Das Rudolfinum in Prag hat wahrscheinlich einen der schönsten Konzertsäle Europas. Wann immer ich einen Besuch in der Goldenen Stadt plane, verbinde ich ihn mit einem Konzertabend im legendären Dvořák-Saal, in dem regelmäßig die Tschechische Philharmonie auftritt.

Als ich im vergangenen Frühjahr wieder in Prag war, stand im Programm ein Abend mit Igor Strawinskys Le sacre du printemps, eines meiner absoluten Lieblingsstücke. Die Ankündigung war auf Tschechisch und zugegeben, ich überflog sie nur oberflächlich. Kurz wunderte ich mich zwar über die angegebene Laufzeit von zwei Stunden, weil das Stück bekanntlich nur etwas länger als eine halbe Stunde dauert. Aber ich dachte mir nichts dabei. Vielleicht war es ja ein Druckfehler. Im Konzertsaal angekommen fielen mir die vielen Jugendlichen in den Sitzreihen auf. Auch da schöpfte ich noch keinen Verdacht. Vielleicht war die Prager Jugend einfach außergewöhnlich an Klassik interessiert? Als dann das Orchester Platz nahm, wunderte ich mich zum ersten Mal. Alle Musiker_innen waren ebenfalls sehr jung. War ich in eine Schulaufführung geplatzt? Im nächsten Moment betraten zwei Herren unter großen Applaus die Bühne. Sie begannen zu reden, wild zu gestikulieren. Ich verstand kein einziges Wort. Das Orchester spielte ein, zwei Takte aus dem Stück, die beiden Herren sagten ein paar Worte und klatschten einen Rhythmus vor. Alle machten mit – ich schließlich auch. Es war der Takt aus einem Teil des Stücks und plötzlich verstand ich, dass ich in einen Abend geraten war, in dem Le sacre du printemps erklärt wurde. Musikvermittlung im Konzertsaal. Immer wieder spielte das Orchester Auszüge, die beiden Herren klatschten Takte vor oder erklärten einen Abschnitt, den die Musiker_innen öfter wiederholten.

Obwohl ich keine Ahnung hatte, wovon geredet wurde, verstand ich alles. Und blieb bis zum Schluss. Am Ende spielten sie schließlich das ganze Stück und ich hatte das Gefühl, es noch nie so intensiv gehört zu haben, wie an diesem Abend.

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