Von Beginn der Hip-Hop-Kultur in den 1970er Jahren an gestalteten Frauen diese heute weltumspannende Bewegung mit. Wenngleich in den Hip-Hop-Geschichtsschreibungen meist fast nur Männer im Zentrum stehen, spielten mit Silvia Robinson, Roxanne Shanté, Salt ’n’ Pepa, Lil Kim, Lauryn Hill, Missy Elliot, Nicky Minaj und Cardi B. (um nur einige wenige zu nennen) weibliche Hip-Hop-Schaffende stets eine wichtige Rolle in der Entwicklung der Kultur.

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Ähnlich verhält es sich mit der österreichischen Hip-Hop-Szene, weshalb in diesem Text Rapperinnen und ihre Geschichte ins Rampenlicht gerückt werden sollen. In Österreich etablierte sich zu Beginn der 1990er Jahre eine eigenständige Hip-Hop-Szene. Jedoch gab es damals lediglich auf der ersten und dritten Compilation des Labels Duck Squad (rund um die Gruppe Schönheitsfehler) namens Das Gelbe vom Ei jeweils einen Song, wo Rapperinnen (Speedy B. und Nora MC) als Teil einer Gruppe auftraten. Semmerl MC, die auf dem vierten Teil dieser Compilation-Reihe von 2001 vertreten war, war die erste Solo-Rapperin, die einen eigenen Song auf einem österreichischen Tonträger veröffentlichte.

2004 erschien mit Basslast Alltag meets the Unfunk Side of Hiphop von Mieze Medusa & Tenderboy die erste eigene Veröffentlichung einer österreichischen Rapperin. Mieze Medusa war auch die erste Rapperin, die 2007 den Protestsongcontest des Radiosenders FM4 mit ihrem Song Nicht meine Revolution (feat. Violetta Parisini) für sich entscheiden konnte. Dass zu dieser Zeit erstmals vermehrt Rapperinnen ins Rampenlicht traten, hatte vor allem mit der Gründung der ersten „all female MCs“-Rap-Gruppe des Landes, MTS (Multi Tasking Sisters), im Jahr 2008 zu tun. Die Rapperinnen BaghiRah, Oh’laek, Mag-D, Miss Def (heute Ms Def) und Nora MC (heute Nora Mazu), gemeinsam mit ihrem DJ Amin M, sahen sich nicht nur als Hip-Hop-Kollektiv, sondern auch als ein „Netzwerk, in dem alle Frauen, die sich mit Hip Hop identifizieren, etwas dazu beitragen können“ (BaghiRah zitiert nach Moser 2009: 17).

So machten in den folgenden Jahren Rapperinnen wie Bella Diablo, Yasmo, Queeen oder Mavi Phoenix (der sich mittlerweile als Transgender-Mann geoutet hat) auf sich und ihre Musik aufmerksam und ließen den Anteil an Frauen im österreichischen Hip-Hop weiterwachsen. Der nächste wichtige Schritt in diese Richtung war die Gründung des Labels und der Veranstaltungsreihe Femme DMC rund um die Produzentin und Rapperin Dacid Go8lin im Jahr 2015. Diese Veranstaltungsreihe bot Frauen aus den unterschiedlichen Bereichen der Hip-Hop-Kultur (Rap, DJ, Breakdance, Graffiti) eine Bühne, um „sich in einem sicheren Raum zu entfalten, zu stärken und sich gegenseitig zu unterstützen“ (Femme DMC o. J.). Mit der Gründung von Femme DMC sollte auch die „männerdominierte Hip-Hop-Szene“ aufgebrochen werden; und so wurde in den folgenden Jahren Rapperinnen wie Lady Ill-Ya, Zion Flex oder Xéna N.C. zu Auftrittsmöglichkeiten und mehr Aufmerksamkeit verholfen. Im Jahr 2018 wurde zudem mit Beatzarilla das erste heimische Label nur für Frauen gegründet, auf dem etwa Miss BunPun (ehemals Misses U) Musik zwischen Rap und Soul veröffentlicht.

2018 war die Rapperin und Poetry-Slammerin Yasmo gemeinsam mit ihrer Band Die Klangkantine als erste Frau in der Kategorie Hip-Hop/Urban bei den Austrian Music Awards nominiert. Dort performte sie nicht nur ihren Song Girls Wanna Have Fun, der (wie viele ihrer Songs) eine starke feministische Botschaft transportiert, sondern holte nach ihrem Auftritt alle an diesem Abend nominierten Frauen mit auf die Bühne, um ein Statement zu setzen (FM4 2018).

Yasmo war 2019 auch Teil der bislang größten Kollaboration von österreichischen Rapperinnen. Für den Song Mehr (2019) vereinte die Künstlerin Ms Def ihre Kolleginnen Mag-D, Yasmo, Lady Ill-Ya und Bella Diablo auf einem Track, mit dem sie 2019 den zweiten Platz beim FM4-Protestsongcontest belegten.

Aktueller Rap von Frauen in Österreich ist heute vielfältig und erfolgreich wie nie zuvor. Es finden sich in allen Hip-Hop-Subgenres Rapperinnen mit sehr unterschiedlichen Stilen und Inhalten. So fallen etwa das Geschwisterduo EsRap (bestehend aus der Rapperin Esra und dem Sänger Esmen) und die Rapperinnen Ms Def und Ebow vor allem durch ihre politischen Tracks auf. Auch in Spielarten wie dem Battle-Rap, bei dem misogyne Ausdrücke immer noch zum Standardrepertoire gehören (vgl. Volkman 2021), konnten sich Rapperinnen wie Queeen, Lady Ill-Ya, AliceD oder Samira Dezaki in Österreich einen Namen machen. Zugleich gibt es mit Spilif oder Yasmo auch Frauen, die genau auf das Gegenteil setzen und eine oftmals entspannt angelegte sowie gefühlvollere Variante von Hip-Hop-Musik produzieren. KeKe, Eli Preiss, Hunney Pimp oder das Duo Klitclique wiederum nutzen auf sehr unterschiedliche Weise die Cloud-Rap- sowie Trap-Ästhetik, um ihre sehr eigenständige Form von Hip-Hop zu verbreiten, bei der Gesangs- und Rap-Einlagen ineinanderfließen.

Was praktisch alle hier genannten Künstlerinnen eint, ist, dass in ihrem Schaffen ein verstärkter Fokus auf Themen wie Feminismus, Homosexualität, Transgender oder allgemein Gleichberechtigung auszumachen ist. Zwar gibt es auch vereinzelt Rapper/Gruppen wie Def Ill aus Österreich oder die Antilopen Gang in Deutschland, die in ihren Liedern solche Thematiken aufgreifen, aber diese stehen nie derart im Zentrum wie bei den genannten Kolleginnen. Durch Künstler_innen aus der LGBTQ-Community wie Kerosin95 oder Mavi Phoenix werden diese Themenbereiche, die bislang im Hip-Hop eher negativ behaftet waren oder außen vor gelassen wurden, stärker in den Vordergrund gerückt. Darauf genauer einzugehen wäre einen eigenen Artikel wert, würde jedoch bei diesem den Rahmen sprengen.

Wie diese überblicksmäßige Darstellung zeigt, ist das Schaffen österreichischer Rapperinnen vielfältig und setzt neue Akzente in der Hip-Hop-Szene z. B. durch den Fokus auf Feminismus und Gender – und sie werden immer mehr:

Wenn’s sein muass, kämpf i mehr als tausend Tog und tausend Nächte Für fairere Verhötnisse und Frauenrechte Ja, i wü ned sogn, es liegt an mei‘m Geschlecht Nur so vü is ned gerecht, wos i mecht, san andre Bilder in die Kepf Von Frauen, die gleich vü verdienen an Respekt und Göd Weil nu was föht, für a gerechte Wöd Und Stammtischparole hab i nur ane parat: Schuid san ned die Männer, sondern ’s Patriarchat.

Chorus
Wir wollen mehr, denn es läuft noch so viel verkehrt Wir sind mehr und wir geben nicht auf (Ms Def – Mehr feat. Mag-D, Lady Ill-Ya, Missses U, Bella Diablo, 2019).

Bibliografie

Dörfler, Frederik (2021). HipHop aus Österreich. Lokale Aspekte einer globalen Kultur. Bielefeld: Transcript Verlag (= zugl. Dissertation; Universität für Musik und darstellende Kunst Wien 2018).

Femme DMC (o.J.). „Herstory“. In: Facebook, https://www.facebook.com/pg/FEMMEDMC/about/?ref=page_internal (Zugriff: 1. 8. 2021)

FM4 (2018). „Girls just wanna have: fundamental rights!“. In: FM4 Online, http://fm4.orf.at/stories/2909673 (Version vom 27. 4. 2018, Zugriff: 1. 8. 2021).

Hafedh, Yasmin (2017). „Wie ist es als Frau?“ [Gastkommentar Yasmo]. In: The Message Magazine, https://themessagemagazine.at/gastkommentar-yasmo (Version von 17. 4. 2017, Zugriff: 1. 8. 2021).

Funk-Hennings, Erika (2011). „Gender, Sex und populäre Musik. Drei Fallbeispiele“. In: Thema Nr. 1: Sex und populäre Musik. Hg. v. Dietrich Helms und Thomas Phleps. Bielefeld: Transcript-Verlag, S. 97–111.

Mittelstraß, Ann-Kathrin (2020). „365XX: Ein Rap-Label nur für Frauen“. In: BR24, https://www.br.de/nachrichten/kultur/365xx-sexismus-im-hiphop-rap-label-nur-fuer-frauen-lina-burghausen,RsSYBsQ (Version vom 8. 3. 2020, Zugriff: 1. 8. 2021).

Moser, Nural (2009). „MTS“. In: The Message Magazine Nr. 35, S. 16f.

Ruge, Lili (2017). „Wir brauchen mehr HipHop-Feminismus in Deutschland“. In: BR, Puls Musik, https://www.br.de/puls/musik/aktuell/frauen-im-deutschrap-hiphop-feminismus-100.html (Version vom 12. 12. 2017, Zugriff 1. 8. 2021).

The Message Magazine Redaktion (2020). „#unhatewomen: Was eine Kampagne gegen Sexismus im Deutschrap auslöst“. In: The Message Magazine, https://themessagemagazine.at/unhatewomen-was-eine-kampagne-gegen-sexismus-im-deutschrap-ausloest (Version vom 3. 3. 2020, Zugriff: 1. 8. 2021).

Volkmann, Linus (2021): „How To: Wie geht eigentlich Battle-Rap.“ In: Musikexpress, https://www.musikexpress.de/how-to-wie-geht-eigentlich-battle-rap-1824505 (Version vom 09. 02. 2021, Zugriff: 1. 8. 2021).

Diskografie

Mag-D x Ms Def x Lady Ill-Ya x Yasmo x Misses U x Bella Diablo (2019). Mehr. Videosingle, https://www.youtube.com/watch?v=-zALFuVSbeY (Version vom 18. 1. 2019, Zugriff: 1. 8. 2021).

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