Der Druck auf Pop/Musik/Forscher_innen und -Pädagog_innen, die sich in ihrer Arbeit kritisch mit Rechtspopulismus und Rechtsextremismus befassen, ist hoch. Beschimpfungen und Verleumdungskampagnen in „sozialen“ Netzwerken, Hassmails, Klageandrohungen und Störungen im Unterricht sind gängige Strategien der Einschüchterung. Die mdw stärkt couragierten Wissenschaftler_innen und Pädagog_innen mit einem Workshop den Rücken.

Im Februar dieses Jahres kritisierte der renommierte Bielefelder Soziologe Wilhelm Heitmeyer in einem Interview, das er dem Deutschlandfunk gab, einen zu laxen und häufig wenig souveränen Umgang vieler Hochschulen und Universitäten mit rechtspopulistischen und rechtsextremen Tendenzen. Grosso modo nehmen viele Verantwortliche die gegenwärtigen „autoritären Versuchungen in der Gesellschaft offensichtlich nicht ernst“1, so seine Diagnose. Dies ist nicht zuletzt deshalb problematisch, so Heitmeyer, weil der aktuelle „autoritäre Nationalradikalismus auf die Institutionen dieser Gesellschaft“2 abzielt – also eine Destabilisierung von Bildungseinrichtungen wie Schulen, (Fach-)Hochschulen und Universitäten im Sinne hat. Dass diese Strategie zum Teil bereits Früchte trägt, zeigt sich etwa in der Konjunktur, die „alternative Fakten“ seit einigen Jahren erleben (nicht umsonst kürte die Gesellschaft für deutsche Sprache den Begriff „postfaktisch“ 2016 zum Wort des Jahres) und in einer damit verbundenen, zunehmend spürbar werdenden Intellektuellen- und Wissenschaftsfeindlichkeit. In der konkreten Forschungs- und Lehrpraxis lassen sich gerade unter Studierenden und Doktorand_innen Unsicherheiten ausmachen. – Kann man heute eigentlich noch zu musikpolitischen Themen arbeiten, ohne sich psychisch und finanziell schwer zu beschädigen? „Was mache ich denn, wenn mich nun eine Band oder ein Konzertveranstalter klagt, weil ich in meiner Studie zu dem Schluss komme, diese Gruppe, die da auftritt, propagiert rechtes Gedankengut?“, ist eine häufig gestellte Frage. Nachsatz einer Studentin: „Ich bin ja nicht Matthias Naske!“3

Tatsächlich sind Menschen, die sich in Forschung und Lehre mit Rechtsextremismus und mit rechtspopulistischen Tendenzen in der Vergangenheit und/oder Gegenwartskultur auseinandersetzen, ihre Erkenntnisse in die Öffentlichkeit transferieren und kritisch an den entsprechenden gesellschaftlichen Debatten teilnehmen, in letzter Zeit vermehrt mit außerordentlichen Belastungen konfrontiert, die sie selten offen verbalisieren können und mit welchen sie dennoch im Alltag zurechtkommen müssen. Kritische Personen sollen mundtot gemacht werden. Dies betrifft selbstverständlich auch Forschende und Lehrende im Feld der Musik, und zwar in zunehmendem Maße.

Das hat zum einen mit dem gegenwärtigen politischen Klima zu tun – Forschen und Lehren unter verschärften gesellschaftspolitischen Bedingungen sozusagen. Zum anderen evozieren diese Bedingungen – und dies ist die erfreuliche Nachricht – langsam aber sicher Gegenwehr: Aktuell lässt sich eine vergleichsweise starke Hinwendung der Musikforschung, insbesondere der Popular Music Studies, zu aktuellen gesellschaftspolitischen Entwicklungen und Fragestellungen konstatieren. So widmete beispielsweise die Österreichische Musikzeitschrift dem Thema „Musik in Zeiten des Populismus 2017“ ein eigenes Heft.4 Die Gesellschaft für Popularmusikforschung e. V. wird im ­November 2019 unter dem Titel One Nation under a Groove – ‚Nation‘ als Kategorie populärer Musik? an der Johannes Gutenberg-­Universität Mainz tagen und damit populäre Musiken auf (imaginierte) Konstruktionen von Nation(en) kritisch befragen. Und Mario Dunkel von der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg erforscht aktuell in einem Großprojekt gemeinsam mit Kolleg_innen aus Italien, den Niederlanden, Österreich und Ungarn, welche Rolle populärer Musik bei der massenhaften Verbreitung und Verankerung rechtspopulistischer Ideen zukommt – eine Idee, die die (private) Volkswagen-Stiftung mit knapp einer Million Euro fördert.5

Couragierte Schritte wie diese gilt es institutionell zu unterstützen. Heitmeyer tritt vehement für strukturelle Lehr-, Weiterbildungs- und Informationsangebote ein, die Hochschulen und Universitäten ihren Angehörigen möglichst dauerhaft zur Verfügung stellen sollten.6 Die mdw als eine Universität für Musik und darstellende Kunst, an der aktuell über 4.000 Menschen aus mehr als 70 Ländern studieren, lehren, lernen, arbeiten und forschen, versteht sich als ein Ort der offenen, neugierigen Begegnung, der transkulturellen Kooperation und des respektvollen Umgangs miteinander.

Um mutigen Forscher_innen (egal, in welchem Qualifikationsstadium) und Pädagog_innen den Rücken zu stärken, bietet das Zentrum für Weiterbildung der mdw in Kooperation mit der hmdw und mit der International Association for the Study of Popular Music – German Speaking Branch (IASPM-D-A-CH) im Oktober dieses Jahres einen Workshop unter dem Titel Positionen! Kompetent umgehen mit rechtspopulistischen und -extremen Provokationen an. In diesem Workshop haben die Kursteilnehmer_innen die Möglichkeit, sich in einem geschützten Rahmen über ihre Erfahrungen auszutauschen. Darüber hinaus werden zwei geladene Rechtsextremismus-Expert_innen Strategien vermitteln, die es den Kursteilnehmer_innen erlauben, auf verbale Angriffe und Provokationen besonnen und kompetent zu reagieren. Eine juristische Beratung informiert außerdem darüber, ob und in welchem Umfang Angehörige von Universitäten im Falle einer Klage juristischen Schutz genießen bzw. ob individuelle juristische Vorkehrungen Sinn machen, sofern man im Feld des Rechtsextremismus und Rechtspopulismus lehrt und forscht (oder dies vorhat). POP/ULIS/MUS/IK/FORSCHUNG? Nur Mut!

Workshop: Positionen! Kompetent umgehen mit rechtspopulistischen und -extremen Provokationen

Fußnoten

  1. Deutschlandfunk: „Rechte Bewegungen an Hochschulen. Universitäten nehmen die Situation nicht ernst“. Wilhelm Heitmeyer im Interview mit Benedikt Schulz. Sendung vom 6. 2. 2019. Online: https://www.deutschlandfunk.de/rechte-bewegungen-an-hochschulen-universitaeten-nehmen-die.680.de.html?dram:article_id=440346 (Abfrage: 10. 7. 2019).
  2. Ebd.
  3. Der derzeitige Leiter des Konzerthauses Wien, Matthias Naske, hatte in einem Interview, das er Judith Hecht von der Zeitung Die Presse im Mai 2017 gab, gesagt, er halte Andreas Gabaliers Auftritt im Goldenen Saal des Wiener Musikvereins im April desselben Jahres für einen „Fehler“, „[w]eil das Signale sind. Man muss wissen, wer Gabalier ist, wofür er steht, und dann abwägen“ (online: https://diepresse.com/home/wirtschaft/uebergeld/5213660/KonzerthausChef-Naske_Man-muss-wissen-wofuer-Gabalier-steht, Abfrage: 11. 7. 2019). Naske erhielt daraufhin nicht nur eine anonyme Morddrohung (vgl. https://diepresse.com/home/kultur/medien/5229863/GabalierKlage_Morddrohung-gegen-Naske), sondern Gabalier klagte Naske auf seine Aussagen hin durch drei Instanzen – wenn auch erfolglos (vgl. z. B.: https://diepresse.com/home/kultur/popco/5378258/Hymne-MachoSprueche_Gabalier-verliert-Prozess-weil-er-selbst-oft, Abfrage: 11. 7. 2019).
  4.  Europäische Musikforschungsvereinigung Wien (Hg.): „Great again? Musik in Zeiten des Populismus“. Österreichische Musikzeitschrift, Jahrgang 72, Heft 6, 2017. Wien: Hollitzer.
  5. Nähere Informationen zum Projekt z. B. unter https://uol.de/news-detail/wenn-musik-politisch-wird-2441/ (Abfrage: 18. 7. 2019).
  6. Vgl. Endnote 1.

 

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