Bass-Instrumente üben eine ganz eigene Faszination aus – sie selbst sind groß, schwer, teilweise als unhandlich zu bezeichnen, aber an ihnen ist auch alles größer und weiter als bei ihren höher klingenden Verwandten: Mensur, Klappen, die Abstände der Löcher, Achsen, die schwingende Luftsäule und die Röhre, die deswegen manchmal auch geknickt sein muss. Sie zu spielen, verlangt viel Luft und Kraft, die Notenwerte in der Literatur sind meist länger, und der Begriff Virtuosität bekommt eine etwas andere Bedeutung, denn schnelle Läufe sind hier nur schwer zu realisieren. Ihr Tonumfang dringt in Tiefen vor, in denen die hörbare Unterscheidbarkeit der einzelnen Halbtöne schwierig werden kann, und zum Klang des Tones mischen sich deutlich wahrnehmbare Klappen- oder Schnarrgeräusche, die vor allem bei raschen Tonfolgen den Klang des Tones selbst überlagern können. So ist etwa für das Kontrafagott ein schnarrender, durch die eigenwillige Struktur der klingenden Obertöne bedingter Klang charakteristisch, während der Grundton selbst so schwach ausgeprägt ist, dass er völlig unwesentlich wird.

Bassinstrumente
Bass-Blasinstrumente, v.l.n.r.: Bassflöte, Kontrafagott, Bassklarinette, Cimbasso, Baritonsaxophon, Englischhorn, Basstrompete, Tuba, vorne liegend: Basssaxophon ©Doris Piller

An der mdw gehören die tiefen und tiefsten Blasinstrumente selbstverständlich zum Unterrichtsspektrum. Kontrafagott, Basssaxophon, Bassklarinette, Bassetthorn, Bassflöte (nicht zu verwechseln mit der Bassblockflöte, die ebenfalls ihren fixen Platz an der mdw hat), Englischhorn, Heckelfon, Basstrompete, Basstuba, Wagnertuba, Cimbasso und Bassposaune – sie alle finden sich in den Lehrveranstaltungen der BläserInnen des Leonard Bernstein Instituts für Konzertfach Blas- und Schlaginstrumente und des Franz Schubert Instituts für Blas- und Schlaginstrumente in der Musikpädagogik.

Darüber hinaus wurden an der mdw im vergangenen Studienjahr zwei bemerkenswerte Projekte realisiert. Low Vibrations – Im Bann der tiefen Töne! legte nicht nur einen Schwerpunkt auf das Instrument Bassklarinette, sondern schenkte auch den Musikerinnen sowie den Komponistinnen, die für die Bassklarinette geschrieben haben, spezielle Aufmerksamkeit. Gab es vor 20 Jahren nur wenige Frauen, die Bassklarinette als Soloinstrument spielten, so haben inzwischen nicht nur mehr Frauen die Bassklarinette für sich als Hauptinstrument ausgewählt, sondern auch immer mehr namhafte Komponistinnen Werke für dieses einzigartige Instrument geschrieben. Eine Masterclass mit Fie Schouten (Prins Claus Conservatorium Groningen) und ein Improvisationsworkshop mit Ig Henneman (Komponistin und Bratschistin) sowie ein Abschlusskonzert, bei dem die erarbeiteten Werke präsentiert wurden, konnten im Mai 2017 erfolgreich durchgeführt werden.

Blasinstrumente
Blasinstrumente ©Doris Piller

Einige Monate davor, im Jänner 2017, fand an der mdw ein Meisterkurs mit European Tuba Power statt, einem Ensemble, das als Stargast beim Ball der Wiener Philharmoniker 2017 geladen war. Andreas Martin Hofmeir, Alessandro Fossi, János Mazura und Roland Szentpál gaben ihr Know-how in Technik, Jazz-Improvisation und verschiedenen anderen Stilrichtungen an die Studierenden weiter. Ergänzt wurde der Workshop durch eine Instrumentenausstellung, mit der internationale Hersteller von Tuben nach Wien gebracht wurden, wodurch die Studierenden die Möglichkeit ergreifen konnten, die ausgestellten Musikinstrumente gleich zu probieren.

Die Musikwelt verdankt einige dieser außergewöhnlichen Blasinstrumente dem belgischen Erfinder Adolphe Sax (1814–1894). Er erfand nicht nur das Saxophon, das er gleich in acht verschiedenen Größen baute (Sopranino, Sopran, Alt, Tenor, Bariton, Bass, Kontrabass, Subkontrabass), sondern konstruierte auch von ihm neu entwickelte Trompeten, Hörner und Tuben. 1845, bereits nach Paris übersiedelt, stellte Sax seine Instrumente der französischen königlichen Familie vor und beantragte, sie in die Militärorchester aufzunehmen. König Louis Philippe initiierte einen Wettstreit zwischen einer herkömmlichen und einer mit Sax-Instrumenten ausgestatteten Militärkapelle. Diese Veranstaltung auf dem Champ de Mars wurde von rund 25.000 Schaulustigen besucht und war eine ungemein öffentlichkeitswirksame Demonstration von Sax’ Fähigkeiten und Leistungen.

Literatur, speziell Solo-Literatur, die den klanglichen Eigenheiten dieser tiefen Blasinstrumente gerecht wird, gibt es vor allem in der Neuen Musik. KomponistInnen des 20. und 21. Jahrhunderts schreiben auch für diese Instrumente, Anlässe dazu bieten meist Begegnungen mit hervorragenden SolistInnen, die spezielle Spielweisen und Techniken einsetzen. Je tiefer ein Instrument klingt, desto besser ist es etwa für die Multiphonics-Technik geeignet, bei der durch bestimmte Griff- und Blastechniken mehr als ein Ton gleichzeitig erzeugt wird, sodass ganze Akkorde aus Obertönen klingen können. Andere Möglichkeiten ergeben sich, wenn SolistInnen beginnen, ihre Instrumente weiterzuentwickeln, um bestimmte Kompositionstechniken realisieren zu können, wie etwa Ernesto Molinari, der mit einer riesigen Kontrabassklarinette und Live-Elektronik mikrotonale Stücke interpretiert. Andere bedeutende zeitgenössische Werke sind zum Beispiel Art of Metal für Kontrabassklarinette von Yann Robin, Fama von Beat Furrer (die Orchesterbesetzung beinhaltet auch eine Bass-Flöte, eine Kontrabassflöte, eine Bassklarinette und ein Kontrafagott) oder La profondeur von Georg Friedrich Haas (in dessen Besetzung eine Bassklarinette, eine Kontrabassklarinette, ein Baritonsaxophon und ein Kontraforte – eine neue Form des Kontrafagotts – vorkommt). Die Bassflöte wiederum wird oft in Ensembles eingesetzt, wie zum Beispiel in Salvatore Sciarrinos Quaderno di strada. Dieses Werk wurde in einem Schwerpunkt-Konzert 2015 an der mdw aufgeführt und steht in der mdwMediathek zur Verfügung.

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