Lectures for Future WS 2025/26 | 4. Block
Mi, 26.11.2025 | 17.00–20.00
Ort: gr. Seminarraum E0101, mdwCampus, Anton-von-Webern-Platz 1, 1030 Wien
An den Grenzen des Sagbaren?
Die Zusammenhänge von Frieden und Klima fühlen-denken
Die Auseinandersetzung mit Frieden, Kriegen, Gewalt und der planetaren Krise konfrontiert uns immer wieder mit Themen, die an die Grenzen des Sagbaren reichen. Damit verbundene Ereignisse, Erfahrungen und Informationen, die mit alltäglichen Worten kaum zu fassen sind, werfen die Frage auf, wie wir sie in wissenschaftlichen, gesellschaftlichen, oder aktivistischen Kontexten in ihrer Tiefe erarbeiten und fühlen-denken können.
Kunstbasierte Methoden ermöglichen eine Annäherung an das, was oft unsagbar ist, undenkbar scheint, aber dennoch fühlbar ist. Dieses Potential künstlerischer Praxis veranschaulichen Angela Jill und John Paul Lederach (2010) exemplarisch anhand eines Treffens der Falui Poets Society nach dem Bürgerkrieg in Sierra Leone: „Auch jene Julinacht trug Hoffnung in sich, die Wiedergeburt aus dem kargen Boden, das Potenzial eines neuen Morgens. Für viele begann die Geburt bereits im Akt, der Poesie eine Stimme zu verleihen, der Fähigkeit, unaussprechliche Worte zu singen.“
Kunstbasierte Zugänge, so das Kernargument des Vortrags, sind dabei nicht nur Ergänzungen, sondern epistemologische Werkzeuge, die Räume eröffnen können, in denen komplexe Zusammenhänge zwischen Frieden und Klima(gerechtigkeit) erfahrbar und in ihrer Vielschichtigkeit bearbeitbar werden – hin zu einem Fühlen-Denken (sentipensar), das den Weg zu geteilter Sorge und Verantwortung erleichtert.
Juliana Krohn ist Friedensforscherin, Trainerin und Mediatorin in Ausbildung im Bereich Multitrack Peace Mediation. In Ihrer Arbeit widmet sie sich insbesondere dem Themenkomplex Klimagerechtigkeit, Ansätzen wie dem Environmental Peacebuilding sowie den Zusammenhängen von planetarer Krise und Frieden und Konflikten. Einen weiteren Schwerpunkt Ihrer Arbeit bildet die (Friedens-)bildung. Sie ist ausgebildete Klimapädagogin und Mitglied der Transnational Steering Group der Global Campaign for Peace Education. Als Trainerin konzipiert und hält sie transferorientierte Workshops und Vorträge zu ihren Forschungsthemen unter anderem für Kinder und im Bereich der Jugend- und Erwachsenenbildung.
Sound ins Getriebe
Zahlreiche Komponist:innen, Performer:innen und Musiker:innen in der Musik des 20. und 21. Jahrhunderts haben eine Form des demokratischen Sozialismus unterstützt bzw. sich dazu bekannt. Neben Strömungen in der Folk Music (u.a. Anti-Vietnamkriegsbewegung) oder im Jazz (Kampf der Black Community in den USA gegen Rassismus und Ausgrenzung) waren es im Feld der neuen Musik insbesondere die Nachkriegs-Avantgardisten wie Luigi Nono, Christian Wolff oder Cornelius Cardew, die dezidiert in ihrer Musik politische Botschaften zum Programm gemacht haben. Auch wenn John Cage für seine Musik und in seinen Schriften eine Ablehnung jedweder "Propaganda"-Funktion der Musik postulierte, repräsentiert er eine individuell-anarchistische, die konventionellen Verhältnisse sprengende Position. Die Optionen, wie sich Musik und politische Inhalte verknüpfen können, sind naturgemäß sehr unterschiedlich. Textbasierte Musik - Vertonungen - erlaubt es sozusagen auf direktem Wege, gesellschaftliche und soziokulturelle Missstände, Verfehlungen oder Katastrophen zur Sprache zu bringen (z.B. Il canto sospeso von Luigi Nono, Salut für Caudwell von Helmut Lachenmann oder - im experimentellen popkulturelle Bereich - das Konzept-Album von Robert Wyatt Nothing Can Stop Us). Instrumentalmusik hingegen erscheint "neutral", kann sich aber über den Titel der Komposition politisch manifestieren (z.B. Workers Union von Louis Andriessen). Rein instrumentale Musik wird politisch, sogar radikal, wenn sie eine kratzbürstige Haltung bezeugt.
"Haltung" ist das Stichwort: Sich über das selbsttätige, eigenständige Tun ein Musizieren zu erobern, das Sound ins Getriebe streut, die musikalische und kunstwillige Persönlichkeit formt und somit eine Widerstandskraft gegen die Unbillen der Welt erzeugen lässt.
Mit ein paar wenigen Inputs werde ich in diesem Workshop versuchen, durch gemeinsam gestaltete musikalische Aktionen ein Klima der Selbstermächtigung und Souveränität zu schaffen.
Der Gitarrist und Komponist Burkhard Stangl ist in den Bereichen Improvisation, Electronica und zeitgenössische klassische Musik tätig.
Er leitete gemeinsam mit Hans Schneider jahrelang das österreichische Musikvermittlungsprojekt Klangnetze. Er ist Lehrbeauftragter für Improvisation und neue Musikströmungen sowie Freie Improvisation an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien und an der Anton Bruckner Privatuniversität Linz für Jazzgeschichte und Klassik für Jazzmusiker:innen. Lebt in Wien. stangl.klingt.org