Sabine Derflinger hat als erste Frau einen österreichischen Tatort inszeniert, mit der Fernsehserie Vorstadtweiber feiert sie große Erfolge und hat zahlreiche Auszeichnungen wie den Grimme-Preis oder den VFF TV Movie Award des Filmfest München erhalten. Die aus Oberösterreich stammende Regisseurin ist außerdem Absolventin der Filmakademie Wien. Auch Jannis Lenz, der derzeit an der Filmakademie studiert, kann schon auf einige Auszeichnungen zurückblicken. Was die beiden FilmemacherInnen abgesehen von ihrer Berufung noch verbindet, ist ihre große Liebe zum Kino und eine individuelle filmische Handschrift.

Die jüngste Auszeichnung hat Sabine Derflinger erst kürzlich in München für eine Folge der beliebten österreichischen Serie Vorstadtweiber verliehen bekommen: der Metropolis-Preis ist ein Branchenpreis und eine ganz besondere Anerkennung für die Arbeit der vielfältigen Regisseurin, die in vielen Genres zu Hause ist. So zählen zu ihrem OEuvre Dokumentarfilme wie
Schnelles Geld (2004) und Hotspot (2011), in dem ein Projekt für Langzeitarbeitslose gezeigt wird, Fernseharbeit wie etwa die Tatortfolgen Falsch verpackt (2011) oder Borowski und das Meer (2013) sowie Episoden der ORF-Serie Vorstadtweiber und Spielfilme wie Vollgas (2001), Tag und Nacht (2010) und Dämmerung über Burma (2014).

Sabine Derflinger
Sabine Derflinger ©Petro Domenigg

Sabine Derflinger schätzt alle diese Genres sehr, im Fernsehen sieht sie etwa den Vorteil, dass sie die Figuren in der Erzählung weiterentwickeln kann: „Diese Chance hat man bei einem Kinofilm selten, deswegen wäre es wunderbar, Serienfiguren auch immer in einen Kinofilm zu bringen.“ Aber natürlich sieht man sich in der Fernseharbeit schwierigen Produktionsbedingungen gegenüber, man hat sehr kurze Drehzeiten und knappe Budgets. Dem begegnet die engagierte Regisseurin mit ihrer ganz eigenen Handschrift, die sich auch in ihren anderen filmischen Arbeiten wiederfindet: „Ich gebe die Kontrolle auf“, sagt sie. Das bedeute, dass sie jeden Dreh sehr gut vorbereite, aber dann allen Mitwirkenden Freiraum gebe: „Es ist meine Methode, den Menschen einen riesigen Freiraum zu gestatten, sodass alle ihre Inputs einbringen können und aus diesem Freiraum, etwas Anderes, Ungewöhnliches entsteht.“

Großes Kino

Obwohl sie alle Sparten liebt, in denen sie arbeitet, antwortet sie auf die Frage, was ihre Lieblingssparte sei, dass es das große Kino sei, für das ihr Herz am stärksten schlägt: „Ich liebe großes Kino mit großen Filmen und üppigen Settings. Das habe ich bei den Dreharbeiten zu Dämmerung über Burma wieder sehr stark empfunden.“ Der Film, in dem eine österreichische Förstertochter einen Shan-Prinzen in Burma heiratet, Prinzessin wird und sich dann den Gefahren eines Militärputsches ausgesetzt sieht, wurde mit einem Team von 150 Personen gedreht und das gefällt Sabine Derflinger „richtig gut“.

Zum Mond

Die Liebe zum Film hat die 53-jährige Regisseurin Sabine Derflinger schon früh entdeckt. Sie erinnert sich an ihre Anfänge, etwa dass der Wunsch, Regisseurin zu werden, „ungefähr so war, als hätte ich gesagt, ich möchte auf den Mond fliegen“. Abgesehen von den Schwierigkeiten einer jungen Frau in einer damals noch sehr männerdominierten Filmbranche und Ausbildungssituation, erinnert sich die Regisseurin in Bezug auf ihre Zeit an der Filmakademie Wien vor allem an den künstlerischen Freiraum und die Zusammenarbeit mit den KollegInnen. Darüber hinaus sei die Zeit an der Filmakademie ein Such- und Entwicklungsprozess gewesen, „um mein eigenes Potenzial, die eigene Identität zu entdecken“, sowie auch eine Begegnung mit Menschen, die über filmhistorisches Wissen verfügten. Der Tipp, den sie jungen RegisseurInnen gibt, ist es, viele Filme anzusehen und es nicht immer allen recht machen zu wollen: „Es kann nur eine/einer der kreative Kopf sein“, sagt sie. Eine wesentliche Voraussetzung dafür sei es, die eigene Arbeitsmethode, die eigene Handschrift zu kennen.

Sabine Derflinger ist die Unterstützung von und Solidarisierung mit Frauen in der Filmbranche ein wichtiges Anliegen, 2012 wurde sie für ihre vielfältigen Aktivitäten diesbezüglich mit dem Wiener Frauenpreis ausgezeichnet.

Jannis Lenz
Jannis Lenz ©Alexi Pelekanos

Auch der 1983 geborene Jannis Lenz, der derzeit an der Filmakademie Wien studiert, liebt das Kino. Mit seinen Kurzfilmen und Videoinstallationen Freistil (2014), Daheim und Dazwischen (2014), Schattenboxer (2015) und Schwerelos (2016) war er auf internationalen Festivals erfolgreich und erst kürzlich wurde ihm ein START-Stipendium des österreichischen Bundeskanzleramts zuerkannt.

 

Parkour

Für den jungen Deutschen bahnt sich eine erfolgreiche Laufbahn als Regisseur an, die eigentlich einen sehr gegensätzlich scheinenden Ursprung hat: „Ich habe in meiner Jugend mit dem Parkour (Hindernislauf in einer Stadt, Anm. d. Red.) begonnen. Dabei wird viel über Videos kommuniziert und ich wollte auch selbst Videos machen.“ Bei einem Praktikum in einer Produktionsfirma konnte Jannis Lenz das Schneiden erlernen und entdeckte dabei seine Leidenschaft für das Filmemachen. Er entschied sich für ein Studium in Wien, „eine tolle Stadt mit vielen Möglichkeiten“. Zuerst das der Theater-, Film- und Medienwissenschaft, das ihn in die Filmgeschichte einführte und dann für die Filmakademie Wien. „Man kann sich hier gut ausprobieren und sich von vielen kompetenten Menschen – nicht nur Lehrenden – Rat, Hilfe und Feedback holen. Ich hole diese Meinungen gerne ein, möchte dabei aber meinen eigenen Blick nicht verlieren, da ich ja auch für die Filme geradestehen muss. Ich denke, dass es nur so möglich ist, seinen eigenen Weg zu finden, indem man ausprobiert und scheitert.“

Organischer Prozess

Das Ausprobieren und Scheitern, das Überwinden von Hindernissen ist es, was für Jannis Lenz den Parkour und das Filmemachen verbindet. „Parkour ist eine Lebensart, in der man Hindernisse nicht als solche betrachtet, sondern vielmehr als Möglichkeiten.“ Auch beim Filmemachen sei man oft mit Hindernissen konfrontiert, wenn es nicht auf Anhieb klappe, die filmische Vision umzusetzen. „Das ist für mich ein spannender Prozess und für den Umgang mit dem Scheitern war der Parkour ein ziemlich guter Lehrmeister.“
Dieser Prozess hat Jannis Lenz im Laufe der Jahre seine eigene filmische Handschrift entwickeln lassen. Authentizität, Glaubwürdigkeit und eine gute Geschichte sind ihm ebenso wichtig wie seine Figuren: „Ich arbeite viel mit LaiendarstellerInnen und versuche sie vor der Kamera das machen zu lassen, was sie sonst im Privatleben auch machen.“ Ein Beispiel dafür sei sein Film Schattenboxer, in dem ein junger Kickboxer ein Anti-Gewalttraining absolviert, um sich eine Gefängnisstrafe zu ersparen. „Ich schaffe ein Umfeld für die DarstellerInnen, baue einen fiktionalen Rahmen und plane die Kameraarbeit.“ Das Projekt wachse dann ständig, neue Situationen oder Texte würden sich von alleine ergeben. „Das ist unglaublich spannend für mich, weil ich es als einen organischen Prozess sehe, der sich schon bei der Arbeit für mich wie echt anfühlt.“

Kino und YouTube

Als leidenschaftlichen Kinogeher und Filmemacher interessieren Jannis Lenz dennoch auch andere Formen der Erzählung. So setzt er sich etwa in seinem jüngsten Projekt Wannabe mit dem Phänomen YouTube auseinander und verbindet raffiniert die Medien Kino und YouTube miteinander. Im Kinofilm begleitet er die junge Coco auf ihrem Weg zu ihrem Wunschziel YouTube-Star, in den passenden YouTube-Clips können ZuseherInnen die Ergebnisse von Cocos Anstrengungen sehen. „Ich habe versucht, Wannabe so aufzubereiten, dass es die beiden Welten zusammenführt, denn ich denke, es ist wichtig, dass sich die beiden Dinge aufeinander zubewegen und nicht voneinander weg“, gibt Jannis Lenz einen Ausblick auf die Zukunft des Filmes und eventuell auch auf seine eigene.

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