Musik und Suizidalität. Interdisziplinäre Perspektiven, hg. von Julia Heimerdinger, Hannah Riedl und Thomas Stegemann, mdwPress, Wien und Bielefeld 2025

Eine Playlist mit dem Titel „Music About Suicidal Thoughts“ ist heutzutage leicht zu finden. Das Buch über Musik und Suizidalität ist daher keinem Randthema gewidmet, sondern reiht sich ein in eine zunehmende Reihe von Publikationen über die Effekte von Musik über und auf Phantasien, Absichten, Vorbereitungen und Akte von Selbsttötung. Die Beiträge im Buch bieten Einblicke aus verschiedenen Disziplinen, aus Kulturwissenschaft und Musikwissenschaft, Medizin und Musiktherapie sowie Suizidforschung, Jugendpsychiatrie und Medienpsychologie. Angesichts aktueller Entwicklungen ist diese Zusammenstellung außerordentlich sinnvoll, auch wenn aus den einzelnen Fachgebieten letztlich nur die wichtigsten Aspekte zusammengefasst werden konnten. Letzteres sollte nicht dazu verleiten, einfache Handbuchartikel zu erwarten – jeder Text hat Gewicht, gerade deshalb, weil es Fokussierungen gibt. Ein Beitrag von Thomas Macho zur Kulturgeschichte der Suizidepidemien setzt das Niveau, obwohl es ein Wiederabdruck ist. Daneben werfen Julia Heimerdinger und Andy R. Brown Schlaglichter auf historische und gegenwärtige Musik und Suizidalität in Opern, Liedern, Instrumentalmusik und Heavy Metal. Aus medizinischer und musiktherapeutischer Sicht ist der Zugang zum Thema Musik und Suizidalität eine ambivalente Perspektive. Der Arzt und Psychotherapeut Claudius Stein leitet vom „Papageno-Effekt“ seine Einsichten zur Krisenintervention und Suizidprävention ab. Andererseits ist Musik nicht immer ein erfolgreiches Mittel, den Suizid zu verhindern, wie die Musiktherapeutin Susanne Korn ebenfalls aus eigener Erfahrung berichtet. Ein Rückblick auf seine frühen Forschungen zur Thematik bietet der posthum herausgegebene Text von Harm Wilms Über die Rolle der Musik bei Suizidhandlungen. Einblicke in aktuelle Untersuchungen der Zusammenhänge zwischen Suizidrisikofaktoren und individuellen Musikpräferenzen bieten Benedikt Till und Thomas Niederkrotenthaler, beide Experten aus der Suizidforschung und aus dem Bereich Public Mental Health. Ein Beitrag über Musik, Selbstverletzung und Suizidalität des leitenden Kinder- und Jugendpsychiaters Paul Plener schließt an, der erneut die ambivalente Wirkung von Musik und sozialen Medien beschreibt, die einerseits Risiken bergen würden, andererseits aber auch präventive Effekte haben könnten. Das Buch schließt mit einem besonderen Text von Studierenden einer Lehrveranstaltung ab, die zur Rolle der Musik in der Netflix-Serie Tote Mädchen lügen nicht an der mdw von Julia Heimerdinger (Musikwissenschaft) und Thomas Stegemann (Kinder- und Jugendpsychiatrie) abgehalten wurde. Gemeinsam mit der Musiktherapeutin Hannah Riedl haben die beiden im Mai 2022 eine Konferenz organisiert, aus der der vorliegende Sammelband hervorgegangen ist, der auch Open Access zur Verfügung steht. Eine Zugabe besteht außerdem in der Möglichkeit, Musikbeispiele per QR-Codes abzurufen.
