Seit vielen Jahren musiziert an der mdw eine integrative Musikgruppe für junge Erwachsene mit und ohne Beeinträchtigung. Im Oktober 2017 wurde das Angebot um eine Band für Kinder erweitert – die mdw Young All Stars Band.

„Das Coole an der Band ist, dass man mit so vielen anderen Kindern zusammen ist, und ich mir aussuchen kann, mit welchen Instrumenten ich spiele“, sagt Gabriel. Er ist eines von zwölf Kindern, die in der Band aktiv sind – vier davon haben eine diagnostizierte Beeinträchtigung. „Unsere Kurse sind grundsätzlich für alle Menschen offen. Die Idee, eine inklusive Band speziell für Kinder zu machen, hatte ich nach einem Vortrag von Georg Feuser bei der Inklusionsfachtagung im März 2017“, erzählt Veronika Kinsky, Stellvertretende Leiterin des Instituts für musikpädagogische Forschung, Musikdidaktik und Elementares Musizieren (IMP). Da die Umsetzung einer inklusiv geführten Kinderband alleine nicht zu bewältigen ist, holt sie sich ihre Kollegin Eva Königer ins Boot, später bereichert Mario Smetana das Team. Das Angebot richtet sich an Kinder zwischen sieben und zwölf Jahren und stellt eine Aufbaumöglichkeit zu den anderen Elementaren Musizierkursen dar. „Manche Kinder kommen aus dem Aufbaukurs Kompositionswerkstatt, andere aus den Elementaren Musizierkursen für jüngere Kinder und ein paar sind schon seit den Kind-Eltern-Kursen bei uns“, erklärt Eva Königer. „Für Kinder, die das breit aufgestellte, ganzheitliche Musizieren bevorzugen, ist das Angebot ideal. Sie entwickeln in diesem Alter das Bedürfnis nach einem greifbareren Produkt und freuen sich, wenn durch gemeinsames Üben ein neues Stück entsteht, und wenn sie es danach erneut aufleben lassen können.“

© Jay Kinsky & Andreas Ripar

Ähnlich wie in den Elementaren Musizierstunden wird den Kindern Raum gegeben, um auf eigene Klangsuche zu gehen. Sie erhalten die Möglichkeit, selbst Texte, Rhythmen, Melodien oder Klangbilder zu entwickeln und ihren persönlichen musikalischen Ausdruck miteinander zu entfalten, sei es durch das Musizieren selbst oder durch andere Ausdrucksformen wie Bewegung, darstellendes Spiel und Visualisierungsformen wie etwa Malen. Der wertschätzende und rücksichtsvolle Umgang unter den Kindern, beeindruckt die zwei Pädagoginnen bis heute: „Wir haben nie erlebt, dass ein Kind ungeduldig wird, weil ein anderes mehr Zeit braucht und es war auch nicht notwendig, etwas anzusprechen. Rücksicht und Unterstützung sind von alleine gekommen.“

Die Teilhabe der Kinder mit Beeinträchtigung bereichert nicht nur die Kinder selbst, sondern auch ihr Umfeld. Sie bringen, selbst wenn manche Tätigkeiten nicht so schnell gelingen oder andere Voraussetzungen gegeben sind, genauso etwas mit, von dem die anderen profitieren. Die Pädagoginnen sind sich einig: „Manchmal entstehen ganz besondere Musiziermomente, wo wir als Gruppe durch das gemeinsame hingebungsvolle Musizieren und Singen verbunden sind und es überhaupt keine Rolle spielt, wer welche Voraussetzung mitbringt. Da ist einfach die Musik, die für uns alle da ist, die wir gemeinsam entstehen lassen und die uns mit Verbundenheit beglückt.“

© Jay Kinsky & Andreas Ripar

Besonders die Eltern der Kinder honorieren das Engagement der Pädagog_innen und bestätigen deren Arbeit durch sehr wertschätzende Rückmeldungen. „Die Mütter zweier Kinder mit Beeinträchtigung haben überglücklich angerufen, weil sie sich so gefreut haben, dass ihre Kinder an diesem Musizierangebot teilnehmen können“, erinnert sich Veronika Kinsky.

Für die ­Studierenden ist der Unterricht in der Band oft ein Sprung ins kalte Wasser. Jeweils drei Studierende von ­Veronika Kinsky und Eva Königer absolvieren mit dem Bandprojekt das Pflichtfach Didaktische ­Grundlagen der Elementaren ­Musik­pädagogik. Sie ­lernen durch die Begegnung mit Nähe und Distanz, ihre eigenen Grenzen wahrzunehmen und diese auch einzufordern. Begleitet werden sie dabei von ihren Lehrenden. „Man muss den Studierenden Mut machen über alles zu reden, damit sie sich trauen, Grenzen zu setzen. Denn niemand soll etwas aushalten, was ihm oder ihr unangenehm ist“, erklärt Eva Königer.

© Jay Kinsky & Andreas Ripar

Eine der größten Herausforderungen liegt für die Studierenden in der Unterschiedlichkeit der Bedürfnisse. Während das eine Kind sich gerne laut ausdrückt, sucht ein anderes die Ruhe. „Jedes Kind, jeder Mensch ist ein Universum für sich und je weiter man die Gruppe aufspannt, desto herausfordernder ist es, einen Boden für alle zu schaffen“, sagt Königer. Auch die Kinder werden mit dieser Unterschiedlichkeit konfrontiert. Für manche ist es ungewohnt, dass Marie im ganzen Raum unterwegs ist und sich nicht leicht in eine gemeinsame Aktivität eingliedern lässt, während Paul still abseits sitzt und sich die Ohren zuhält.

Auch Mitleid ist ein Thema, das die Studierenden in der gemeinsamen Reflexion den Lehrenden gegenüber zum Ausdruck bringen. Im Laufe des Semesters durchleben die angehenden Pädagog_innen jedoch einen Prozess, der aus einem Gefühl des Mitleids eine andere Form der Wahrnehmung entstehen lässt. Die Feststellung, dass Menschen mit einer Beeinträchtigung etwas mitbringen, wo sie anderen weit voraus sind: Resilienz, Geduld und eine unerschütterlich positive Einstellung zum Leben.

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