Magdalena Fürnkranz, Juri Giannini (Hrsg.), Yugoslav Disco. Digging into an “Excluded” Musical Culture of Late Socialism, Vol. X No. 1–2 (2024), TheMA – Open Access Research Journal for Theatre, Music, Arts, 2024.

Wenn man an die Popularmusik Jugoslawiens denkt, so werden oft Assoziationen zur viel erforschten und analysierten Rock- und Punkmusik Jugoslawiens gemacht. Diesen Genres wird ein politischer und subversiver Charakter zugeschrieben, im Gegensatz dazu wurde Discomusik als nicht-politisch und kommerziell eingestuft, weshalb ihr dementsprechend weniger Aufmerksamkeit zuteil wurde. Die Spezialausgabe des Open-Access-Journals TheMA befasst sich mit diesem verhältnismäßig wenig untersuchten Gebiet der jugoslawischen Discomusik. Die Ausgabe, herausgegeben von Magdalena Fürnkranz und Juri Giannini, umfasst drei Artikel, die sich transdisziplinär mit unterschiedlichen Facetten der jugoslawischen Discomusik und -kultur auseinandersetzen.

© TheMA, Hollitzer Wissenschaftsverlag

Fürnkranz und Giannini behandeln in ihrem Beitrag Fragen von Transfer und Transformation von Discomusik zwischen West und Ost. Anhand drei verschiedener Songs untersuchen sie, wie Discomusik von Vorbildern wie Boney M. oder Donna Summer, oder aber auch dem Musical Hair, von jugoslawischen Gruppen verarbeitet und verwandelt wird. Der zweite Artikel, von Adriana Sabo, umfasst eine spannende Auseinandersetzung mit der Produktion von Sexualität und Femininität in der jugoslawischen Discoszene, anhand des Beispiels der Band Lokice. Die Art der Produktion und Darstellung von femininer Körperlichkeit und Heterosexualität oder „Heterosexiness“ durch Lokice folgt einer Norm des damals akzeptierten Körperbildes im Musikmarkt und perpetuiert diese. Sabo zeigt in ihrem Artikel auf, wie der weibliche Körper in der jugoslawischen Discokultur wahrgenommen wird. Im dritten Beitrag befasst sich Tanja Petrović kritisch mit dem Konzept von Nostalgie für den Sozialismus in Jugoslawien, der „Yugonostalgia“. Petrović untersucht, wie Yugonostalgia-Fragmente der sozialistischen Vergangenheit selektiert werden und appeliert an eine reflektiertere Auseinandersetzung mit dieser Form der Nostalgie. Neben den drei Aufsätzen enthält diese Spezialausgabe außerdem zwei Interviews mit wichtigen Personen der Discoszene, geführt von Marko Zubak.

Diese Aufsatzsammlung bietet einen spannenden Einblick in unterschiedlichste Facetten zur jugoslawischen Discomusik. Durch die unterschiedlichen theoretischen Ansätze der Artikel sowie die Interviews, erhält man ein breitgefächertes Bild und Verständnis für eine in der Forschung wenig präsente Thematik. Als besonders positiv sind außerdem die Playlists anzumerken, die mittels QR-Codes in einigen Artikeln hinzugefügt wurden. So wird Leser_innen das auditive Eintauchen in die jugoslawische Discomusik gewährt. Ein absolut empfehlenswertes Lese- und Hörerlebnis.

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