Im Laufe der ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts sind drei Emigrationswellen zu verzeichnen: eine erste Phase in der Zeit vor und während des Ersten Weltkriegs. Von Anfang an war der US-Film von europäischen Künstler_innen mitgestaltet worden. Auch das Studio-System, das für den amerikanischen Film eine Grundlage der Erfolgsgeschichte wurde, war großteils von Emigrant_innen ins Leben gerufen worden. Die zweite Phase wurde durch den Beginn und die ersten Erfolge des Tonfilms eingeleitet. Die künstlerischen und finanziellen Voraussetzungen in Los Angeles waren für viele Filmemacher_innen und Schauspieler_innen ein neues und erfolgversprechendes Betätigungsfeld, gleichsam ein kreativer „Goldrausch“ im Westen der USA, den Beginn der sogenannten Goldenen Ära Hollywoods einleitend. Die dritte Phase war durch die massiven politischen und sozialen Umbrüche bedingt, die vom Aufstieg der Nationalsozialisten und dem Erstarken des Antisemitismus bestimmt wurden und schließlich zur Machtergreifung der Nazis 1933 in Deutschland und zum „Anschluss“ Österreichs im Jahr 1938 geführt haben. Aufgrund der großen Anzahl der Emigrant_innen in den USA waren nun die Bedingungen nicht mehr für alle so lukrativ wie zuvor. Die Konkurrenz wuchs rapide an, und die Studios konnten die Künstler_innen (Regisseur_innen, Schauspieler_innen, Musiker_innen) mehr unter sozialen und finanziellen Druck setzen. Viele waren in ihrer ursprünglichen Heimat äußerst erfolgreich, fanden aber in Hollywood oft keine adäquaten Lebens- und Arbeitsbedingungen vor. Trotz bestehender (europäischer) Reputation mussten sie oft in minder bezahlten Positionen arbeiten, konnten keine eigene Projekte umsetzen und ihre Fähigkeiten nicht in geeigneter Weise entfalten. Künstler_innen, die diesem Druck nicht gewachsen waren, zogen sich oft aus dem Filmgeschäft zurück.

Erich Wolfgang Korngold bei der Oscar-Verleihung 1939 (The Adventures of Robin Hood) © Kathrin Korngold Hubbard

Während dieser Phase kamen über 1.500 deutschsprachige Künstler_innen nach Hollywood und mussten sich gegen die bereits ansässige Emigrant_innengemeinde durchsetzen, was nicht allen gelang. Der europäische Film, vor allem die in Berlin ansässige Produktionsgesellschaft UFA, bot in den 1920er Jahren sehr gute Bedingungen und war für avantgardistische und expressionistische Filmstilrichtungen bekannt. Die UFA war für ihre innovativen Filmproduktionen berühmt (Metropolis 1927, Der blaue Engel 1930). Der Exodus ergab sodann im Laufe der 1930er und 1940er Jahre eine künstlerische Ausdünnung der deutschen Filmindustrie, die inhaltlich verflachte und von den faschistischen Machthabern aber zu propagandistischen Zwecken weiterhin aufrechterhalten wurde.

Die Entwicklung der Filmmusik als eigenes Genre ist ohne die Erfindung des Tonfilms nicht denkbar. Einen ersten Markstein setzte das Warner Bros. Studio mit dem ersten längeren Tonfilm The Jazz Singer des Regisseurs Alan Crosland. Der Tonfilm und das neue Genre änderten die Bedingungen grundlegend. Während man in der Stummfilmzeit Ensembles und Orchester in den Lichtspieltheatern verwendete, wurden nun die Orchester direkt in den Studios gebraucht. Eigene Musikabteilungen wurden daher gegründet, deren Leiter anfänglich die Oscar-Preise im Fach Filmmusik einstreiften und noch nicht die Filmkomponisten. Mit seiner Partitur zu The Adventures of Robin Hood von 1938 gelang es Erich Wolfgang Korngold schließlich, die Oscar-Jury zu überzeugen, Filmmusik nicht als Handwerk, sondern als Kunst anzusehen, daher wurde ihm als erstem Komponisten in der Filmgeschichte der Oscar zugesprochen. Auch die Schauspieler_innen waren nun mit der eigenen Stimme konfrontiert, solche mit einem ausländischen Akzent wurden für bestimmte Charaktere eingesetzt (z. B. wurden deutschsprachige Emigrant_innen für die Darstellung von Nazis herangezogen).

Der neue Tonfilm brachte auch neue Filmstile hervor, die durch die an Theatern so erfolgreichen Revuen, Operetten und Musicals beeinflusst waren (Marta Eggerth, Jan Kiepura). Der Filmsong als eigenständige „Nummer“ wurde ins Leben gerufen (Walter Jurmann, Fritz Spielmann). Musiker_innen und Komponist_innen arbeiteten meist unter großem Druck, da sie sich dem Willen des Produzenten beugen mussten und auch erst in der Phase der Nachproduktion eingesetzt wurden. Manche Komponisten wie Max Steiner und Hugo Riesenfeld hatten einen großen Vorteil, da sie bereits in der Stummfilmära in die USA kamen oder weil sie wie Erich Wolfgang Korngold noch vor der großen (dritten) Emigrationswelle nach Hollywood einreisten. Alle jene, die erst später ankamen, wie Erich (Eric) Zeisl und Ernst Goldner (Ernest Gold), hatten es viel schwerer.

Max Steiner war zwar vor der Machtergreifung der Nazis nach Hollywood gekommen, war aber auch nicht „verschont“ geblieben. Er konnte 1938 unter dramatischen Umständen seinen Vater Gabor Steiner (einen Impresario von mehreren Wiener Theatern) aus Wien herausholen, der Besitz seines Vaters wurde von den Nazis „arisiert“. Im Fall des Filmes Confessions of a Nazi Spy bestand Max Steiner darauf, dass nicht sein Name, sondern nur die Musikabteilung des Studios im Vorspann erwähnt wurde, da er seine Verwandten in Europa nicht gefährden wollte. Mit der Produktion von King Kong (1933) begann Steiners steile Karriere als „Vater der Filmmusik“ mit den heute noch berühmten Filmen Gone with the Wind (1939) und Casablanca (1942).

Erich Wolfgang Korngolds Filmmusikkarriere begann mit der Einladung von Max Reinhardt, die Musik von A Midsummer Night’s Dream (1934) nach der Vorlage von Felix Mendelssohn Bartholdy zu gestalten. Korngold bearbeitete die Vorgabe so innovativ, dass die Musik zwar Aufsehen erregte, der Film jedoch ein Flop wurde. So wurde er in der Folge mit weiteren Filmmusikaufträgen bedacht, etwa Captain Blood (1935) und Anthony Adverse (1936), bei denen noch die Filmabteilung ausgezeichnet wurde. Erst mit Robin Hood gewann Korngold als Komponist allein den Oscar. Nach 1945 war es sein Ziel, wieder in Europa und vor allem in Wien an seine Erfolge vor dem Weltkrieg anzuknüpfen, was ihm bedauerlicherweise nicht gelang. Auch das Publikum war während der Nazi-Zeit dem Terror des Regimes zum Opfer gefallen oder durch die Propaganda des „Dritten Reiches“ dem Juden Korngold nicht mehr zugetan. Auch sein heute beliebtes Violinkonzert fiel durch, da es zu viele Filmmusikanklänge hatte. Und dies ist natürlich ein Fehlurteil, da Korngold nicht nach Filmmusik klingt, sondern Filmmusik nach Korngold …

Erich Wolfgang Korngold mit Paul Henreid und Bette Davis in einer Drehpause zu Deception 1946 © Kathrin Korngold Hubbard

Als erste Filmmusik im Horrorfilmgenre gilt jene von Franz Waxman für Bride of Frankenstein (1935); die aus Wien stammenden Komponisten Hans Julius Salter und Ernst Toch haben jedoch diesem Genre wesentliche Akzente hinzugesetzt. Salter leitete in den späten 1920er Jahren für die UFA das Orchester im größten Kinopalais Berlins. Für die UFA verfasste er elf Filmmusiken, wurde aber 1933 aufgrund seiner jüdischen Wurzeln entlassen und floh in die USA. Dort schuf Salter schließlich an die 200 Filmpartituren, darunter The Wolf Man (1941) und House of Frankenstein (1944), er errang fünf Oscar-Nominierungen.

Auch der bereits erfolgreiche Komponist Ernst Toch musste aufgrund seiner jüdischen Herkunft Europa verlassen. George Gershwin lud ihn zu einem Filmprojekt ein, das jedoch nicht realisiert wurde. Für Paramount vertonte er elf Filme und errang Nominierungen für Ladies in Retirement (1941) und Address Unknown (1944). Wie Korngold versuchte er nach dem Weltkrieg, wieder in Europa Fuß zu fassen, was aus ähnlichen Gründen misslang. Zynisch meinte er, dass er der „meistvergessene“ Komponist des 20. Jahrhunderts wäre.

Einen besonders schweren Stand im Filmgeschäft hatte Erich Zeisl. Der heute bekannte Lied-Komponist kam zu einer Zeit nach Hollywood, als alle Posten bereits vergeben waren. Seine Versuche, sich an Filmproduktionen zu beteiligen, endeten immer mit der gleichen Enttäuschung, dass seine Arbeit im Abspann nicht gewürdigt wurde. Daher gilt er als eines der Opfer der intensiven Konkurrenzkämpfe innerhalb des Studio-Systems.

Eine besondere Stellung hatte Hanns Eisler, der als Theoretiker und Kritiker der Filmindustrie bekannt wurde. Er beschäftigte sich mit experimentellen Studien und machte Untersuchungen über die Funktion der Musik im Film. In seiner mit Adorno gemeinsam herausgegebenen Schrift über Filmmusik (1947) prangerte er das Genre an und sprach sich gegen Mechanisierung und Gedankenlosigkeit aus. 1943 wurde seine Filmmusik zu Hangmen Also Die (Regie Fritz Lang, Drehbuch Bert Brecht) für den Oscar nominiert.

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