Weihrauch. Ein Gefolge von Ministranten, Diakonen und Priestern zieht durch das Kirchenschiff ins Presbyterium ein. Die Gemeinde steht und beobachtet andächtig dieses pompöse Schauspiel.

Was passiert währenddessen auf der Orgelempore? Der Organist (ja, meist männlich), begleitet den Einzug mit den dröhnenden Klängen der Orgel, der Kapellmeister (ja, ebenfalls ein Mann) wartet schon darauf, bis sich die Sängerinnen und Sänger des Chores (da sind sie, die Frauen) in Position bringen – es herrscht Aufregung, denn heute ist ein besonderer Tag. Für die Kirchenmusiker wird sich gleich herausstellen, ob sich die Mühen der letzten Wochen gelohnt haben. Das letzte Großereignis ist nicht lange her und war ein voller Erfolg, die Latte liegt hoch. Dennoch hieß es hierfür wieder, die Sänger_innen erneut zu motivieren – das sollte doch kein Problem sein! Doch. Intensivste Überzeugungsarbeit ist gefragt und dennoch werden diverse Geburtstagsfeiern oder lang geplante Theaterbesuche einer kontinuierlichen Probenarbeit im Weg stehen. Die Probenzeit war wie gewohnt zu kurz, drei Bässe und zwei Tenöre sind krank. Aber: The show must go on!

Die Kirchenbesucher_innen stehen noch immer unten und warten auf den Einsatz des Chores. Heute läuft wieder alles glatt, das Desaster von vor einem halben Jahr hat sich nicht wiederholt. Die Kirchenmusiker sind zufrieden, dass alles relativ reibungslos über die Bühne gegangen ist. Doch spätestens morgen wird sich das gleiche Spiel wiederholen. Es wird wieder knapp werden und es wird wieder viel Überzeugungsarbeit brauchen, um die ehrenamtlichen Chormitglieder bei Laune zu halten. Und wofür diese ganze Arbeit? Für ein reichlich gefülltes Konto wohl kaum. Antrieb ist vornehmlich die Musik, der große Schatz der Musica Sacra, der von den Anfängen westlicher Musik mit der Gregorianik bis zum Hier und Heute reicht – immerhin ist die Kirchenmusik einer der Orte, wo am meisten neue Musik entsteht und aufgeführt wird. Antrieb sind aber auch die Menschen, die sich ebenfalls von dieser Musik begeistern lassen, sei es in aktiver oder passiver Form.

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