Frau Rektorin Sych, im März wurde die neue österreichische Bundesregierung angelobt. Gibt es vonseiten der österreichischen Musikuniversitäten bzw. von der mdw schon konkrete Pläne für einen ersten Austausch?

Ulrike Sych (US): Wir sind in Vorbereitung auf diese Gespräche und werden hoffentlich bald in einen regen Austausch treten, um gemeinsam zukunftsweisende Bildungsstrategien zu entwickeln. Wir sind dem Wissenschaftsministerium zugeordnet, werden aber ebenso mit dem Kultur- und Außenministerium wieder in engem Austausch stehen. Ich bin zuversichtlich, dass wir gemeinsam gute Wege gehen werden, zumal unsere Universität weltweit eine führende Rolle spielt und auch in die Qualitätssicherung der Kunstausbildung international involviert ist.
Aus Ihrer Perspektive bzw. Erfahrung als Rektorin der mdw: Welchen Themen sollte vorrangig Aufmerksamkeit gewidmet werden?
US: Priorität hat zunächst die Frage der Budgetierung. Konkret geht es um das Budget 2028–2030, das wir jetzt mit der neuen Regierung ausverhandeln werden.
Dass im kürzlich veröffentlichten QS World University Ranking 2025 die mdw wieder den 4. Platz im Bereich „Performing Arts“ erreichen konnte, ist sicherlich eine gute Ausgangslage für diese Verhandlungen.
US: Wir zählen seit Jahren zu den weltbesten Musikuniversitäten – das ist auch für Österreich eine tolle Reputation. Um an der Weltspitze zu bleiben, sind natürlich bestimmte Rahmenbedingungen und Ressourcen notwendig – dazu zählt auch das Budget.
Mein zweites großes Anliegen ist die Musikpädagogik. Im Regierungsprogramm finden sich Überlegungen, die Pädagogik noch stärker mit anderen Institutionen zu vernetzen – Kompetenzen sollen tendenziell eher den pädagogischen Hochschulen überantwortet werden. Für die Musikpädagogik wäre das, meiner Ansicht nach, suboptimal.
Weshalb wäre es Ihrer Ansicht nach wichtig, dass im pädagogischen Bereich die Fachkompetenzen vorrangig bei den Musikuniversitäten und Musikhochschulen bleiben?
US: Aus unserer Sicht muss die Fachkompetenz in der künstlerisch-pädagogischen Ausbildung unbedingt an den Musikuniversitäten und Musikhochschulen bleiben. Daher ist die mdw zur Wahrung der Qualitätssicherung einen eigenen Weg gegangen und hat sich als eine von wenigen Universitäten österreichweit nicht der Verbundlösung1 angeschlossen. Wir gehen Kooperationen ganz gezielt nur in jenen Bereichen ein, wo uns eine Kooperation sinnvoll erscheint. So arbeiten wir seit Jahren erfolgreich mit den pädagogischen Hochschulen des Clusters Nord-Ost (PH Wien, PH NÖ, KPH Wien/Krems) und mit der PH Burgenland zusammen. Ich hoffe, dass dieses System auch von der neuen Regierung akzeptiert und unterstützt wird.
An der mdw spielt der Bereich Artistic Research eine wesentliche Rolle. Ist die Musikpädagogik ebenfalls in die wissenschaftliche Forschung integriert?
US: Alle Studienzweige der mdw sind stark mit Wissenschaft und Forschung verwoben – auch in der Musikpädagogik gibt es ein eigenes Forschungsinstitut. Man kann die Pädagogik nur in ihre höchste Exzellenz bringen, wenn man sie ganz gezielt vom Konzertfach trennt. Das sind zwei völlig unterschiedliche Bereiche, die unterschiedliche Expertisen erfordern. In der Forschung ist unsere Universität mittlerweile genauso stark aufgestellt wie in der Kunst.
Apropos fachliche Expertise: Welche Parameter setzt die mdw bei der Auswahl der Lehrenden?
US: Wir sind eine extrem qualitätsgesicherte Universität. Sowohl im Bereich der Kunst, der Wissenschaft wie in der Pädagogik gibt es sehr objektive und hochqualifizierte Hearings. Unsere Lehrenden müssen in ihrem speziellen Fach Exzellenz aufweisen und darüber hinaus sehr gute pädagogische Fähigkeiten besitzen. Wobei wir den Qualitätsbegriff erweitert verstehen und ihn mit einer Haltung verbinden, die für uns nicht verhandelbar ist: nämlich mit der Wahrung der Würde und der Rechte der Menschen. Themen wie Gleichbehandlung, Transkulturalität, Diversität und Inklusion sind uns enorm wichtig – in diesen Bereichen sind wir auch in der Forschung tätig. Auch dahingehend hat sich die mdw weltweit einen USP erarbeitet.
Zudem ist für uns eine lebenswerte Zukunft zentral. Wir sind uns unserer ökologischen Verantwortung bewusst und achten auch innerhalb der Organisation auf einen nachhaltigen Umgang mit ökologischen Ressourcen. Als Ausbildungsinstitution vermitteln wir unseren Studierenden Perspektiven und Kompetenzen, die sie dazu befähigen, die Zukunft auch im ökologischen Sinn aktiv mitzugestalten.
In weiterer Konsequenz bedeutet das, dass wir nicht nur in der Lehre, sondern auch in der Verwaltung sehr genau darauf achten, dass in diesem Haus Menschen tätig sind, die unsere Haltung mittragen. Ein respektvolles Miteinander ist uns ganz wichtig. Alle Menschen in unserem Haus tragen ihren Teil dazu bei, dass wir an der Weltspitze sind.
Wie soeben von Ihnen angesprochen, steht die mdw in Kunst, Lehre und Forschung für eine demokratische, gerechte und weltoffene Gesellschaft. In der aktuellen Weltpolitik ist teilweise eine Abkehr oder Infragestellung dieser Werte zu beobachten. Wie sehen Sie diese Entwicklung?
US: Ich denke, dass es gerade jetzt die Aufgabe von Universitäten und Hochschulen ist, noch stärker die demokratischen Werte in die Gesellschaft zu tragen. Dieses Ansinnen ist auch in § 1 des Universitätsgesetzes verankert. Die Rektor_innen der österreichischen Musikuniversitäten und Musikhochschulen treffen sich regelmäßig zu Sitzungen und wir werden diese Themen heuer verstärkt nach außen tragen, um dem entgegenzuwirken, was gerade in der Weltpolitik passiert: dass Hass zwischen den Menschen geschürt wird und die Kommunikation immer rüdere Formen annimmt. Der Aufruf zum gegenseitigen Respekt, zur Gleichbehandlung und zur Wahrung demokratischer Werte ist heute wichtiger denn je.
Was können Musikuniversitäten in dieser Beziehung realistischerweise bewirken?
US: An der mdw gibt es zahlreiche Lehrveranstaltungen zu diesen Themen. Zudem zählen wir mit über 1300 Veranstaltungen im Jahr zu Österreichs größten Veranstaltern. Unser Portfolio umfasst auch Projekte und Veranstaltungen zu Antidiskriminierung, Rassismus etc. Auch in der Forschung sind wir in diesen Themenbereichen gut aufgestellt.
Wie werden diese Veranstaltungen und Projekte angenommen?
US: Sehr gut! Das zeigt auch, dass es einen hohen gesellschaftlichen Bedarf gibt.
Abschließend noch Ihre Meinung zur nationalen und internationalen Reputation der Absolvent_innen der mdw.
US: Die mdw ist eine sehr internationale Universität. Unsere Studierenden kommen aus 72 Nationen weltweit. Wir sind äußerst qualitätsbezogen und streng bei den Zulassungsprüfungen und wir sind auch in der glücklichen Lage, die besten Studierenden aus der ganzen Welt auswählen zu dürfen. Egal, wo ich als Rektorin in der Welt unterwegs bin, überall treffe ich unsere Absolvent_innen: an den größten Bühnen der Welt sowie den tollsten Filmsettings. – Unsere Filmakademie ist eine einzige Erfolgsstory: Patrick Vollrath und Sebastian Thaler, Regie-Absolventen der Filmakademie Wien, gewannen den Studentenoscar2 und Patrick Vollrath war 2016 mit Alles wird gut auch für den Oscar in der Kategorie „Best Live Action Short Film“ nominiert.
Bisweilen kommen erfolgreiche Absolvent_innen auch als Lehrende an die mdw zurück, wie beispielsweise die Komponistin Olga Neuwirth.
US: Für uns ist der enge Austausch mit unseren Alumni wichtig. Die Verbindung halten, um gemeinsam an der Weiterentwicklung unserer Universität zu arbeiten, steht dabei im Fokus. Olga Neuwirth ist beispielsweise neben dem Dirigenten Andrés Orozco-Estrada, der Regisseurin Barbara Albert oder dem Violinisten Christian Altenburger eine von vielen ehemaligen Absolvent_innen, die als Lehrende an die mdw zurückgekommen sind. Sie sind eine große Bereicherung für unsere Lehre – allerdings nicht vordergründig, weil sie bei uns studiert haben, sondern weil sie aufgrund ihres Könnens unserem Qualitätsanspruch entsprechen.
Viele Absolvent_innen der mdw finden sich auch in den besten Orchestern der Welt – gerade auch in jenen, die die Wiener Klangtradition pflegen – also z. B. bei den Wiener Philharmonikern oder den Wiener Symphonikern.
US: Es ist uns ein ganz großes Anliegen, die Wiener Klangtradition zu pflegen. Wir unterrichten Instrumente, die es nur bei uns in Wien gibt, wie etwa das Wiener Horn, die Wiener Oboe oder die Wiener Pauke und beforschen diese Tradition auch an unserem Institut für Wiener Klangstil. Aktuell ist auch zu beobachten, dass die Wiener Instrumente, die Wiener Klänge weltweit im Vormarsch sind. Viele unserer Professor_innen, die diese Fächer unterrichten, sind selbst Orchestermusiker_innen, die in dieser Wiener Klangtradition verhaftet sind. Auch das zeichnet die mdw weltweit aus und macht sie einzigartig.
- Durch das Bundesrahmengesetz zur Einführung einer neuen Ausbildung für Pädagoginnen und Pädagogen (BGBl. I Nr. 124/2013) wurde die Ausbildung der Pädagog_innen neu geregelt. Das Lehramtsstudium Sekundarstufe (für Lehrende an Mittelschulen und AHS und für Lehrende der BHS) wird seither von den Universitäten und Pädagogischen Hochschulen gemeinsam geführt. Alle Lehramtsstudien wurden in einen der Hochschulcluster „Verbund Mitte“, „Verbund Nord-Ost“, „Verbund Süd-Ost“ und „Verbund West“ geführt. Die Wiener Kunstuniversitäten (mdw – Universität für Musik und darstellende Kunst Wien, Universität für angewandte Kunst Wien, Die Akademie der bildenden Künste Wien) sind kein Teil des Verbunds und gehen zur Wahrung der Qualitätssicherung der Kunstausbildung einen eigenen, individuelleren Weg, bei dem gezielte Kooperationen eingegangen werden.
- Der umgangssprachliche Ausdruck „Studentenoscar“ steht für Student Academy Award.