Vor etwas mehr als 100 Jahren, Ende 1924, wurde die Fachhochschule für Musik und darstellende Kunst, die parallel zur Akademie für Musik und darstellende Kunst bestand, als eine der Vorgängerinstitutionen der heutigen mdw gegründet. Sie wurde bereits nach wenigen Jahren wieder aufgelöst und riss auch die Akademie, mit der man das Gebäude sowie Ressourcen geteilt hatte, in eine tiefe Krise. Anlässlich des 100-Jahr-Jubiläums wurden die Ereignisse rund um diese Institution in dem Buch Geschichte eines gescheiterten Experiments. Wiener Fachhochschule für Musik und darstellende Kunst (1924–1931) aufgearbeitet.

Trotz ihrer äußerst kurzen Lebensdauer und wenig nachhaltigen Existenz ist es nicht nur reizvoll, sondern auch wichtig, die Geschichte dieser Hochschule zu erzählen. Auch unter Berücksichtigung der Andersartigkeit des aktuellen gesellschaftspolitischen Gefüges erscheint so manches in den Ereignissen von damals von bedrückender Aktualität: In der Geschichte der Fachhochschule für Musik und darstellende Kunst offenbaren sich wie unter einem Brennglas die Folgen von Fehlplanung, Intrige, weltanschaulicher Entzweiung, Missgunst und politisch-ideologischer Einflussnahme.

Rektorskette der Fachhochschule: Der mdw-Podcast Klingende Zeitgeschichte im Ohr widmet sich ab Herbst 2025 spannenden Kapiteln der mdw-Geschichte und begibt sich unter anderem auf die Spur nach der verlorengegangenen Rektorskette. © mdw-Archiv
Die Hochschule – ein lang ersehnter Wunsch

Wie kam es zur Einrichtung der Fachhochschule und ihrem so baldigen Ende? Die heutige mdw wurde 1817 als Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde gegründet. 1909 kam es zur Verstaatlichung des bis dato privat geführten Konservatoriums. In diesem Zusammenhang äußerten viele Beteiligte zwar den Wunsch nach einer künstlerischen Hochschule, doch wurde dem nicht stattgegeben und so entsprach die neugegründete Akademie – trotz der Ausbildung bis zur höchsten künstlerischen Stufe – vom Rang wie auch der Anstellungsform und Bezahlung der Lehrenden her lediglich einem Gymnasium. Die in den Folgejahren geführten Verhandlungen waren jedoch von Erfolg gekrönt: Mit Oktober 1924 kam es zur Gründung der lang ersehnten Fachhochschule. Diese trat jedoch nicht an Stelle der weiterhin bestehenden Akademie, sondern übernahm grosso modo lediglich die höheren Ausbildungsjahrgänge.

Baldige Schwierigkeiten und frühes Ende

Besonders in der Frage des Personals zeigten sich sehr bald erste Schwächen dieser ungewöhnlichen Doppelkonstruktion: Die Professor_innen und Dozent_innen entstammten fast ausschließlich dem Lehrkörper der Akademie, blieben dort auch weiterhin tätig und genossen eine erhebliche Besserstellung. Sehr bald entzündete sich sowohl an dieser unheilvollen Konstellation, aber auch aufgrund von ideologisch-politischen Auseinandersetzungen ein regelrechter Streit, der sich zu einer tiefen Spaltung innerhalb der beiden Teil-Häuser entwickelte. Auseinandersetzungen in Bezug auf Postenbesetzungen und Ressourcenverteilung sowie interne Lagerbildungen beschäftigten die Gremien beider Institutionen weit mehr als Lehrinhalte. Dies begünstigte eine zunehmende Einflussnahme seitens der politischen Administration, die mit einem kontinuierlichen Verlust der Autonomie einherging. Innerhalb weniger Jahre zeichnete sich das baldige Ende des Hochschultraums ab, das Haus gab in dieser Zeit und darüber hinaus in der medialen Öffentlichkeit einen katastrophalen Eindruck ab.

Von Beginn an ein Provisorium?
2024 erschien das Buch des Autors im Hollitzer-Verlag © Hollitzer Verlag, Bildarchiv ÖNB, ANNO ÖNB

Bei all dem Zwist macht es rückblickend den Eindruck, als hätte die Fachhochschule ihre grundsätzliche Bestimmung vergessen: So brauchte es beispielsweise drei Anläufe, um den ersten Rektor zu wählen. Und dass die Inaugurationsfeier desselben immer wieder verschoben werden musste, lag an der nicht fertiggestellten Rektorskette. Drei Jahre nach ihrer Gründung besaß die Hochschule, wie es in einer Beschwerde heißt, „noch immer kein einziges Unterrichtsmittel, weder ein Instrument, noch ein Notenheft“ – man bediente sich praktisch für alles am Bestand und der Infrastruktur der Akademie, mit der man sich (auch) das Gebäude teilte.

Letzten Endes löste das Unterrichtsministerium 1931 die Hochschule auf und stellte die Akademie unter Kuratel. Dass die Hochschule in dem Ausmaß zum Spielball der Politik werden konnte, war sicherlich auch der instabilen politischen wie gesellschaftlichen Situation, aber insbesondere dem Verhalten der Hochschulangehörigen geschuldet: Jeder noch so kleine Streit wurden den Zeitungen zugespielt oder endete in einer Beschwerde an den Unterrichtsminister. Somit glich das Agieren der handelnden Personen einer tragikomischen Selbstdemontage und es bleibt der Eindruck, es habe sich bei der Fachhochschule lediglich um ein wenig durchdachtes Experiment gehandelt.

Comments are closed.