Vor 50 Jahren, am 21. Jänner 1970, wurde das Kunsthochschul-Organisationsgesetz (KHOG) vom Nationalrat verabschiedet, durch das die Akademien für Musik und darstellende Kunst in Graz, Salzburg und Wien sowie die Akademie für angewandte Kunst in Wien zu Hochschulen erhoben wurden.
Wurzeln im 19. Jahrhundert

Die im Laufe des 19. Jahrhunderts in Europa entstandenen Konservatorien bildeten eine heterogene Gruppe von Lehranstalten, über deren Aufgaben und Ziele es unterschiedlichste Vorstellungen gab. Der darüber geführte Diskurs, an dem sich zahlreiche Persönlichkeiten des Musiklebens beteiligten, begleitete die Institutionsgeschichte, wobei viele Ideen und Gedanken spätere Entwicklungen vorwegnahmen.

„Hochschule für die Tonkunst soll nicht nur die ‚hohe Schule‘ für praktische Musiker und Virtuosen sein, sie muss in dem uns geläufigen Begriffe eine ‚Universität‘ für die Musiker sein, allerdings noch ein unerhörter Begriff, aber für die Kunst gleichberechtigt wie für die Wissenschaft.“ (Musikalisches Wochenblatt, 4. 3. 1870, 146.)

So visionär sprach sich 1870 Julius Alsleben in Deutschland für die Errichtung von Hochschulen aus, wobei sich die von ihm vorgeschlagene Organisationsform an jener der Universitäten orientierte – als staatliche Institution, geleitet durch vom Lehrkörper gewählte Funktionär_innen. Alsleben erwartete von einer Hochschule „den freiesten musikalischen Standpunct, Anerkennung und Lehre Alles dessen, was wissenschaftlich gerechtfertigt werden kann (denn nur wenn die Hochschule nach allen Beziehungen hin den Höhepunkt der Kunst auch der Gegenwart vertritt, verdient sie ihren Namen), aber sie darf nicht zum Herd der Parteileidenschaft werden“. (Musikalisches Wochenblatt, 22. 4. 1870, 258.)

Schul-Programm für 1868/69, veröffentlicht in Signale für die musikalische Welt © ÖNB/ANNO

Als zu Beginn des Jahres 1870 die Gesellschaft der Musikfreunde in Wien das Musikvereinsgebäude eröffnete, verfügte damit auch das von ihr gegründete Konservatorium – die heutige mdw – endlich über adäquate Räumlichkeiten. Auch organisatorisch war das Konservatorium zuvor mit dem Grundverfassungs-Statut von 1869 neu aufgestellt worden, das den „vollständigen Unterricht in allen Zweigen der Musik als Kunst und Wissenschaft“ festschrieb. Bemerkenswert ist, dass bereits das „Schul-Programm“ für 1868/69 eine Zweiteilung in eine Elementar- und eine „Hochschule“ vorsah.

Dies entsprach zum damaligen Zeitpunkt – 100 Jahre vor dem Inkrafttreten des KHOG – mehr einem Wunschdenken als der Wirklichkeit, doch war – trotz aller finanzieller Schwierigkeiten, die die Führung des Konservatoriums für die private Organisation mit sich brachte – zumindest ein Ziel gesteckt.

Ein kurzer Hochschultraum: die Fach-Hochschule von 1924 bis 1931

Die Verstaatlichung des Konservatoriums 1909 und die damit einhergehende Umwandlung zur Akademie für Musik und darstellende Kunst hatten für das Haus nicht nur einen einschneidenden organisatorischen Wandel zur Folge, ebenso gewann die Diskussion um eine Hochschule wieder an Bedeutung. Infolge des Zusammenbruchs der Habsburgermonarchie wurde auch die mdw vom Geist der Demokratisierung erfasst und es mehrten sich die Stimmen nach einer „hochschulmäßigeren“ Leitung, womit eine stärkere Einbindung des Lehrkörpers in Führungsfragen gemeint war.

1924 kam es zur Errichtung der Fach-Hochschule für Musik und darstellende Kunst. Damit wurde die Akademie jedoch nicht in den Hochschulrang erhoben, sondern durch Abspaltung der höheren Ausbildungsjahrgänge eine zusätzliche Institution gegründet. Während sich der erste Rektor Joseph Marx stolz über die neugewonnene akademische Freiheit und demokratische Selbstbestimmung des Lehrkörpers zeigte, offenbarten sich sehr bald die strukturellen Schwächen dieses personell und organisatorisch aufs Engste verflochtenen Konstrukts zweier unter einem Dach vereinten, aber vom Anspruch her unterschiedlichen Institute.

Unklare Strukturen, daraus resultierende Kompetenzstreitigkeiten sowie politisch-ideologische Grabenkämpfe führten in der Folge zu einer tiefen Spaltung des Hauses. Dies begünstigte eine zunehmende politische Einflussnahme seitens des Unterrichtsministeriums, die mit einem kontinuierlichen Verlust der Autonomie beider Institute einherging. Innerhalb weniger Jahre war der Hochschultraum zu Ende, 1931 wurde die Hochschule aufgelöst und wieder in die Akademie eingegliedert.

Verloren gegangene Rektorskette der Fachhochschule © mdw-Archiv
Die Hochschulwerdung 1970

Nach einem kurzen Intermezzo als nationalsozialistische Reichshochschule (1941 bis 1945) wurde die mdw nach Kriegsende wieder als präsidial geführte (Staats-)Akademie eingerichtet. Im Laufe der Zeit entwickelte sich der Status der Institution zu einer immer virulenteren Frage im Studienalltag, vor allem weil die künstlerische Ausbildung bis zur höchsten Stufe angeboten wurde. Damit verfügte die Akademie de facto über den Charakter einer Hochschule – ein Anspruch, den sie mit der Gründung wissenschaftlicher Institute und Sonderlehrgänge festigte.

Neben der Ungleichheit von Hochschulen und Akademien bestand außerdem in einigen Punkten Rechtsunsicherheit, da die Gesetzgebung die Akademien in Teilbereichen des Studienrechts wie Hochschulen behandelte (z. B.: beim Hochschülerschaftsgesetz oder dem Studienbeihilfengesetz). In den 1960er-Jahren kam es deswegen zur Zuerkennung hochschulähnlicher Rechte, wie das Tragen einer Amtskette, und zur Einrichtung einer Arbeitsgruppe, die mit der Ausarbeitung eines Kunsthochschulgesetzes beauftragt wurde.

Programm der Inaugurationsfeier von Rektor Pirckmayer © mdw-Archiv

Im Herbst 1969 wurde der Gesetzesentwurf im Nationalrat eingebracht, im Jänner 1970 verabschiedete das Hohe Haus das Kunsthochschul-Organisationsgesetz (BGBl. 54/1970). Zentraler Grundsatz des KHOG war die rechtliche Gleichstellung von Kunst und Wissenschaft. An den neuen Kunsthochschulen hielt autonome Selbstverwaltung Einzug. Insgesamt brachte das KHOG einen Demokratisierungsschub, der sich vor allem in der Einbindung der Studierenden und des akademischen Mittelbaus in Entscheidungsprozesse widerspiegelte. 1971 traten die ersten von den Hochschulen selbst gewählten Rektoren anstelle der zuvor vom Ministerium bestellten Präsidenten ihre Ämter an: Rektor der mdw wurde Georg Pirckmayer.

Buchtipp

2021 erscheint bei Hollitzer ein von den Archiven der Kunstuniversität Graz, des Mozarteums Salzburg und der mdw herausgegebener Band zum 50-jährigen Jubiläum des Kunsthochschul-Organisationsgesetzes

mdw.ac.at/arc

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