Das Versprechen von transformativen, berührenden Erfahrungen befeuert den Kunstbetrieb. Der Soziologe Hartmut Rosa bezeichnet dieses Streben in einem weiteren Kontext als historisches Paradigma, das die Beschleunigung der spätmodernen Gesellschaft vorantreibt, um die „Weltreichweite“ des bzw. der Einzelnen zu vergrößern. Er bezeichnet dies als Resonanzversprechen: Resonanz ist eine Art mit der Welt in Beziehung zu treten, zu der wir von Natur aus neigen. Es ist ein Fluss des gegenseitigen Austauschs, in dem zwei Stimmen (ob kollektiv oder individuell) unabhängig voneinander sprechen und sich dennoch gegenseitig beeinflussen. Es ist zwar möglich, Resonanz zu beobachten, aber es ist bestenfalls unproduktiv (schlimmstenfalls gefährlich), zu versuchen, ihren universellen Bauplan zu formulieren. Resonanz kann niemals einseitig von einem Subjekt definiert und einem Objekt aufgezwungen werden. Sie ist ein kulturell, psychologisch und situativ vermittelter Prozess. Aus der Notwendigkeit heraus, zu überprüfen, ob ich in meiner zukünftigen Rolle als Interpret neuer Musik an einer Resonanzdynamik mit den Zuhörenden teilhaben würde, begann ich, die historische Entwicklung des Musikkonsums nachzuvollziehen. An diesem Punkt setzte auch meine Doktorarbeit an. Sowohl Konzertinstitutionen als auch digitale Plattformen verfolgen denselben Traum: Resonanz auf Abruf verfügbar und reproduzierbar zu machen. Doch während Kurator_innen fundierte Vermutungen über den Geschmack und die Prioritäten von Zielgruppen anstellen, durchkämmen Spotify und YouTube detaillierte Daten, die sich auf einen Namen, einen Nachnamen und einen GPS-Standort beziehen. Zwei Arten der Vermittlung, die sich nicht gegenseitig ausschließen, sondern vielmehr symbiotisch sind. Entfernt man daher die Resonanz aus den Transaktionen und stellt sie in den Fokus des künstlerischen Prozesses, so stellt man die Grundvoraussetzungen des Wirtschaftsmodells infrage, in dem wir Musik schaffen und vertreiben. Und doch habe ich in meinen ersten Fallstudien noch versucht, Konzertformeln heranzuziehen und an ihren Variablen zu schrauben. Alles änderte sich, als ich schließlich erkannte, dass die Aufführung um die musikalische Praxis kreisen muss, nicht umgekehrt. Daraufhin begann ich, wie ein Flaneur lange, ziellose Spaziergänge durch Wien zu unternehmen und spontane Gespräche mit mir bis dahin völlig Fremden zu führen. Mit der Zeit entstanden aus einigen dieser Interaktionen langfristige Dialoge, die von kreativen Inputs und Outputs unterbrochen wurden. Hinter diesen Begegnungen steckt kein Kalkül, keine soziopolitische Auswahl oder etische Agenda; die Begegnung ist alles, was es gibt. Einige der in diesem Prozess entstandenen Musikstücke sind den Menschen, die ich getroffen habe, völlig fremd. Wenn sie sagen: „Das ist für mich keine Musik“, dann frage ich: „Was fehlt?“ – Und schon arbeiten wir zusammen. Zu Kontaminationen in dieser Forschung kommt es, wenn „externe“ Mitforschende mit uns gemeinsam eine Performance gestalten. Die daraus resultierenden Kunstwerke werden anschließend, in welcher archivierbaren Form auch immer, den Teilnehmer_innen geschenkt. Wie Phædrus, der Namensgeber dieser Forschungsmethode, in den Romanen von Robert Pirsig treffend formuliert: „Wenn jeder weiß, was Qualität ist, warum ist sie dann so schwer zu definieren?“ Dieser Prozess, der sich noch in seiner Anfangsphase befindet, hat bisher vier Projektmitarbeiter_innen und zwei Co-Forscherinnen – Aya Masui (Hochschule Luzern) und Livia Schweizer (Sibelius-Akademie) – beschäftigt. Die vorläufigen Ergebnisse werden auf zwei internationalen Konferenzen zur künstlerischen Forschung an der Estnischen Akademie für Musik und Theater in Tallinn (für die European Platform for Artistic Research in Music) und an der Universität Porto (für die Society for Artistic Research) präsentiert.

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