Schon am ersten Tag des Jubiläumsjahres wurde der heute weltbekannte Komponist beim Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker mit der Aufführung einer Orchestrierung seiner Quadrille, WAB 121 gewürdigt. Der am 4. September 1824 geborene große Sinfoniker hat viele Jahre an der Vorgänger-Institution der mdw unterrichtet und wird anlässlich seines 200. Geburtstages 2024 auch an der mdw besonders präsent sein, wenn das nach ihm benannte Anton Bruckner Institut für Chor- und Ensembleleitung sowie Tonsatz in der Musikpädagogik seinen Namensgeber mit einem umfassenden Programm ehrt.

© ÖNB Wien Pf 373:B(1) (Anton Bruckner)

Anton Bruckner wurde schon früh gleichermaßen pädagogisch wie musikalisch geprägt. Bereits Vater und Großvater waren als Landschullehrer in Oberösterreich tätig, und Anton Bruckner folgte ihnen in diesem Beruf nach. Das Amt des Landschullehrers im 19. Jahrhundert umfasste auch kirchenmusikalische Tätigkeiten, wodurch die Leidenschaft für die Musik bei Bruckner bereits früh entfacht wurde. Nach verschiedenen Ausbildungsstationen – wie etwa als Sängerknabe im Augustiner-Chorherrenstift St. Florian – wurde er im Jahr 1841 Schulgehilfe in Windhaag bei Freistadt und begann nach bestandener Lehrerprüfung selbst zu unterrichten. Nach dem Abschluss von Weiterbildungskursen erlangte er die Unterrichtsberechtigung auch an höheren Schulen. Seine eigentliche und ständig wachsende Faszination galt aber der Musik und ihrer Komposition und Improvisation. Zahlreiche frühe Werke, wie etwa die Windhaager Messe aus dem Jahr 1842 belegen schon früh Bruckners Schaffensdrang. Im Jahr 1868 übersiedelte Bruckner schließlich nach Wien und unterrichtete ab Herbst am Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde, der Vorgänger-Institution der heutigen mdw. Im selben Jahr erfolgte auch die Erstaufführung seiner 1. Sinfonie, WAB 101 im Redoutensaal in Linz, die Akzeptanz seiner Musik blieb ihm im von Johannes Brahms und Eduard Hanslick dominierten musikalischen Wien allerdings lange Zeit versagt. Ab 1875 trat er eine vorerst unbesoldete Stelle als Lektor für Harmonielehre und Kontrapunkt an der Universität Wien an.1 Am Konservatorium lehrte Bruckner angehende Musiker_innen, an der Universität Wien hingegen Studierende, die kein musiktheoretisches Wissen hatten, und er passte in seinen Vorlesungen die Vermittlung derselben Inhalte entsprechend den Kenntnissen der Studierenden an. Er unterrichtete darüber hinaus auch weiterhin Privatschüler_innen.2

Das Spannungsfeld zwischen Lehren und Studieren lässt sich in vielerlei Hinsicht in Bruckners künstlerischem Lebenslauf erkennen. Seine Lernerfahrung beim Dirigenten Otto Kitzler und dem Musiktheoretiker Simon Sechter prägten seinen Unterrichtsstil nachhaltig: „Stets blieb der jeweilige Lehrer für Bruckner eine Autorität, der man sich zu fügen hatte“3, erörtert etwa Thomas Leibnitz Bruckners Beziehung zu seinen Lehrern. Diesen „Gehorsam“ forderte er wohl auch von seinen eigenen Studierenden ein, trotz eines engen und vertrauten Verhältnisses, das über Jahre bestehen blieb. Bruckners genialischer Lieblingsschüler Hans Rott, ein enger Freund Gustav Mahlers, wurde wie sein Lehrer vom akademischen Establishment nicht anerkannt und endete leider frühzeitig und tragisch in einer psychiatrischen Anstalt. Zu Bruckners bekanntesten Schüler_innen, die auch an Uraufführungen und der Verbreitung seiner Werke beteiligt waren, zählen unter anderem die Brüder Joseph und Franz Schalk, Ferdinand Löwe oder etwa Friedrich Klose. Vor allem dem Einsatz seiner Schüler_innen ist es zu verdanken, dass Bruckners Werke über die Grenzen Wiens hinweg aufgeführt und bekannt werden konnten. Allerdings bleibt auch hier eine Spannung bestehen: Auch wenn Bruckner immer wieder selbst Rat bei seinen Schüler_innen einholte, so „überarbeiteten“ etwa die Brüder Schalk Werke vor Uraufführungen zum Teil auch ohne Rücksprache mit dem Komponisten. Die Originalfassung Bruckners 5. Sinfonie in B-Dur, WAB 105 wurde beispielsweise erst in den 1930er-Jahren wiederentdeckt.4

„Bruckners Werke sind geprägt von den Lebenswelten des 19. Jahrhunderts, die er durchschritt: vom oberösterreichischen Dorf über die wachsende Landeshauptstadt Linz in die Metropolen Europas; vom Dorfschulhaus über die Lehrbildungsanstalt an das Konservatorium und die Universität […]“.5 Die Wechselwirkung aus dem Schaffen und dem Lehren von Musik und der stete Austausch mit seinen Studierenden in der akademischen und privaten Unterrichtstätigkeit kennzeichneten Bruckners künstlerische Biografie und beeinflussten sein Werk nachhaltig.

  1. Vgl. Zeittafel von Alexandra Jud und Damaris Leimgruber in Hans-Joachim Hinrichsen (Hrsg.): Bruckner-Handbuch, Stuttgart, 2010
  2. Vgl. Uwe Harten, Anton Bruckner: ein Handbuch, S. 389, Salzburg und Wien, 1996
  3. Thomas Leibnitz, Bruckner und seine Schüler, S. 31, in Hans-Joachim Hinrichsen (Hrsg.): Bruckner-Handbuch, Stuttgart, 2010
  4. Thomas Leibnitz, Bruckner und seine Schüler, S. 35 ff , in Hans-Joachim Hinrichsen (Hrsg.): Bruckner-Handbuch, Stuttgart, 2010
  5. Felix Diergarten, Anton Bruckner – Ein Leben mit Musik, Kassel, 2023
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