Frischer Wind? – Schönberg nur für Externisten…

Mit dem Generationswechsel um die Jahrhundertwende und nach der Verstaatlichung der nunmehrigen k.k. Akademie für Musik und darstellende Kunst im Jahr 1909 wurde internen Protokollen zufolge "eine gewisse Sterilität in unseren Kompositionsklassen" beklagt: "Denn so tüchtig und ihrer Art ausgezeichnete Männer die betreffenden Lehrer auch sind, das eine [ist] sicher, Schüler haben sie nicht herangebildet.“3 Auf der Suche nach neuen Impulsen wurde in diesem Zusammenhang, allen konservativen Tendenzen zum Trotz, eine Lehrtätigkeit des damals gerade aufstrebenden Arnold Schönberg in Betracht gezogen. Ein Ansinnen, das freilich auf Widerspruch stieß: So blieb dem mit beträchtlichen Widerständen kämpfenden Komponisten eine Professur zwar letztlich verwehrt, zumindest aber genehmigte man ihm die Abhaltung eines Kompositionskurses für externe PrivatschülerInnen. Schönbergs pädagogischer Ehrgeiz ging darüber freilich hinaus, so dass er 1911, als ihn das Angebot einer Professur in Berlin erreichte, seinen Kurs dorthin verlegte und damit seine Lehrtätigkeit an der Wiener Musikakademie beendete.

Welch heftige, teils erbitterte Diskussionen über die Entwicklung der neuen Musik in jener politisch brisanten Zeit an der Akademie geführt wurden, lässt sich an den Äußerungen des Professors für Musikgeschichte Robert Lach ablesen, der in Bezug auf die "feuchtohrigen Schönberg- und Schreckerjünger [sic]" konstatierte: "Diese ‚atonalen‘ Neuntödter der Melodie, des Tonsystems, der gesamten Fundamente unserer Musik, alle diese musikalischen Herostrate, an denen nichts auffällig ist als ihr gänzlicher Mangel an Begabung und ihre Erfindungs- sowie Gedankensterilität, die nur von der Präpotenz und Anmaßung ihres Auftretens übertroffen wird, – sie alle sind nur auf dem Gebiete der Musik das sklavische Abbild dessen, was uns in der Politik und Gesellschaft der Gegenwart als typische Erscheinung entgegentritt."4

Diese Polemik wurde freilich nicht restlos von allen Akademiemitgliedern geteilt. Dass sich trotz derartiger Widerstände konservativer Autoritäten eine gewisse – wenn auch vorübergehende – Öffnung gegenüber aktuellen kompositorischen Strömungen vollzog, zeigt sich nicht zuletzt an der Berufung  des damals als "Neutöner" geltenden Franz Schreker, der von 1912 bis 1920 am Haus lehrte.
 

Traditionelles setzt sich letztlich durch

1914 gewann schließlich das konservative „Lager“ wieder die Oberhand: Mit Joseph Marx kam ein Kompositionslehrer traditioneller Prägung an die Akademie, der fast vierzig Jahre am Haus bleiben sollte und als Repräsentant einer spätromantisch-impressionistischen Klanglichkeit das Profil des Fachs Komposition maßgeblich formte. Als einer der aktivsten und gefragtesten Musikpädagogen der ersten Jahrhunderthälfte betreute Joseph Marx während seiner Laufbahn über 1200 Studierende und hatte von 1922 bis 1924 das Amt des Akademiedirektors sowie im Anschluss daran die Leitung der von ihm mitbegründeten und parallel zur Akademie bestehenden Fachhochschule inne.

Namhafte Akademielehrer für Harmonielehre und Kontrapunkt dieser Zeit waren unter anderem Richard Stöhr, der im Jahr 1911 ein vielbeachtetes Lehrbuch für Formenlehre vorlegte, und ab 1923 Franz Schmidt, der in den darauffolgenden Jahren gemeinsam mit Joseph Marx das Teilfach Komposition vertrat. Schmidt, von 1927 bis 1931 auch Rektor der Akademie, starb im Jahr 1939, während Marx (bis 1952) über die Kriegsjahre hinaus aktiv blieb. Richard Stöhr wurde auf Grund seiner jüdischen Abstammung 1938 zur Emigration in die USA gezwungen, wo er seine Berufskarriere unter anderem am Curtis Institute (Philadelphia) und dem Cincinnati Conservatory fortsetzte.

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[3] mdw-Archiv, 93/Pr/1910, Protokoll der 5. Sitzung des Kuratoriums der k.k. Akademie vom 19. März 1910.

[4] Robert Lach, Wien als Musikstadt, in: Wien, sein Boden und seine Geschichte. Vorträge gehalten als außerordentlicher volkstümlicher Universitätskurs der Universität Wien, hg. von Othenio Abel, Wien: Wolfrum 1924, S. 384–445, hier S. 443.

 

Schönberg.jpg Arnold Schönberg vor seinem Schreibtisch in seiner Wohnung Hietzinger Hauptstraße 113. Aufgenommen 1911 von Alban Berg. © Arnold Schönberg Center
Schreker_1912.jpg Franz Schreker, um 1911
Franz Schmidt.jpg Franz Schmidt