Forschende der mdw als Wissenschaftsbotschafter_innen

Wie erfahren Kinder und Jugendliche, was an Universitäten erforscht wird? Wo zeigen sich die Erkenntnisse von Wissenschaftler_innen und Forschenden unmittelbar in unserem Alltag? Die Formate der Wissenschaftskommunikation richten sich an Menschen außerhalb der akademischen Fachbereiche, um sie auf möglichst zugängliche Weise mit Themen aus Wissenschaft und Forschung in Kontakt zu bringen.

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Hannah Riedl, Musiktherapeutin, Senior Scientist und Lehrende am Institut für Musiktherapie, Malte Kob, Professor für Stimmforschung am Antonio Salieri Institut für Gesang und Stimmforschung in der Musikpädagogik und Anna Wukovits-Zethner, zuständig für Wissenschaftskommunikation in der Forschungsförderung der mdw, sprechen über Chancen und Herausforderungen in der Wissenschaftskommunikation.

Frau Riedl und Herr Kob, Sie engagieren sich als Wissenschaftsbotschafter_innen. Im Rahmen des Programms des OeAD stellen Sie in Schulworkshops ihre Forschungsfelder und Berufe vor. Wie gehen Sie vor und was erleben Sie dabei?

Hannah Riedl (HR): Ich frage die Schüler_innen meist am Anfang, was ihnen zu Musiktherapie einfällt. Einmal fragte ein Schüler, ob Musiktherapie für blinde Menschen sei. Von den Antworten ausgehend erschließe ich mit den Schüler_innen, in welchen Feldern Musiktherapie angewandt wird und wie das abläuft. Ältere Schüler_innen können oft leichter durch eigene Erfahrungen oder die ihres Umfelds zu Therapieformen etwas assoziieren und beitragen. Auch Fragen zum Beruf Musiktherapeut_in, wie Stellen und Gehalt, werden in höheren Schulstufen thematisiert.

Malte Kob (MK): Ich biete einen Workshop zur Raumakustik und einen zur Physik der Singstimme an. Beim Thema Raumakustik frage ich zuerst: „Was fällt euch an diesem Klassenraum auf, wenn ihr klatscht und ruft, und wie ist es im Vergleich dazu in einem hallenden Raum, z. B. einem Flur?“ So erfahren die Schüler_innen, welche Rückwirkung verschiedene Räume geben. An ihren Eindrücken anknüpfend erörtern wir im Dialog Grundlagen der Raumakustik. Beim Workshop zur Singstimme demonstriere ich Beispiele anhand meiner eigenen Singstimme. Dadurch wirke ich als Wissenschaftler nahbar.

Warum ist ein Programm wie die Wissenschaftsbotschafter_innen wichtig und was können die Forschenden dabei lernen?

Anna Wukovits-Zethner (AWZ): Durch die an die Altersstufen angepassten Workshops werden auch Kinder und Jugendliche erreicht, die nicht aus wissenschaftsinteressierten Familien stammen. Interesse und Bewusstsein für Wissenschaft und Forschung werden geweckt, indem z. B. vermittelt wird, wo ein Forschungsfeld im Leben der Schüler_innen präsent ist. Für sie wirkt es ermutigend, wenn ihnen zugetraut wird, sich mit Themen zu befassen, die an Universitäten erforscht werden. Zudem können sich Forschende als Menschen mit Stärken und Schwächen präsentieren und ein realistischeres Bild von Forschung bieten. Zentrale Ansätze in der Wissenschaftskommunikation sind das Kommunizieren auf Augenhöhe und die Anerkennung von unterschiedlichen Wissensformen.

HR: Ist man in einem wissenschaftlichen Feld tätig, lernt man vor allem, sich in der Fachsprache mit den Kolleg_innen der wissenschaftlichen Community auszutauschen. Durch Formate der Wissenschaftskommunikation haben Forschende ein geniales Lern- und Übungsfeld, wie sie ihre Arbeit in einfacher Sprache und in Bezug auf die jeweiligen Lebensrealitäten erklären können. Ich halte das für essenziell, auch hinsichtlich der eigenen Lehrtätigkeit an der Universität.

MK: Von Kindern und Jugendlichen bekomme ich unmittelbare Reaktionen auf Fragen. Die Schüler_innen mit sehr unterschiedlichen Hintergründen bringen alle möglichen Ideen und wiederum Fragen in den Dialog ein, auf die ich als Forschender reagieren muss. Das ist ein unglaublich gutes Training, weil es Improvisation erfordert und so anders ist als der Ablauf einer Lehreinheit an der Universität. Für die Kinder kann dieser Diskurs das Interesse an späterer wissenschaftlicher Arbeit wecken.

Wie sieht es mit der an Erwachsene gerichtete Wissenschaftskommunikation aus und wie beurteilen Sie die oft thematisierte Wissenschaftsskepsis?

AWZ: Wenn jemand nicht anerkennt, dass Forschende Wissen schaffen und dass es fundierte Methoden gibt, die dazu führen, wird man diese Person kaum umstimmen können. Daher ist es wichtig, möglichst früh in der Schule anzusetzen. Kinder und Jugendliche sind potenzielle Multiplikator_innen und können möglicherweise in ihren Familien etwas bewirken. Die Lange Nacht der Forschung1 oder das Wiener Forschungsfest, bei dem 2025 erstmals die Musiktherapie vertreten war, richten sich an Menschen jeden Alters und die mdw hat den Vorteil auch künstlerische Beiträge präsentieren zu können. Das hat großes Potenzial, ein breites Publikum auf emotionaler Ebene anzusprechen, und es entspricht der Zielsetzung als Universität im Rahmen ihrer „Third Mission“, Zielgruppen außerhalb der eigenen Communitys einzubeziehen und den Zugang zu Kunst, Kultur und Wissenschaft zu ermöglichen.

MK: Die Lange Nacht der Forschung ist eine tolle Möglichkeit neue Methoden vorzustellen und zu zeigen, wie diese für heutige Fragestellungen anwendbar sind. Um diesen Outreach zu verstärken, kann ich mir eine noch intensivere Zusammenarbeit mit den künstlerischen und pädagogischen Bereichen der mdw vorstellen. Die reine Forschung zu vermitteln, ist nicht einfach, aber in Anwendung bei künstlerisch-pädagogischen Fragestellungen gut möglich.

HR: Wissenschaftsskepsis habe ich bei Kindern und Jugendlichen bisher nicht erlebt. Ich denke, jeder Mensch will lernen und interessiert sich für etwas. Ich werfe meinem jungen Publikum keine Skepsis vor und gehe von ihrer Neugierde aus bzw. versuche diese zu wecken.

Welche Entwicklungen gibt es in der Wissenschaftskommunikation an der mdw und welche sind wünschenswert?

AWZ: Die Forschungsförderung setzt seit einigen Jahren Maßnahmen in der Wissenschaftskommunikation. Wir merken eine erhöhte Offenheit und Motivation der Forschenden, sich aktiv zu beteiligen und neue Kompetenzen zu entwickeln. Da es an der mdw viele verschiedene Disziplinen gibt, ist es unser Ziel, möglichst individuelle Angebote zu schaffen, etwa in Form von Weiterbildungen, wie Workshops zur Erstellung von Podcasts und Videos als Möglichkeiten einer Up-to-date-Kommunikation oder der Organisation von Art-Science-Hubs. Eine verstärkte Einbeziehung von Studierenden wäre ein weiterer spannender Ansatz.

HR: Sich in der Methodik der Wissenschaftskommunikation fortzubilden ist, finde ich, eine methodische Vertiefung wie bei einem Forschungsprojekt. Wichtig ist, dass sich Forschende über Wissenschaftskommunikation austauschen, als Forschungs-Community Wissen dazu erarbeiten und untereinander wertschätzen, was die Kolleg_innen machen. Diese Art von Tätigkeit sollte von der eigenen Universität klar gewollt werden, es muss im Portfolio zählen, dass Forschende Wissenschaftskommunikation als Teil der Forschungstätigkeit betreiben.

mdw.ac.at/forschungsfoerderung/wissenschaftskommunikation

youngscience.oead.at/de/wissenschaftsvermittlung/wissenschaftsbotschafter-innen

  1. Findet alle zwei Jahre statt, nächstes Mal am 24. April 2026.
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