Mit diesem innovativen Bildungsprogramm sind die mdw und die Technische Universität Wien bei der Expo 2025 in Osaka im Österreich-Pavillon vertreten.
„Trans-Bodied Knowledge“ ist ein künstlerisches Forschungsprojekt unter der Leitung von Efilena Baseta, gefördert vom PEEK-Programm des Österreichischen Wissenschaftsfonds für kunstbasierte Forschung (Förderungsnummer AR 802-G). Im Rahmen dieses Projekts versuchen die technisch orientierte TU Wien, und die künstlerisch ausgerichtete mdw durch das Verwischen der Grenzen zwischen Wissenschaft und Kunst einzigartige Erkenntnisse zu gewinnen.
Im vergangenen Jahr haben Lehrende beider Institutionen transdisziplinär zusammengearbeitet, um eine einzigartige Lehrveranstaltung für Architekturstudent_innen unter dem Motto From Space to Wearables zu entwickeln. Architektur ist ein äußerst kreatives Studienfach, das sich in den letzten zwei Jahrzehnten durch den zunehmenden Einsatz digitaler Designsoftware radikal verändert hat. Früh im Studium erlernen die Studierenden den Umgang mit unterschiedlichster Software, um mittels eines immeratieriellen und maßstablosen digitalen Abbilds Entwürfe anzufertigen, während ihr Raum- und Materialempfinden zunehmend weniger geschult wird. Dadurch wird der menschliche Körper aus dem kreativen Prozess „ausgeschlossen“.
Der Fokus der gemeinsamen Lehrveranstaltung lag daher auf dem Design so genannter Wearables (Objekte, die direkt am Körper getragen werden können), da diese eine haptisch sensorische Verbindung mit unserem Körper eingehen. Das Design solcher Objekte ist eng mit all unseren Sinnen verbunden. Der Kurs hob insbesondere die Bedeutung des Hör- sowie des Tastsinns für die Raumwahrnehmung und das Design hervor. Die Lehrveranstaltung war in mehrere aufeinander aufbauenden Abschnitte gegliedert, wodurch mithilfe unterschiedlicher Medien der Raum in Wearables umgewandelt wurde.

Der erste Abschnitt fokussierte sich darauf, ein Bild in Klang umzusetzen. Da Architekturstudent_innen keine Partituren lesen können, aber durchaus mit Grafiken vertraut sind, wurden sie gebeten unter der Leitung von Christos Marantos (Lehrbeauftragter am Institut für Kompositionsstudien, Ton- und Musikproduktion der mdw) und ausgehend von grafischen Notationen von Anestis Logothetis Klavierimprovisationen mit einer Länge von bis zu zwei Minuten zu spielen. Die Analyse dieser grafischen Partituren eröffnete neue Perspektiven und Assoziationen, die die Kreativität der Studierenden befeuerte. Sie machten sich mit dem Instrument vertraut, indem sie alle Teile des Klaviers (z. B. die Saiten, die Tasten und den Korpus) nutzten. Dadurch erkundeten sie die verschiedenen Klänge, die durch die unterschiedlichen Materialien erzeugt werden. Anschließend übersetzten sie die Elemente der grafischen Partituren in Klang. Das breite Materialspektrum im Spiel regte die haptische Wahrnehmung an und vermittelte den Studierenden das Gefühl, selbst das Instrument zu sein, anstatt nur darauf zu spielen.
In einem zweiten Schritt führte Georg Misch (Professor für Filmton am Institut für Kompositionsstudien, Ton- und Musikproduktion der mdw) die Studierenden in die Worldizing-Technik ein. Die Klavierimprovisationen der Studierenden wurden zunächst in einem Raum ohne die raumeigene Akustik aufgenommen, wodurch die Architekturstudent_innen den Ablauf einer Aufnahmesession mit ihren eigenen Improvisationen erleben konnten. Anschließend wurden diese Aufnahmen über Lautsprecher in unterschiedlichen Räumen am mdw-Campus (z. B. Innenhof, Foyer des Klangtheaters) abgespielt, wobei sie neu aufgenommen und mit der physikalischen Akustik dieser Räume angereichert wurden. Dadurch konnten die Studierenden die Bedeutung von Akustik in der architektonischen Gestaltung viel leichter nachvollziehen.
In einem weiteren Schritt entwickelten die Studierenden basierend auf den sensorischen Inputs aus ihren mit der Raumakustik angereicherten Aufzeichnungen Designideen, die anschließend in Zeichnungen umgewandelt und mittels analoger und digitaler Herstellungstechniken in den Räumlichkeiten der Abteilung für dreidimensionales Gestalten und Modellbau der TU Wien mit Unterstützung der dortigen Mitarbeiter_innen hergestellt wurden. Die so entstandenen Wearables sind „Instrumente“, die, einmal am Körper befestigt, die Kinästhesie und den Tastsinn ihrer Benutzer_innen und damit auch deren räumliche Wahrnehmung verändern können. Die Tatsache, dass diese Wearables durch die Aktivierung aller Sinne inspiriert und gestaltet wurden, zeigt sich in ihrer starken haptischen Wirkung auf ihre Nutzer_innen. Die zahlreichen Besucher_innen der Mitmachausstellung im Rahmen des KlangBildKlang-Festivals der mdw im Juni 2024 konnten sowohl die Wearables als auch die Aufnahmen der Klavierimprovisationen hautnah erleben.
Der vielschichtige experimentelle Lernprozess, der in dieser Lehrveranstaltung entwickelt und umgesetzt wurde, wurde von der Wirtschaftskammer Österreich als innovatives Bildungsprogramm ausgewählt. Als solches wird es Gegenstand eines Videos sein, das den begleitenden Lehrprozess veranschaulicht. Dieses Video wird von April bis Oktober 2025 im Innovation Lab im österreichischen Pavillon auf der Weltausstellung in Osaka gezeigt, wo Millionen Besucher_innen erwartet werden.
Das Team des künstlerischen Forschungsprojekts Trans-Bodied Knowledge wird dank der Unterstützung der TU Wien und des International Office der mdw selbst nach Japan reisen, um die Expo zu besuchen. Anschließend wird das Projekt an weiteren akademischen Einrichtungen, wie der Universität Tokio, dem Kyoto Institute of Tehnology und dem Hiroshima Institute of Technology, präsentiert.
Der oben beschriebene Kurs wird im laufenden Studiensemester fortgesetzt, wobei eine neue Gruppe von Architekturstudierenden der TU Wien die haptischen Wearables der ersten Gruppe testen und nutzen darf und in weiterer Folge in multisensorische Performances verwandeln wird. Die Ergebnisse werden am Freitag, dem 27. Juni im Klangtheater des Future Art Lab der mdw präsentiert. Die genaue Uhrzeit wird noch im mdw-Veranstaltungskalender bekannt gegeben.
