Eine Masterarbeit am Institut für Kulturmanagement und Gender Studies (IKM) der mdw ist geschlechtergerechter Sprache in Kulturbetrieben nachgegangen

Am „Gendern“ scheiden sich die Geister. Für die einen ist es der Untergang des Abendlands, für die anderen schon längst sprachliche Normalität. Aber was sind die wissenschaftlichen Grundlagen der geschlechtergerechten Sprache bzw. gibt es sie überhaupt oder ist alles reine Theorie, wie Gegner_innen gerne behaupten?

Eines vorweg: Geschlechtergerechte Sprache steht auf soliden empirischen Beinen. In der Theorie seit Ende der 1970er-Jahre diskutiert, beweisen spätestens seit den 1990er-Jahren Dutzende Studien, dass „mitmeinen“ nicht funktioniert: Männliche Sprachformen lassen an Männer denken (Irmen/Linner 2005 geben einen Überblick). Gegenargumente bemühen oft das „Sprachsystem“, das nicht diskriminierend sein könnte, und lassen sich im Wesentlichen auf die Evergreens „Genus ist nicht Sexus“ und „das generische Maskulinum bezieht sich seit jeher auf beide (alle) Geschlechter“ zusammenfassen. Diese beiden Argumente wollen wir uns kurz anschauen.

Genus & Sexus: Die toughe Lampe

Genus bezeichnet das grammatische Geschlecht: Der Tisch ist männlich, die Lampe ist weiblich. Die Überlegung, dass der Tisch daher grundsätzlich tougher als die Lampe sei, war vor allem im 18. und 19. Jahrhundert sehr schick, mutet heute aber etwas seltsam an. Es gibt auch Studien, die nahelegen, dass Gegenstände je nach ihrem Genus unterschiedlich wahrgenommen werden (z. B. Boroditsky/Schmidt/Phillips 2003), darum geht es aber bei der gendergerechten Sprache nicht. Hier geht es um Personenbezeichnungen.

Bei Personenbezeichnungen, vor allem Berufsbezeichnungen, entspricht das Genus in der Regel dem Geschlecht der bezeichneten Person, auch wenn es Ausnahmen gibt, wie die Koryphäe, der Vamp etc. Bei substantivierten Adjektiven (z. B. die/der Verdächtige) ist das Genus sogar das einzige Merkmal, an dem wir männliche und weibliche Bezeichnungen unterscheiden können. Die Behauptung, dass grammatisches und biologisches Geschlecht im Deutschen nichts miteinander zu tun hätten, trifft also für Personenbezeichnungen schlicht nicht zu: Männer können keine Krankenschwestern oder Hebammen werden – für sie wurden die Bezeichnungen Krankenpfleger und Geburtshelfer eingeführt –, umgekehrt ist es weder üblich noch grammatikalisch korrekt, zwei Frauen als zwei Ärzte zu bezeichnen.

Das Problem des Maskulinums: Wer ist (mit-)gemeint?

Womit wir zum zweiten Argument kommen: Das Maskulinum sei „generisch“, d. h. es könne gleichermaßen für Männer oder Frauen stehen, und das wäre schon immer so gewesen. Die kurze Antwort dazu ist: Nein! Wenn im 19. Jahrhundert in einem Gesetz stand, jeder Bürger könne ein Amt antreten, waren Frauen nicht automatisch mitgemeint. Noch 1912 sinnierte Karl Kraus in der Fackel, ob sich „jeder“ auf eine Frau beziehen könnte und kam zu dem Schluss: „‚Jeder‘ kann sich tatsächlich auch auf Frauen beziehen; aber das eben sollte sie in Harnisch bringen, dass die Sprache zur Bezeichnung einer Allgemeinheit das Maskulinum gewählt hat.“

Genau diese Uneindeutigkeit ist das große Problem des Maskulinums. Wenn wir zum Beispiel im 21. Jahrhundert einen Text aus dem 20. Jahrhundert über ein Ereignis des 19. Jahrhunderts lesen, brauchen wir viel Hintergrundwissen. Geht es etwa um die Revolution 1848 und die „Studenten und Arbeiter“, müssen wir wissen, dass Frauen in Wien nicht zum Studium zugelassen waren, aber dass es sehr wohl Arbeiterinnen gab. Wir müssen zudem wissen, dass es in der Zeit, in der der Text verfasst wurde, nicht üblich war, Frauen sprachlich zu repräsentieren. Verfügen wir über eines dieser Puzzlesteine nicht, können wir den Text selbst mit größter Anstrengung nicht korrekt entschlüsseln. Das Maskulinum ist also schlecht dazu geeignet, Fakten eindeutig wiederzugeben.

Umsetzung in Kulturbetrieben

Für die Masterarbeit wurden drei Wiener Museen untersucht, die in der einen oder anderen Form „die Welt abbilden“ und daher besonders interessant in Bezug auf Personenbezeichnungen sind: das Wien Museum, das Volkskundemuseum Wien und das Weltmuseum Wien.

Alle drei Museen verwenden gendersensible Anreden in der Kommunikation mit Kund_innen. Das trifft sich mit einer These von Magnus Pettersson, die auch im unten genannten Duden-Band diskutiert wird: Je konkreter die Person oder Personengruppe ist, über die gesprochen wird, umso eher wird geschlechtergerecht formuliert, je allgemeiner über Personen gesprochen wird, umso weniger. Das wird spezifische versus generische/klassenbezogene Referenz genannt. Auch Nähe und Distanz spielen dabei eine Rolle.

Eine weitere Gemeinsamkeit der Museen ist, dass in den Sonderausstellungen geschlechtergerecht formuliert wird, in den Dauerausstellungen aber nicht. Interessanterweise hat das nicht nur etwas mit der Entstehungszeit der Dauerausstellungen zu tun, auch im neu eröffneten Weltmuseum Wien wurden die permanenten Texte im Maskulinum formuliert, während die temporären (Website, Sonderausstellungen) gendergerecht formuliert sind.

Diese Zurückhaltung, sich sprachlich festzulegen, wird oft damit begründet, dass geschlechtergerechte Sprache nicht offiziell normiert ist. Der Rat für deutsche Rechtschreibung beschäftigt sich aber gerade mit geschlechtergerechter Sprache und hat im Juni 2018 angekündigt, Empfehlungen an staatliche Stellen vorzubereiten.

Dass sich der Rat damit befasst, ist bedeutsam. Es zeigt: Die Sprache ist in Bewegung und es gibt kein Zurück zu einer imaginierten „guten alten Zeit“, bevor die Feminist_innen die Sprache so „verkompliziert“ hätten. Denn eine Zeit, in der alle Geschlechter gleichberechtigt sind, geht mit dem Maskulinum als alles umfassende sprachliche Norm einfach nicht zusammen.

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