Alles begann mit der Gründung des Ensembles Theater Brauhaus in Litschau, einer Gelegenheit für Studierende, während der Sommerpause des Max Reinhardt Seminars Theater zu spielen. Heute ist das nördliche Waldviertel bekannt für sein Schrammel.Klang.Festival  sowie das Theaterfestival Hin & Weg  und beherbergt sogar ein eigenes Theaterdorf. Initiator und künstlerischer Leiter ist Zeno Stanek, diplomierter Regie-Absolvent des Max Reinhardt Seminars und Alleskönner im Universum Theater.

© Hannah Ergott

Der Großteil seiner Familie mütterlicherseits war vom Theater geprägt, bereits sein Urgroßvater war Schauspieler und an vielen Ecken und Enden im Theater tätig. „Ich bin mit dem Theater aufgewachsen, und obwohl mein Vater Rechtsanwalt und meine Mutter Ärztin war, scheint der Hang zum Theatralen bei mir durchzuschlagen.“

Seine universitäre Ausbildung beginnt Zeno Stanek im Jahr 1990 mit Rechtswissenschaften, Theaterwissenschaften und Germanistik. Im Laufe des Studiums entdeckt er jedoch seine Leidenschaft für einen weiteren Aspekt der darstellenden Kunst. „Ich war in dieser Zeit sehr oft im Theater, habe mir manche Vorstellungen immer wieder angesehen und mich dann tatsächlich in das Gestalten verliebt.“

Ich brauche das Tun, das Gestalten. Deswegen bin ich Regisseur geworden.

1992 wird Zeno Stanek am Max Reinhardt Seminar, dem Institut für Schauspiel und Schauspielregie an der mdw, aufgenommen. Obwohl er sich als gebürtiger Wiener am Max Reinhardt Seminar gewissermaßen zu Hause fühlt, verändert sich sein Leben durch den Eintritt in die renommierte Schauspielschule von Grund auf. „Es war, wie einem Orden beizutreten – das sagte schon Max Reinhardt … Wir waren von früh bis spät am Seminar, sogar die Nächte haben wir eigentlich noch zusammen verbracht“, erinnert sich der vielseitige Theatermacher. Seine Erfahrungen am Max Reinhardt Seminar beschreibt er als lebensverändernd, spannend und lehrreich. Von einem Moment zum anderen dreht sich plötzlich alles ums Theater. „Es war, wie in eine andere Welt einzutreten, aber gleichzeitig auch eine neue familiäre und freundschaftliche Situation.“

Eingebettet in dieses kreative und freundschaftliche Umfeld, gründet Zeno Stanek mit Studienkolleg_innen verschiedener Schauspielschulen das Theater Brauhaus, ein Sommertheater im nördlichen Waldviertel. Auch Jahre später bleibt er dem Gebiet um den Herrensee treu. Zunächst mit dem Herrenseetheater Litschau und später mit der Gründung des Schrammel.Klang.Festivals, das heuer seine 15. Saison feiert. 2018 legt er das Erfolgskonzept „Schrammelklang“ aufs Theater um und gründet das Theaterfestival Hin &Weg. „Wir bringen dezidiert für die Bühne geschriebene Stücke in verschiedensten Formaten, von der szenischen Lesung bis hin zur großen Theaterproduktion. Und wir suchen neue Orte auf, mit möglichst geringem Bühnenbildaufwand, aber möglichst emotionalem Wert.“

Wenn Covid-19 etwas Gutes für die Kunst gebracht hat, dann das Bewusstsein dafür, dass wir sie brauchen.

Covid-19 stellt den engagierten Theatermacher vor große Herausforderungen. „Meine erste Reaktion auf die Pandemie war, dass wir auf jeden Fall spielen werden. Es ist ein Grundbedürfnis für die Zuschauer_innen, Kunst zu genießen; und aus Solidarität den Künstler_innen gegenüber war es wichtig, ihnen das Gefühl von Relevanz zu geben.“ Die Sommermonate sowie das weitläufige Gebiet in der Natur ermöglichen die Durchführung der Festivals. „Wir haben das Schrammel.Klang.Festival an fünf Wochenenden anstatt an einem gemacht und hatten insgesamt natürlich weniger Besucher_innen“, erinnert sich Stanek. „Es war sehr aufwendig, aber wir haben viel für die Zukunft gelernt.“

Das diesjährige Thema des Festivals „Mut und Vergänglichkeit“ liegt dem Intendanten besonders am Herzen. „Wir müssen den Mut haben, die Veränderungen, die die Zeit mit sich bringt, wahrzunehmen, zu nutzen und auch die vergänglichen Momente zu genießen.“ Ebendiesen Mut beweist Zeno Stanek in seinem nächsten Projekt, der Übernahme des wirtschaftlich angeschlagenen Hoteldorfs Königsleitn. Mit der Renovierung und Neuausrichtung möchte der Regisseur die Transparenz des Theaters erhöhen und neue Konzepte und Wege erarbeiten, um junge Menschen ans Theater heranzuführen. „Mir ist wichtig, dass die Menschen erfahren, was Theater bedeutet, dass es mit Wertschätzung und Respekt zu tun hat. Wir möchten Theater für alle erlebbar machen. Bei uns soll man tatsächlich in eine andere Welt eintauchen können.“

Sich von Kopf bis Fuß kostümieren am Fantasiedachboden. © Hannah Ergott

Neben dem herkömmlichen Urlaub bietet das neu konzipierte Theater- und Feriendorf verschiedenste Theaterkurse für alle Altersgruppen. Projektwochen sowie Feriencamps für Schüler_innen mit renommierten Pädagog_innen und professionellen Künstler_innen stehen für theatrales Erleben ohne Druck und ermöglichen dabei kreative Entfaltung. Auch Unternehmen möchte Zeno Stanek mit seinem Angebot ansprechen. „Nicht nur Schüler_innen können lernen, die Werkzeuge des Theaters für sich selbst zu nutzen. Unsere Seminare für Unternehmen geben Einblicke in die gestalterischen Möglichkeiten der Theaterkunst und dadurch Impulse für den Alltag. Sicheres Auftreten, die richtige Atmung oder eine Rede halten können, aber auch Mut und Vertrauen werden hier vermittelt.“

Die unterschiedlich großen Seminarräume im Theaterdorf stehen jedoch nicht nur für Kurse und Workshops zur Verfügung, sondern stellen zudem einen Probe- und Arbeitsort für Theaterensembles dar. „Wir haben die räumlichen und technischen Ressourcen, um nicht nur große Theaterensembles, sondern auch Filmteams unterzubringen. Und wir wollen viel mit Schauspielschulen zusammenarbeiten.“

Ich habe die Vision, dass Theater einmal zum Schulpflichtfach wird, so wie Musik oder Zeichnen.

Das Theaterdorf ist als ein Ort der Begegnung konzipiert. Professionelle Künstler_innen, Theaterinteressierte, Schüler_innen u. v. m. können hier voneinander lernen. „So wie beim Theaterfestival im Sommer, werden die Jungen von der Erfahrung der Älteren profitieren, und umgekehrt strahlen die Jungen eine unbändige Energie und Freude aus, die ansteckend ist.“

Die Seminarräume im Theater- und Feriendorf Königsleitn stehen nicht nur für Workshops und Theaterkurse zur Verfügung. Theaterensembles, Schulgruppen und Unternehmen finden hier die ideale Infrastruktur für Proben und Arbeitstreffen. © Christian Pfabigan

Herzstück des Theaterdorfs ist die ehemalige Tennishalle, in der aktuell das Proben- und Veranstaltungshaus Moment entsteht. Vier modular abtrennbare Räume, eine Kostümwerkstatt, ein Fotostudio mit Green Screen und ein Fantasiedachboden für Kostüme und Requisiten stehen den Dorfbewohner_innen ab dem Frühjahr 2022 zur Verfügung.

„Mit diesem Theaterdorf versuche ich meinen Bildungsbeitrag zu leisten, durch den dem Theater ein Wert gegeben wird, der über Unterhaltung hinausgeht. Ich habe die Vision, dass Theater einmal zum Schulpflichtfach wird, so wie Musik oder Zeichnen. Und ich hoffe sehr, dass möglichst viele Menschen den Mut finden, unser Angebot auszuprobieren.“

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