Sie sind ein privates Paar, treten als Duo Ramsch & Rosen auf und haben ab dem Sommer 2018 die Intendanz des wellenklaenge-Festivals in Lunz am See inne: Julia Lacherstorfer und Simon Zöchbauer, ehemalige Studierende der mdw, erzählen im Gespräch mit dem mdw-Magazin, wie es sich als Künstlerpaar am Stadtrand von Wien lebt und warum sie sich für Privates oft ganz bewusst Zeit nehmen müssen – und sie zeigen, dass zwei Kreative nicht eine(r) zu viel sind.

„Sind es zwei Talente / wie groß immer / vernichten sie sich / zuerst das eine das andere / und dann umgekehrt / Entweder die Frau unterwirft sich / oder sie wird vernichtet / oder der Mann unterwirft sich / oder er wird vernichtet / In jedem Fall sind die Partner vernichtet. […] Der Künstler hat allein zu sein / gegen alle Welt allein / einsam zu sein / gegen alle und gegen alles“, so Thomas Bernhard 1976 in Die Berühmten kritisch über Beziehungen zwischen Männern und Frauen in der Kunst. Das überaus lebendige Beispiel, das uns vom Gegenteil überzeugt, sind Julia Lacherstorfer und Simon Zöchbauer. Kennengelernt haben sie sich 2010 bei einem Festival in Südtirol und sind seit mittlerweile fünf Jahren ein Paar. Die Oberösterreicherin Julia Lacherstorfer, Geigerin, Sängerin und Komponistin, ist vor allem mit ihrer Band ALMA sehr aktiv und hält zahlreiche Workshops zum Thema Volksmusik, Improvisation und Jodeln. Der aus Herzogenburg (NÖ) stammende Simon Zöchbauer, Trompeter, Komponist, Improvisator, Sänger und Zitherspieler, reüssiert mit der Blechbläserformation Federspiel. Gemeinsam leben sie in einem skandinavisch anmutenden Häuschen am Stadtrand von Wien, noch in der Stadt und doch mitten in der Natur. Ein ganz bewusst gewählter, ruhiger Ort, an dem einerseits beide oft arbeiten, der ihnen andererseits aber helfen soll „runterzukommen“. Ein schwieriger Balanceakt, der nicht immer gelingt, denn kaum eine Woche gleicht der anderen – Projekte wechseln, mal ist man auf Tour, dann wieder länger in Wien.

ALMA
ALMA ©Daliah Spiegel

„Wir müssen manchmal wirklich aufpassen, dass wir nicht gleich nach dem Aufstehen über Termine oder das Festival sprechen. Es ist eine Herausforderung, weil es niemanden gibt, der uns sagt, wie unsere berufliche Struktur auszusehen hat. Wir haben verschiedene Aufgaben – als MusikerIn, FestivalleiterIn oder Bandmitglied – aber da gibt es keine Vorgaben, wie wir was machen. Jede Woche ist anders, die Touren auch …“, so Lacherstorfer. „Es erfordert ganz viel Organisation und man muss sich bewusst Zeit nehmen für wichtige Sachen – und zwar in beide Richtungen: beruflich und privat. Oft ist nicht klar, ob der andere jetzt gerade bereit ist, um über das Berufliche zu sprechen. Das führt manchmal vielleicht zu Grenzübertritten oder einer fühlt sich überfordert. Je mehr man die Grenzen des anderen akzeptiert, desto besser ist es langfristig für die Beziehung“, ergänzt Zöchbauer. Das Bewusstsein dafür mussten sie auch erst entwickeln, „vor allem in den Anfangsphasen viel ausloten“ und Strategien entwickeln, wie man zwischen den verschiedenen Modi – Arbeit und Privatleben – wechselt. Noch dazu, weil diese Grenzen oft verschwimmen – ihr Duoprojekt Ramsch & Rosen, bei dem sie gerne alte, schöne Stücke ausgraben und sogenannte „Volksmusik der Gegenwart“ machen, entstand beispielsweise aus dem gemeinsamen zweistimmigen Singen, „einer sehr romantischen Tätigkeit“, so Zöchbauer. Manchmal fragt dann auch ein/e KonzertbesucherIn, ob die beiden privat ein Paar seien, denn das merke man.

Sie genießen es, dass sich bei gemeinsamen Konzerten oder Touren automatisch viele schöne Momente ergeben. „Wir können so viel teilen, wir können uns austauschen und bestärken – auch im Künstlerischen“, so der junge Trompeter. Gegenseitiges Feedback zu neuen Stücken kann z. B. sehr hilfreich sein. „Da kommt ein Feedback, das total am Punkt ist und das mich einfach weiterbringt“, so Lacherstorfer. „Ich könnte mir gar nicht vorstellen, wie das wäre, wenn ich mit meinem Partner das, was ich mache, nicht so teilen könnte oder er damit nichts anfangen könnte.“ „Es ist ein Feintuning, dass man sich selber und den anderen spürt und was man selbst beziehungsweise der andere gerade braucht. Kritisches Feedback oder einfach nur Zustimmung? Das ändert sich permanent, da kann man kein Programm fahren“, ist Zöchbauer überzeugt. Ist dann einmal eine/r allein auf Tour, ist das auch in Ordnung – oft hat man dann einfach ein bisschen mehr Zeit für sich.

Federspiel
Federspiel ©Julia Wesely und Maria Frodl

Erfolge des Partners/der Partnerin werden gemeinsam gefeiert und sind maximal ein Ansporn, noch mehr an sich selbst zu arbeiten. „Neid spüre ich nicht. Ich freue mich, wenn z. B. ALMA einen Preis bekommt. Man fragt sich vielleicht, warum haben die den Preis bekommen und wir nicht und was können wir dafür tun, aber das ist weit weg von Neid. Neid tritt glaube ich dann auf, wenn man etwas bei jemand anderem entwickelt sieht, was man für den eigenen künstlerischen Fortschritt unbedingt bräuchte, aber selbst noch nicht so weit ist“, erklärt er weiter. Julia Lacherstorfer stimmt zu: „Neid kommt vielleicht aus einem Gefühl von Nicht-Erfüllung.“

Fixe Übezeiten gibt es zu Hause nicht, denn das ist im Alltag nicht immer umsetzbar. Nach 22 Uhr versuchen sie aber, wenn möglich, wirklich Feierabend zu machen: „Vor allem wegen uns selbst, denn wenn man versucht zur Ruhe zu kommen und der andere ist noch voll im Arbeitsmodus und übt, dann hört man das und es ist es irgendwie schwierig so richtig abzuschalten“, erklärt Zöchbauer. Das Haus mit drei Etagen ist da sehr hilfreich, denn so haben beide ihren eigenen Arbeitsbereich. Bemerken sie doch einmal, dass die gemeinsame Zeit fehlt, dann machen sie sich einfach ein regelmäßiges Ritual aus, wo dann etwas Schönes, wie langes Spazierengehen oder gemeinsam essen, ganz bewusst passiert.

Ramsch und Rosen
Ramsch und Rosen ©Leo Fellinger

Von Klischees zum Künstlerdasein (als Paar) halten sie nicht viel. Die Vorstellung davon, dass bei MusikerInnen zwei zu große Egos aufeinandertreffen könnten, verwerfen sie schnell „Künstlerische Arbeit und große Egos müssen nicht zwangsweise damit einhergehen. Zuviel Ego ist aber weder beruflich noch privat förderlich“, so Zöchbauer. „Ich glaube der Job, den wir machen, ist oft sehr viel härter, als man denkt. Gerade, wenn beide in dem Feld tätig sind, wo es um eigenes kreatives Schaffen geht“, meint Lacherstorfer.

Ihre Rollenverteilung und Beziehung empfinden sie als recht ausgewogen. In Hinblick auf eine mögliche Familienplanung ist das auch ein Thema: „Der Aspekt, dass man als Frau vielleicht in einer gewissen Zeit etwas zurückstecken muss oder vielleicht auch will, ist bis zu einem gewissen Grad biologisch bedingt und hängt sehr stark von der eigenen Persönlichkeit und dem jeweiligen Partner/der jeweiligen Partnerin ab. Die Vereinbarkeit von Kindern und unserem jetzigen Leben ist sicher eine Herausforderung, aber ich glaube einfach, dass es ein Vorteil in unserem freischaffenden Dasein ist, dass wir uns, wenn wir mal Kinder haben, viel flexibler absprechen können. Wir sind auch bei der gleichen Agentur – da lassen sich Tourperioden leichter koordinieren“, so Lacherstorfer zuversichtlich.

Julia Lacherstorfer
Julia Lacherstorfer ©Theresa Pewal

Die Musik durchdringt also ihr gesamtes Leben – obwohl es nicht so ist, dass sie auch bei jeder privaten Feier „liebend gern einen Jodler anstimmen“, sondern auch froh sind, manchmal einfach nur da zu sein und über etwas ganz anderes zu sprechen. Außer zu Weihnachten, denn da wird mit der Familie gemeinsam ganz viel musiziert und gesungen: „Für mich könnte drei Monate lang Advent sein“, freut sich Lacherstorfer.

Simon Zoechbauer
Simon Zöchbauer ©Elodie Greten

Um trotzdem Abschalten zu können, machen beide zum Ausgleich Sport und legen großen Wert auf eine gesunde Lebensweise. Alles in allem überwiegen für beide klar die Vorteile als Künstlerpaar zu leben. „Kreativität ist unser Beruf. Es geht immer darum, dass wir uns Dinge ausdenken und Schritte setzen, damit eine Idee manifestiert wird. Das ist ein Luxus und ich empfinde es als irrsinniges Geschenk, dass wir das zu zweit machen können“, so Julia Lacherstorfer. – Und das merkt man auch.

 

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