Radikal-jung-Festival 2018 in München. Zu ihren favorisierten Stücken sagt sie: „In den letzten Jahren habe ich viel zu feministischen Themen gearbeitet und ich liebe es mit zeitgenössischen Autor_innen in Austausch zu treten.“ Dazu gehören etwa Gerhild Steinbuch, Ferdinand Schmalz und eben Stefanie Sargnagel, mit der bereits eine weitere Zusammenarbeit geplant ist.

Die Faszination für das Theater begann für Tscharyiski mit 11 Jahren, als sie bei einer Inszenierung des bulgarischen Regisseurs Dimiter Gotscheff am Akademietheater mitspielte: „Da bin ich das erste Mal mit dem Theater in Berührung gekommen. Ich wusste, das zieht mich an, da will ich hin.“ Obwohl sie aus einem kunstaffinen Elternhaus stammt und ihr Vater teilweise als Theaterfotograf tätig war, wurde ihr vom Künstler_innendasein eher abgeraten. „Es kann einen aber auch antreiben, gegen die elterliche Haltung anzugehen“, meint die Regisseurin. Die Arbeit mit dem Schauspielnachwuchs bringt ihr selbst neue Impulse für die Reflexion über die Theaterbranche, die sich in den letzten Jahren gewandelt hat: „Als ich angefangen habe Theater zu machen, war berufliche Selbstausbeutung noch stärker und starre, hierarchische Strukturen in hauptsächlich von Männern geleiteten Theatern noch üblicher. Ich merke, die jüngere Generation hat eine gesündere Einstellung zu sich selbst und zum Beruf. Hinterfragt wird, wie viel Selbstaufgabe die Kunst erfordert.“ Mittlerweile habe sich an den Theatern durch mehr Frauen in leitenden Positionen, Aufbrechen von Hierarchien und Stärkung des Teamgedanken vieles zum Positiven verändert. Mit den Studierenden thematisiert die Theatermacherin die Kraft des Kollektivs: „Ich habe den Eindruck, Theaterberufe sind nicht mehr so einzelkämpferisch, sondern dass es den Wunsch nach Zusammenschlüssen gibt. Gemeinsam kann man mehr bewegen.“ Aus ihren geistes- und sozialwissenschaftlichen Studien schöpft sie für ihre Arbeit mit den Studierenden: „Diskursives Denken habe ich an der Universität gelernt. – Offenbleiben, sich selbst hinterfragen und in der Gruppe diskutieren. Nicht auf einer Meinung oder Haltung zu beharren, ist wertvoll für die Theaterarbeit. Ich versuche den Studierenden Offenheit und Verständnis für unterschiedliche Perspektiven mitzugeben.“ Auf die Ergebnisse dieser Zusammenarbeit darf sich das Publikum im Schlosstheater Schönbrunn freuen.

Veranstaltungstipp:
Sonne, los jetzt! von Elfriede Jelinek
Premiere: 23. Mai 2024
24. & 25. Mai, 27. & 28. Juni 2024
jeweils 19 Uhr
Schlosstheater Schönbrunn, Schönbrunner Schlossstraße 47, 1130 Wien

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