Effekte struktureller Mehrgleisigkeit auf populäre Musik, ihre Erforschung und Vermittlung
32. GFPM-Tagung || 5. IASPM-D-A-CH-Tagung

Im Alltag sind Vorstellungen von angeblichen „Parallelwelten“ und „Parallelgesellschaften“, von imaginierten sozialen Nischen und Blasen, die (vermeintlich) auseinanderstreben und häufig als unvereinbar angesehen werden, weit verbreitet. Auch im Bereich der populären Musikpraxis (im Allgemeinen) sowie in den Popular Music Studies (im Speziellen) lassen sich derartige Konstruktionen auf den unterschiedlichsten Ebenen beobachten, etwa in Form nebeneinander bestehender Denkfiguren, Systeme, Netzwerke, Praktiken und Strukturen, die als ontologische Gegebenheiten und vermeintlich fixe Selbstverständlichkeiten auf ihre Entstehungsweisen, Funktionen und Effekte hin bisher nur unzureichend beobachtet und untersucht worden sind. Wer meint eigentlich was, wenn wahlweise über „Pop“, „populäre Musik“ oder „Popularmusik“ gesprochen wird – und was wird damit jeweils bezweckt? Wie werden über sprachliche und ästhetische Codes in populärer Musik Grenzen markiert und Räume abgesteckt – man denke etwa an Genre-Bildungen und Kanonisierungsprozesse –, und wie sind diese Praktiken mit intersektionalen Kategorien verknüpft? Nicht zuletzt: Wie wird aktuell der Umstand bewertet, dass wir es im deutschsprachigen Raum seit einigen Jahren mit zwei deutschsprachigen wissenschaftlichen Fachgesellschaften zu tun haben, die beide die Erforschung populärer Musik als ihre Zentralagenda ansehen?

Als Organisator_innen freuen wir uns sehr, dass die mdw vom 20. bis 22. Oktober 2022 als Gastgeberin einer gemeinsamen Jahrestagung der Gesellschaft für Popularmusikforschung (GFPM) e. V. und der International Association For The Study Of Popular Music – Germany – Austria – Switzerland (IASPM D-A-CH) e. V. fungieren darf, um Fragen wie die genannten ausführlich zu diskutieren. Hauptziel der internationalen Konferenz, die unter dem Titel Parallelgesellschaften – Effekte struktureller Mehrgleisigkeit auf populäre Musik, ihre Erforschung und Vermittlung läuft, wird es sein, popkulturelle Differenzparadigmen auf den unterschiedlichsten Ebenen zunächst einmal sichtbar und damit kritisch verhandelbar zu machen. In weiterer Folge soll aber auch danach gefragt werden, welchen Impact die entsprechenden Zuschreibungen haben, die als „fait social“ (Émile Durkheim) die pop-musikalische Realität ebenso prägen wie die korrespondierende journalistische und wissenschaftliche Praxis und neben An- und Einschlüssen auch zahlreiche Ausschlüsse evozieren. Wo und wie man vom gegenwärtigen Nebeneinander zu einem synergetischen Miteinander kommen und bestehende Parallelstrukturen und -konstellationen produktiv vermitteln könnte, stellt ein weiteres Hauptanliegen der Tagung dar.

Wir freuen uns auf zahlreiche Fachvorträge renommierter Kolleg_innen aus dem In- und Ausland zu diesem Thema, die durch Keynote-Lectures gerahmt und ergänzt werden. Hyojung Sun (University of Ulster) und David Hesmondhalgh (University of Leeds) werden am Donnerstag, dem 20. Oktober, über Musikstreaming als digitale und zunehmend bedeutsame Alternative zu analogen Weisen der (populären) Musikrezeption sprechen (diese Keynote wird gemeinsam mit den International Music Business Research Days veranstaltet). Am Freitag, dem 21. Oktober, wird Moritz Ege (Universität Zürich) in einer weiteren Keynote zu Spaltungsdiagnosen, Moralisierungskritiken und Fantasien vom Populären referieren und dabei Semantiken des Popularen und des Populären kritisch analysieren. Am Samstag, dem 22. Oktober, werden wir im Rahmen einer Podiumsdiskussion mit Amira Ben Saoud (Der Standard), Esra Özmen (EsRap), Axel Petri-Preis (mdw) und Anne Wiederhold-Daryanavard (Künstlerische Leitung der Wiener Brunnenpassage) über ihre Erfahrungen mit Parallelwelt-Konstruktionen, Binaritäten und Parallelstrukturen in Beruf und Alltag, über ihre Strategien im Umgang mit Differenzparadigmen und über Möglichkeiten ihrer Überwindung sprechen.

Die Teilnahme an der Konferenz ist kostenlos, Anmeldung erforderlich unter musiksoziologie@mdw.ac.at
Weitere Informationen unter: musiksoziologie.at

Comments are closed.