Die Geschichte vom Wissen der Künste reicht historisch weit zurück, ob nun die antike Mathematik als Teil der Musik angesehen wurde oder Leonardo da Vinci wissenschaftliche Experimente als bildender Künstler machte. Seit dem späten 20. Jahrhundert scheint jedoch eine neue Dringlichkeit gegenseitiger Annäherung zu entstehen. Neue Medien, Artificial Intelligence, neue Produktionsbedingungen in der Kunst, die sogenannte Wissensgesellschaft sowie sich verändernde Öffentlichkeiten stellen die Kunst ebenso wie die Grundlagenforschung vor neue Herausforderungen. Es sei möglich – oder sogar erforderlich – „Kunst als epistemische Praxis, also als ‚Subjekt der Theorie‘ zu verhandeln“1, postulieren Vertreter_innen einer Theorie der künstlerischen Forschung.
Mit einer Ringvorlesung unter dem Titel Knowing in Performing nimmt die mdw diesen Faden auf und vertieft das Thema anhand spezifischer Fragestellungen im Kontext der Performing Arts. Die Vorlesungsreihe stellt einen weiteren Schritt in der Entwicklung eines kritischen Diskurses zu Artistic Research dar, der sich an den spezifischen Bedingtheiten künstlerischer und wissenschaftlicher Produktion an der mdw orientiert. Die Grundlagen dafür sind an der mdw vielfältig: Frühere Projekte wie Kunst und Wissenschaft im Dialog im Kontext der Gender Studies (Doris Ingrisch), oder Tacit Knowing in Musical Composition Process (Tasos Zembylas), derzeit laufende PEEK-Projekte wie Rotting Sounds (Thomas Grill) oder Creative (Mis)Understandings (Johannes Kretz, Wei-Ya Lin), der von der Stabstelle Forschungsförderung ausgeschriebene Artistic-Research-Pilot-Call oder das gleichnamige Symposium Knowing in Performing im vergangenen Frühjahr lassen sich hier beispielhaft anführen.
An insgesamt sechs Terminen präsentieren seit Oktober 2018 international renommierte Expert_innen den State of the Art künstlerischer Forschung und Lehre in innovativen Formaten.
Der Pianist, Interpret und künstlerisch Forschende Paulo de Assis, zurzeit Leiter des Forschungsclusters MusicExperimentX am renommierten Orpheus Institut in Gent, eröffnete mit einer neuen Perspektive auf das klassische Verständnis von Musikwerken, indem er vorschlägt, „archivarische und musikologische Forschung in den schöpferischen Prozess hin bis zur Performance“ zu integrieren. Weitere Schwerpunkte sind z. B. die Frage kollektiver Autor_innenschaft bei Barbara Lüneburg. Die Violinistin und neu ernannte Professorin für künstlerische Forschung an der Anton Bruckner Privatuniversität Linz setzt zudem neue Akzente für das künstlerische Doktorat an Kunstuniversitäten (siehe folgendes Interview, S. 70). Johannes Kreidler geht der Frage nach, welche Konzepte und Traditionen der Konzeptmusik zugrunde liegen und wieviel Konzeptualismus in der Kunst nötig ist.
Die Ringvorlesung Knowing in Performing wird u. a. auch ein besonderes Augenmerk auf verschiedene Implementierungsmodelle von künstlerischer Forschung in die Curricula und Studienprogramme der Kunstuniversitäten, z. B. im künstlerischen Doktorat legen. Internationale Politiken der Institutionalisierung sollen kritisch analysiert und verglichen werden, wobei eine breite Diskussion über die Möglichkeiten und Bedingungen, wie aktuelle Praktiken und Diskurse Eingang in zukünftige Lehr- und Forschungspläne finden können, angestoßen werden soll. Das Ineinandergreifen von Kunst und Wissenschaft mündet bestenfalls in einem „Wissen der Künste“, von dem beide Seiten auf jeweils unterschiedlichen Weisen profitieren.
- Alle Infos und Termine unter mdw.ac.at/knowinginperforming_rvo
- Barbara Lüneburg im Interview: https://www.mdw.ac.at/magazin/index.php/2018/11/29/barbara-lueneburg-im-interview/