Johanna Mahaffy und Anton Widauer sind Studierende des 4. Jahrgangs am Max Reinhardt Seminar und stehen somit kurz vor ihrem Abschluss. Die coronabedingte Situation stellt sie vor große Herausforderungen in ihrer Ausbildung und bei der Jobsuche.

„Die außergewöhnliche Situation bringt meine Ausbildung am Max Reinhardt Seminar total durcheinander“, sagt Johanna Mahaffy. „Unser vierjähriges Studium wurde abrupt durch die Pandemie unterbrochen und hat uns allen gezeigt, wie schnell man plötzlich ohne Ausbildung, Arbeit und Ziele dastehen kann.“ Der Unterricht am Max Reinhardt Seminar wird seit Beginn der Krise, so gut es geht, auch online abgehalten. „Einerseits waren die Lehrenden sehr entgegenkommend, und digitaler Unterricht wurde teils geblockt angeboten, was für mich gut passt“, so Anton Widauer. Andererseits herrscht natürlich großes Verbesserungspotenzial – künftige Jahrgänge werden von den Erkenntnissen in der Durchführung der digitalen Lehre profitieren.

Johanna Mahaffy © Linda Rosa Saal

Die Theater können keine normale Spielsaison durchführen, Premieren werden laufend verschoben, bereits geprobte Stücke müssen nachgeholt werden, sobald die Theater wieder öffnen. Das bedeutet, dass die bereits engagierten Schauspieler_innen an ihren Theatern bleiben und sich kaum freie Stellen für Schauspielabsolvent_innen ergeben. „Mein Wunsch war und ist es, nach dem Max Reinhardt Seminar ein Fixengagement am Theater zu finden“, sagt Mahaffy. Jetzt müssen die Theaterleitungen aber umdenken. „Anfänger_innen an ein Theater zu holen, bedeutet auch zu wissen, dass diese spielen wollen, aber wenn alles nachgeholt werden muss, stehen die Absolvent_innen mit leeren Händen da“, so Mahaffy. Anton Widauer probte Anfang dieses Jahres Die Dreigroschenoper am Theater in der Josefstadt. Für ihn ist die Vorstellung, nach Abschluss des Max Reinhardt Seminars ohne Fixanstellung zu sein, nicht so dramatisch: „Ich gehe davon aus, in der nächsten Spielzeit frei Produktionen zu machen.“ Er hat zudem seine eigene Theatergruppe namens kollekTief, mit der er spielen kann – sofern es die Pandemie zulässt.

Eine besondere Herausforderung stellte für die Studierenden des 4. Jahrgangs das Absolvent_innenvorsprechen (AVO) dar, das letzten November aufgrund der Pandemie ohne Publikum aufgezeichnet werden musste. Das AVO ist ein zentral organisiertes Vorsprechen, bei dem Schauspielabsolvent_innen deutschsprachiger Ausbildungsstätten die Möglichkeit haben, sich auf der Bühne mit Szenen und Monologen dem Fachpublikum zu präsentieren. Intendant_innen und Regisseur_innen werden so auf die Studierenden aufmerksam und laden einige von ihnen zu Vorsprechen an die jeweiligen Theater ein. Für die Studierenden war das digitale AVO sehr fordernd. „Das Online-AVO war für mich und einige meiner Mitstudierenden die wohl traurigste Möglichkeit, sich bei den Theatern vorzustellen. Wir hatten zwei Wochen Proben, und an einem Tag wurden dann alle Szenen und Monologe hintereinander abgefilmt. Ich hätte mir niemals vorstellen können, mein Schauspielstudium so abzuschließen“, erzählt Mahaffy. „Den Zauber der realen Begegnung im Theater kann man durch die Kamera nicht herstellen und einfangen. Das ist nicht wie beim Film, der mit ganz anderen Mitteln funktioniert.“ Jedoch räumt sie ein, dass die Erfahrung mit Kameras auf der Bühne sehr wichtig für sie war, da im Theater auch öfter live mitgefilmt wird und das auf der Bühne als stilistisches Mittel benutzt wird. „Vielleicht bekommt das Online-AVO auch mehr Reichweite, da jedes Theater Zugriff hat. Dadurch wurde zum Beispiel ein Intendant auf mich aufmerksam, der mich davor wahrscheinlich nie gesehen hätte“, so Mahaffy. Für Anton Widauer war die Zeit rund um das AVO die schwierigste im Studium. Das AVO fiel zeitlich in den Lockdown von November, damit einhergehend gab es verkürzte Öffnungszeiten an der mdw und dadurch weniger Probenzeit für das AVO, weniger direkte Betreuung durch die Lehrenden, da weniger Personen gleichzeitig vor Ort sein durften, und allgemeine Verunsicherung aufgrund der Covid-Verordnungen. „Für die Kamera muss man anders spielen als in einer Theateraufführung. Es gab die Hoffnung, dass die Aufzeichnung nur der Plan B ist und eine reale Präsentation für das Fachpublikum später stattfinden kann“, sagt Widauer. Diese Hoffnung hat sich aber nicht erfüllt. „Für diesen Jahrgang wünsche ich mir, dass die Theaterleitungen in der nächsten Spielzeit offen genug sind, auch die diesjährigen Absolvent_innen in Betracht zu ziehen, weil diese sonst auf der Strecke bleiben“, hofft Widauer. Auch Reisebeschränkungen erschweren die Chancen auf Vorsprechen. „Es gab auch die Situation, dass ich zu einem Vorsprechen nach Deutschland eingeladen wurde, aber die Reise mit all den Einreisebestimmungen und anschließender Quarantäne nicht möglich war und ich schließlich auf diese Chance verzichten musste“, erzählt Mahaffy. Die Situation stellt jede_n vor große Herausforderungen in der Bewältigung. „Antriebslosigkeit macht sich breit. Man muss wissen, wofür man etwas macht. Auf Bewerbungen werden höfliche, aber abschlägige Antworten geschickt. Das geht allen Absolvent_innen so, auch in anderen Studienrichtungen und auch den Lehrlingen“, sagt Widauer. In diesem Zusammenhang appelliert er an Entscheidungsträger_innen: „Es ist wichtig, die Jungen und die Zukunft in den jeweiligen Berufsgruppen nicht zu vergessen. Ansonsten fragt man sich in einigen Jahren, wo diese Generation geblieben ist, weil sie aufgrund der Krise und der fehlenden Resonanz auf ihr Tun aufgegeben hat.“

Anton Widauer © Linda Rosa Saal

„Ich versuche trotz dieser Situation mit all den Enttäuschungen und Absagen stets positiv zu bleiben, weil ich weiß, dass ich gegen diese Pandemie nicht ankämpfen kann. Wir sind gezwungen, uns mit dem Hier und Jetzt zu befassen und einen Gang runterzufahren. Insofern reflektiere ich gerne auch die ‚Vorteile‘ dieser Zeit. Ich habe zum Beispiel wieder zu malen begonnen und gebe mich auch wieder der Musik hin“, sieht Johanna Mahaffy auch etwas Positives. Durch die Krise bedingte Lerneffekte für das Studium und die Theaterarbeit erkennt auch Anton Widauer: „Man lernt, als Kunstschaffender flexibel zu sein. Das Schauspielstudium sollte krisenfester werden. In dem Zusammenhang erscheint es mir auch wichtig, über alternative Theaterformen und breitere Interaktionsformen mit dem Publikum nachzudenken“, meint Widauer. Die beiden Studierenden haben Wünsche für ihre Zukunft. Johanna Mahaffy: „Ich wünsche mir einen Ort, an dem ich gemeinsam mit einem Ensemble relevantes Theater machen darf, mich ausprobieren kann und viel mehr der Arbeitsprozess als das Endprodukt Bedeutung hat. Ich würde gerne weiter im Film und Fernsehen spielen, was tatsächlich in der Corona-Zeit möglich war. Am wichtigsten ist mir aber, dass ich glücklich und mir meiner Privilegien bewusst bin und nun noch mehr schätze, dass ich im ‚Normalfall‘ einem Beruf nachgehen kann, der mich so erfüllt.“ Anton Widauer: „Durch die Pandemie habe ich noch mehr erkannt, dass ich im Theater meine Heimat finden werde.“ Sobald die Theater wieder eine Aussicht auf Spielbetrieb haben, wird auch sofort die Motivation bei allen Beteiligten zurückkehren, glaubt er. „Ich hatte ein Telefonat mit einer Bühnenbildnerin über ein vorgesehenes Projekt im Sommer. Alleine das Sprechen darüber und das Spüren der geteilten Leidenschaft für das Theater haben mich schon irrsinnig froh gestimmt“, erzählt Widauer.

In diesem Sinne darf man auf die baldige Rückkehr auf die Bühnen hoffen, um das Talent und die Spielfreude der diesjährigen Absolvent_innen zu bewundern – und ihnen die Resonanz auf ihr Können zuteilwerden zu lassen, die sie verdienen.

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