Music in the experience of forced migration from Syria

to the European Borderland

Ein Forschungsprojekt am MMRC

 

Foto © Ioannis Christidis

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Kurzbeschreibung:

Welche Funktionen, Bedeutungen und sozio-politischen Implikationen haben musikalische Aktivitäten syrischer Geflüchteter und Vertriebener während ihrer Reise und ihrer Neuansiedlung in Europa? –
"Music in the experience of forced migration from Syria to the European Borderland" ist ein Forschungsprojekt, das darauf abzielt, diese Frage zu beantworten und darüber hinaus musikbezogene Interventionen in Form von Projekten der Applied Ethnomusicology zu initiieren.

Der Aufstand des syrischen Volkes im Jahr 2011 und seine gewaltsame Unterdrückung durch das Regime von Bashar al-Assad führten zu einem langjährigen, tödlichen und komplexen geopolitischen Konflikt, der die Zwangsumsiedlung von mehr als 6 Millionen Menschen zur Folge hatte, von denen es einer Million gelang, Europa zu erreichen. Deutschland, Schweden und Österreich stellen drei ihrer Hauptzielländer dar. Diese Massenfluchtbewegung führte in vielen europäischen Ländern zu kontroversen sozialen und politischen Reaktionen sowie zu neuen kulturellen Entwicklungen und Interaktionen. Trotz der ermutigenden Welle gesellschaftlicher Solidarität, die sich vor allem ab 2015 an verschiedenen Orten abzeichnete und von Privatpersonen, Aktivist_innen, NGOs und gelegentlich auch von staatlich finanzierten Institutionen zum Ausdruck gebracht wurde, gab es bedauerlicherweise auch eine Zunahme fremdenfeindlicher Diskurse, die auf schärfere Maßnahmen zur Verhinderung von Zuwanderung drängten. Dies führte in vielen Fällen zur Stigmatisierung, Diskriminierung und Herabwürdigung von Einzelpersonen und Gemeinschaften mit Fluchthintergrund auf Grundlage von deren Herkunft, Ethnizität, Religion und Kultur. Massenquartiere, die von UNHCR und einzelnen Regierungen zur Kontrolle der Fluchtbewegungen eingerichtet wurden, erweisen sich als nicht dafür geeignet, Schutz zu bieten. Darüber hinaus wirken sich der vorübergehend „staatenlose“ Status der Geflüchteten und ihr Ausschluss von politischer und sozialer Teilhabe auch negativ auf die Wahrung ihrer Menschen- und Bürger_innenrechte aus und machen sie schließlich zu sozial und rechtlich ausgegrenzten „Minderheiten“ innerhalb der Dominanzgesellschaften.

Das PhD-Projekt von Ioannis Christidis basiert auf seiner Dokumentation von Musik, Liedern und Tänzen, die vorwiegend von jungen Männern aus Syrien während der Proteste und ihrer Zwangsunterbringung in Lagern in Thessaloniki, einer Stadt in Nordgriechenland, im Sommer 2016 dargeboten wurden. Das lebendige und vielfältige Musizieren der Geflüchteten unter den harten Lebensbedingungen, denen sie ausgesetzt waren, stellte die vorherrschenden Bilder in Frage, die sie lediglich als verletzliche und passive Opfer gravierender äußerer Belastungen darstellten. Diese Menschen strebten danach, gesehen und gehört zu werden. Diese ersten Feldforschungsergebnisse legen den Schluss nahe, dass diese musikalischen Äußerungen als Ausdruck ihrer Überzeugung, in Freiheit und Würde leben zu wollen, zu interpretieren sind.

Inspiriert durch bestehende Forschungen zu Musik und erzwungener Migration, zu Musik und Minderheiten und unter Verwendung moderner Feldforschungsmethodik beschloss Christidis, seinen ursprünglichen Fokus zu erweitern, um umfassendere Perspektiven und sozio-politische Implikationen von Musik im Kontext der Erfahrungen syrischer Geflüchteter und Vertriebener in Europa miteinzubeziehen. Um seine Forschungsfrage zu bearbeiten, entwickelte er eine multilokale Feldforschungsstrategie, die darauf abzielt, die „unterwegs“ in Thessaloniki dokumentierten musikalischen Ausdrucksformen mit den gegenwärtigen musikalischen Realitäten von Einzelpersonen und Gemeinschaften mit syrischem Hintergrund und Fluchthintergrund in verschiedenen europäischen Städten, namentlich in Wien, Berlin, Stockholm, Amsterdam und Athen, zu vergleichen, wobei auch das Internet als Forschungsort dient. Im Bewusstsein der Bedeutung der Verbindung von Forschung und gesellschaftspolitischem Engagement, insbesondere in den Kontexten von Minderheiten und Migration, untersucht Christidis' Projekt schließlich Perspektiven für eine Applied Ethnomusicology, die auf Self-Empowerment-Projekte abzielt, die Geflüchteten kulturelle und politische Partizipation ermöglichen sollen.

Obwohl diese Forschung bis zu einem gewissen Grad den Begriff Geflüchtete (refugees) konventionell verwendet, geht sie auch kritisch an diesen heran, aufgrund der Annahme, dass er nicht notwendigerweise die Lebenswirklichkeiten der Menschen, die als solche bezeichnet werden, widerspiegelt oder repräsentiert. Ergänzt wird diese Reflexion durch ethische Überlegungen, wie sie in der Declaration of Ethical Principles des International Council for Traditional Music (ICTM)1 und des „Ethics Statement“ der Society of Ethnomusicology (2018) beschrieben sind.2

 

Projektdurchführung: Ioannis Christidis

Projektbeginn: 1. März 2020

Finanzierung: Österreichischer Wissenschaftsfonds FWF Grant-DOI 10.55776/Z352

[1] Zu finden auf der Website des ICTM: http://ictmusic.org/documents/ethics

[2] Online veröffentlicht: https://cdn.ymaws.com/www.ethnomusicology.org/resource/resmgr/ethics/ethics_statement_2018.pdf