Was wäre, wenn es die Möglichkeit gäbe zu musizieren, um zu musizieren? Wir müssten nicht klüger oder sozialer werden, es gäbe keinen Druck, denn das Musizieren selbst stünde im Mittelpunkt und wäre Mittel und Zweck zugleich. Eine befreiende, natürliche Art Musik zu machen – das Elementare Musizieren.

Der Fachbereich Elementare Musikpädagogik, kurz EMp, stellt einen Bereich des Instituts für musikpädagogische Forschung, Musikdidaktik und Elementares Musizieren (IMP) der mdw dar und beschäftigt sich mit Forschung, Lehre und Praxis des elementaren Musizierens. Aufgebaut und geprägt wurde der Fachbereich von Ruth Schneidewind und Johann Bucher. „Wir bringen die Musik mit anderen Ausdrucksformen wie Sprache, Bewegung und darstellendes Spiel in eine positive Wechselwirkung und nutzen diese Verbindung, um das Musizieren zu intensivieren, zu vertiefen und den ganzen Menschen mit seinen Sinneswahrnehmungen miteinzubeziehen“, erklärt Veronika Kinsky, Fachbereichsleiterin der EMp. „Dadurch wird ein intensives Wahrnehmen, Erleben und Begreifen der Musik in ihrer Vielfalt ermöglicht.“

Elementares Musizieren
©Thomas Weichselbaum

Elementares Musizieren ist für Menschen jeden Alters und aller Niveaus zugänglich und ist nicht etwa einfach oder trivial, sondern stellt vielmehr einen breiten Zugang für Laien wie für Profis gleichermaßen dar. Kleinkinder erfahren einen Weg ihre Empfindungen mit ihren eigenen Möglichkeiten musikalisch zu gestalten und entwickeln ihre schöpferische Ausdruckskraft, Profis finden einen ergänzenden, vertiefenden Zugang zu ihrem Instrument und begeben sich auf ihre eigene Klangsuche. „Professionelle MusikerInnen schätzen diese andere Musizierform sehr. Sie werden keinem extremen Leistungsdruck ausgesetzt und finden dadurch einen Weg, sich mit dem eigenen Instrument entspannter und eigenständiger auszudrücken“, so Kinsky.

Die Tätigkeitsfelder der EMp sind weit gestreut. Neben instrumentalem Einzel-, Gruppen- und Ensembleunterricht, Inklusion, Musikkunde und im Schulunterricht, ist die Musikvermittlung im Konzert ein wichtiger Bestandteil. Veronika Mandl, Lehrende im Fachbereich EMp, entwickelt innovative Konzepte, u. a. Agathes Wunderkoffer für junges Publikum ab drei Jahren im Wiener Musikverein. Agathe ist eine Figur, die durch das Programm führt und sich gemeinsam mit den Kindern und deren Begleitpersonen an die Musik des jeweiligen Konzerts herantastet. „Mein Fokus bei der Konzeption eines Konzertes liegt nicht auf einem kognitiven Wissenserwerb beim Publikum. Manche Kinder merken sich Details, zum Beispiel, welches Mundstück eine Posaune hat und wie man sie anbläst, andere Kinder sind einfach fasziniert vom Klang der Instrumente, von der Geschichte und der Musik. Es geht um Kunst.“ Wichtig ist auch die Beziehungsebene, nicht nur zwischen Agathe und dem Publikum, sondern auch zwischen den MusikerInnen und dem Publikum. „Die Beziehungsarbeit ist ein wichtiger Faktor, um sich in das Phänomen Musik vertiefen zu können. Deswegen beschreibe ich ein Konzert für junges Publikum als Beziehungskunst.“ Auch für den späteren Wunsch, ein Instrument zu erlernen, ist die Bezugsebene neben dem Klang und der Motorik ausschlaggebend. Diese Bezugsebene kann nicht nur in einem Konzert hergestellt werden, sondern beispielsweise durch die Gitarre spielenden KindergartenpädagogInnen.

Besonders erfreulich sind daher auch vermehrte Kooperationen mit Kindergärten und Volksschulen sowie die Arbeit in der Musikschule und dem Schulunterricht. Entsprechende Fortbildungen für PädagogInnen wie der berufsbegleitende Weiterbildungslehrgang für EMp am IMP machen es möglich, die Teilnehmenden dahingehend zu schulen, Musik selbstverständlich in den Unterricht, bzw. im Falle von SozialpädagogInnen in den Berufsalltag zu integrieren.

Der tapfere Ritter
Der tapfere Ritter, musikalisches Erzähltheater nach dem Roman Don Quixote de la Mancha von Miguel de Cervantes ©Peter Lindner

Grundlegend beim Elementaren Musizieren ist, dass jeder Mensch angenommen wird, wie er ist – es geht um einen achtsamen Umgang, Sensibilität und Offenheit. „Ich durfte einmal bei unserer Kollegin Katharina Ruf in einem Pflegeheim der Caritas hospitieren“, erinnert sich Veronika Mandl. „In der Elementaren Musizierstunde ging es um das Thema Sonnwendfeuer. Die PatientInnen im Pflegeheim sind sehr betagt, manche sitzen im Rollstuhl. Alle konnten an das Thema anknüpfen und haben sich darauf eingelassen. Mit unterschiedlichen Instrumenten wurde das Lagerfeuer musiziert: das Knistern des Holzes, das Anschwellen der Flammen…

Elementares Musizieren
Astrids Ideen, ein musikalischer Streifzug durch das Leben Astrid Lindgrens ©Peter Lindner

Eine Frau begann plötzlich in Erinnerung an ihre Jugend ein Lied zu singen. Die Leiterin der Elementaren Musizierstunde griff das Lied auf, das daraufhin gemeinsam gesungen wurde. In solchen Momenten wird im Dialog mit den Teilnehmenden das Lebendige im Menschen wachgerufen und wertgeschätzt.“

Um mit den Teilnehmenden in Dialog treten zu können, müssen sich elementare MusikpädagogInnen als MusikerInnen selbst ausdrücken können, Improvisation ist eine Selbstverständlichkeit und die künstlerische Identifikation als MusikerIn von großer Bedeutung. „Ich muss Impulse aus der Gruppe aufgreifen können, etwas anbieten, aber auch annehmen können“, erklärt Veronika Kinsky. Das Handwerkzeug ist eine große Schatzkiste an methodischen Möglichkeiten und Spielideen, die man lernt und erweitert. Dazu kommt die Bereitschaft, sich gern zu bewegen sowie eine Offenheit möglichst vielen Musikstilen gegenüber. „Das Musizieren steht immer im Vordergrund. Wir musizieren, um zu musizieren.“

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