Ein Rückblick

Am 3. und 4. Mai fand an der mdw das Symposium Decolonising of Knowledges statt. Mehr als 120 Studierende, Lehrende sowie weitere Teilnehmer_innen aus der ganzen Welt kamen zusammen, um über die zahlreichen Dimensionen der Wissensproduktion und Machtbeziehungen innerhalb des universitären Betriebes zu diskutieren. Der Hauptfokus lag auf dem Austausch theoretischer und praktischer Beiträge zum Thema der Dekolonisierung der Universitäten zugunsten sozialer Inklusion und einer alternativen Epistemologie als dringende Prioritäten innerhalb des universitären Betriebes. Das zwei Tage umspannende Programm, das in die zwei großen Themenblöcke Dekolonisierung des universitären Betriebes und die Dekolonisierung der World Music gegliedert war, beinhaltete Keynotes, Podiumsdiskussionen, eine Filmpräsentation sowie einen Musikworkshop und verschiedene künstlerische Beiträge.

In seiner Keynote präsentierte José Jorge de Carvalho Ansätze zur vollständigen pluri-epistemologischen Inklusion indigener sowie schwarzer Minderheiten sowohl als Studierende als auch als Lehrende im Bereich der höheren Bildung in Brasilien. Im Rahmen seines Projektes The Meeting of Knowledges bindet Carvalho indigenes Wissen in einem traditionellen Universitären Studienplan ein, indem Expert_innen, die nicht dem akademischen Betrieb angehören, sowie indigene Expert_innen Kurse und Programme an der Universität abhalten, und zwar als vollwertige Professor_innen, Peers und Mentor_innen. Als theoretischen Ansatz regt Carvalho dazu an, das tradierte Bild von Wissen zu verändern oder zu zerstören und hier einen neuen Signifikanten zu schaffen. Auf diese Art und Weise prangt er hierarchische Strukturen an und schafft gleichzeitig Raum für synkretistische und nicht-westliche Lernkulturen innerhalb der brasilianischen Universitäten.

In ihrer Keynote warf María do Mar Castro Varela die zentrale Frage danach auf, ob es überhaupt möglich ist, Universitäten zu dekolonisieren. Indem sie eine Art Metapher hierfür bediente, begann sie, die akademische Konvention, bei Konferenzen elektronische Präsentationen zu verwenden, infrage zu stellen. Hierzu zitierte sie ein Statement ihrer ehemaligen Dozentin Chantal Mouffe: „Präsentiert ruhig eure Power-Point-Präsentationen, ich präsentiere lieber Argumente.“ Hierzu fügte María do Mar Castro Varela hinzu: „Heute werde ich versuchen, das Argument, dass die Dekolonisierung europäischer Universitäten durchaus problematisch ist, zu präsentieren.“ Sie erläuterte, dass Veränderung nur erzielt werden kann, wenn man begreift, dass Universitäten Räume sind, an denen sich Hegemonie und Widerstand parallel entwickelt haben, und forderte, dass wir „um den akademischen Raum zu verändern, alle Teil davon sein müssen“. Für Castro Varela sind Universitäten Orte der Macht, an denen daher Veränderung nur durch langfristiges Engagement erzielt werden kann. Nichtsdestotrotz müssen wir, um den universitären Betrieb zu ändern, eine Infragestellung der etablierten Studiengänge aktiv einfordern und nach alternativen Methoden und Methodologien suchen.

Michael Birenbaum Quinteros Beitrag problematisierte den Begriff „World Music“ aus ethnomusikologischer Perspektive. Er erklärte, dass die Kommodifizierung der Feldaufnahmen Forscher vor ethische Probleme stellte. Laut Birenbaum Quintero markiert die Einführung des Begriffs „World Music“ in den 1980er-Jahren „das Ende ethnomusikalischer Unschuld, wodurch einige der wohl wichtigsten Fragestellungen in Zusammenhang mit Technologie, geistigem Eigentum, Schizophonie, Kapitalismus, Differenzen, Aneignung, Repräsentationspolitik, Migration und Hybridität und die Krise der Authentizität sowie reine Machtmechanismen“. Anhand seiner Forschung über die kolumbianische Champeta-Musik analysierte er in seinem Beitrag „World Music“ anhand der Prämisse, dass die Ausbreitung von Musik auch immer an informelle nationale Wirtschaftssysteme geknüpft ist.

In der letzten Keynote unterbreitete Gabriele Klein den Vorschlag, Übersetzung als Werkzeug anzusehen, um kulturelle Inhalte von einem Ort zu einem anderen zu transportieren. In ihrer Arbeit befasst sich Klein mit der Frage, wie der globale Markt des zeitgenössischen afrikanischen Tanzes Identitätsunterschiede dadurch verschiebt, dass Künstler_innen mittels Übersetzung die eigene Repräsentation ihrer Arbeit innerhalb der internationalen Tanzszene selbstbestimmt ändern können. Kleins Beitrag konzentrierte sich in einem ethnografischen Habitus auf die Darstellung kultureller und sozialer Unterschiede in der Arbeit des Tänzers und Choreografen Germaine Acogny und analysierte Tanzpraktiken als Arbeit, bei der der Körper dazu dient, soziale und kulturelle Erlebnisse im Rahmen des globalen Marktes zeitgenössischen Tanzes zu übersetzen.

Dieses Symposium hat als Fortsetzung der früheren Vortragsreihe der mdw Transkulturalität (2014–2018) zu einem tieferen Verständnis der Herausforderungen beigetragen, die wir beim Erschaffen einer nachhaltigen transkulturellen Universität noch meistern müssen. Dieses Symposium ist nur einer der vielen Beiträge der Diversitätsstrategie der mdw, die Studierende, Lehrende sowie alle Angehörigen der mdw zur gemeinsamen Diskussion darüber animieren soll, was es bedeutet, eine Universität zu sein, die Diversität lebt und ein ganzheitliches und vielfältiges Lernumfeld ermöglicht. Das nächste Transkulturalitätssymposium wird Teil des Studienplans des neuen Masterstudiums Ethnomusikologie der mdw sein und vom 7. bis 8. Mai 2021 stattfinden.

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Masterstudium Ethnomusikologie

 

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