10 Jahre ist es her, dass Alessandro Baticci seine Studien Tonmeister, Flöte und Komposition an der mdw begonnen hat. Nächstes Jahr kehrt er mit einem eigenen Projekt an seine Alma Mater zurück: DigitAize – Digitalisierte Streichinstrumente.

© Alessandro Baticci

„Ich war an einem Punkt angelangt, an dem ich mit konventionellen Instrumenten nicht mehr weiterkam“, erklärt Alessandro Baticci. Der freischaffende Flötist, Komponist und Performer lebt und arbeitet in Wien und widmet sich bereits seit längerer Zeit der Weiterentwicklung von Musikinstrumenten – für ihn ein notwendiger Schritt, um in der eigenen künstlerischen Arbeit weiterzukommen. Der preisgekrönte Komponist versteht seine Werke als eine technologische Herausforderung: die Realisierung einer künstlerischen Vision durch die Entwicklung neuer Lösungen. „Ich habe eine Idee, wie ich etwas in einer Komposition realisieren möchte. Dafür brauche ich eine bestimmte Infrastruktur, und die schaffe ich mir.“

Als Forschung würde er seine Arbeit nicht beschreiben, obwohl er auch Patente besitzt. Es ist vielmehr eine künstlerische Suche. „Auch Wagner hat neue Instrumente in Auftrag gegeben, um das Klangspektrum des Orchesters zu erweitern. Im Prinzip ist das die gleiche Notwendigkeit.“ Alessandro Baticci wusste schon immer, dass er Komponist werden wollte. Um seine klanglichen Vorstellungen realisieren zu können, brauchte es einen technologischen Schritt. „Ich wollte im Umgang mit elektronischer Musik sowie dem Computer das instrumentale Spielen in den Vordergrund stellen. Da dachte ich mir: Wieso entwickle ich nicht ein digitales Mapping-System für die Flöte, um damit direkt digitale Klänge zu steuern? So kann ich, während ich spiele, in Echtzeit auch andere Parameter steuern.“ Gleichzeitig liegt dem auch ein ideologischer Aspekt zugrunde: es geht um die extensive Integration von akustischen Musikinstrumenten in der digitalisierten Welt. „Die jüngsten Entwicklungen in diesem Bereich zeigen eindeutig eine Tendenz, sich von den akustischen Instrumenten zu entfernen. Ich will den umgekehrten Weg gehen und akustische Instrumente in den Vordergrund stellen sowie an deren Weiterentwicklung arbeiten. Diesen Instrumenten liegen nämlich Qualitäten zugrunde, die sonst verloren gehen würden.“

Sein Talent und Geschick in technischen Belangen sieht er als Erbe seiner Familie. „Ich interessiere mich sehr für Technik. Während der Entwicklung von Woodify konnte ich erste Erfahrungen in der unternehmerischen Arbeit sammeln.“ Mit Woodify hat der ambitionierte Erfinder eine innovative, patentierte Klanglösung für Flöte entwickelt. Ein Holzring, der am Kopfstück montiert ist, soll störende Vibrationen reduzieren und den Widerstand erhöhen. Die Klangeigenschaften des Instruments werden dadurch verbessert und bieten die Möglichkeit zu mehr Ausdruckskraft. In mittlerweile fünfzehn Geschäften sowohl im In- als auch im Ausland werden seine Produkte vertrieben. Die Erfahrungen, die er während seiner Arbeit an Woodify gesammelt hat, sind ihm bei seinen Projekten heute sehr nützlich. „Mein aktuelles Projekt DigitAize – die Digitalisierung von Musikinstrumenten – hat eine andere Größe und Komplexität erreicht. Meine Erfahrungen helfen mir, bessere Entscheidungen schneller zu treffen. Das sind Sachen, die man nicht einfach so lernen kann, man muss sie einmal gemacht haben.“

Aktuell arbeitet er mit seinem Kollegen und ebenfalls mdw-Alumnus Rafal Zalech an der Entwicklung von neuen, erweiterten Streichinstrumenten sowie an neuen Applikationen für die Musikindustrie. Die beiden Ausnahmekünstler arbeiten mit ihrem experimentellen Komponisten-Performer-Duo Nimikry auch kreativ an ihren selbst entworfenen, augmentierten Instrumenten. „Nimikrys Arbeit verbindet technologische Innovation und künstlerische Forschung. Unser Ziel ist es, mit diesen Entwicklungen unsere eigene Kunst voranzutreiben. Und es ist immer eine Wechselwirkung: Ich bin mir sicher, dass wir nach Abschluss des Projekts auch künstlerisch auf einem anderen Niveau sein werden.“ Von Herbst 2020 bis Juni 2021 kehren die zwei mdw-Alumni mit den Ergebnissen ihrer Forschung an die mdw zurück. Im Wintersemester 2020 werden Studierende des Instituts für Komposition, Elektroakustik und Tonmeister_innen-Ausbildung Werke für digitalisiertes Streichquartett schreiben. Rafal Zalech und Alessandro Baticci stellen dafür die Instrumente zur Verfügung und unterstützen die Komponist_innen während des Prozesses durch technische Beratung. Ein Streichquartett des Joseph Haydn Instituts für Kammermusik, Alte Musik und Neue Musik wird diese Werke schließlich zur Aufführung bringen.

Aktuell schreibt Alessandro Baticci an einer Oper im Rahmen eines Stipendiums, das er von der Deutschen Bank Stiftung bekommen hat. Sie wird im Oktober 2020 aufgeführt und handelt von sogenannten Roofern, also Menschen, die ohne Sicherung auf hohe Bauwerke oder Gebäude klettern, um sich dort zu fotografieren oder zu filmen. „Geht es um den Adrenalinkick oder um viel mehr? Ich will für das Publikum und mich verstehen, was dahintersteckt. Das möchte ich gerne thematisieren – und das Publikum soll das Gefühl in dem Moment auch erleben können.“

Was ihn antreibt? Neue Lösungen zu finden und Probleme aus anderen Gesichtspunkten zu betrachten. Und auf das reagieren, was gerade passiert.

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